„Gruppe S“-Prozesstag 8: Die nebulösen Aussagen des Paul-Ludwig U.

Am Dienstag, den 8. Juni 2021, wurden im „Gruppe S“-Verfahren erneut eine Videoaufzeichnung einer weiteren polizeilichen Vernehmung von Paul-Ludwig U. abgespielt. Darin tat dieser sich schwer, die zuvor beschriebene Anschlagsplanung, die ihm zufolge schon vor dem Treffen in Minden stattgefunden haben soll, an konkreten Beispielen zu belegen. Auch bei Antworten auf die Frage, ob wirklich alle der Angeklagten schon vor Minden wussten, dass es um Anschläge gehe, blieb er nebulös oder gab widersprüchliche Antworten. Ein Verteidiger berichtete, U. habe schon einmal eine Falschaussage gemacht, die seinen Aussagen über die „Gruppe S“ geähnelt haben soll. Auch hier habe er einer rechten Onlinegruppe nachgesagt, Gewalttaten zu planen, dabei sei er selbst der eigentliche und einzige Aggressor gewesen. U. erwähnt im Verhör, die „Bruderschaft Deutschland“ habe Kontakt zu einem Polizisten in Gießen, der für sie Daten aus Polizeicomputern abrufe und einmal sogar eine Straftat vertuscht habe. Marion G. soll laut U. ursprünglich ein Führungstrio mit Werner S. und Tony E. gebildet haben, sei dann als Frau allerdings ausgeschlossen worden. Unklar bleibt, was der „Tag X“ für die „Gruppe S“ bedeutete: War er im Sinne der Prepper ein schicksalhafter Tag, an dem man sein Überleben sichern müsse, oder doch der Tag, an dem die Gruppe „das System“ mit Anschlägen stürzen wollte?

Der Vorsitzende Richter (VR) eröffnet die Verhandlung um 9:29 Uhr mit einem Hinweis auf den vergangenen Prozesstermin, der wegen eines Corona-Falls in den JVA Schwäbisch Hall ausgefallen war. Werner S., der dort einsitzt, sei mehrmals negativ auf Corona getestet worden. Der Angeklagte Michael B. habe wegen des Ausfalls Beschwerde einlegen lassen. Der VR betont, man hebe Termine nicht zur Verzögerung des Verfahrens auf, sondern um alle Anwesenden zu schützen und den Fortgang des Prozesses zu gewährleisten. Ausgefallene Termine könne man nicht an anderen Tagen nachholen, weil man sowohl den Saal mit seinem Equipment brauche als auch alle Beteiligten Zeit haben müssten. Sollten eines Tages mehr Beteiligte gegen Corona geimpft sein, könnte man eventuell das Hygienekonzept anpassen. Dafür sei am 13. Juli um 9:00 Uhr ein Experte geladen, der mögliche Anpassungen erläutern könne. Der VR bietet außerdem den Angeklagten, die geimpft werden wollen, aber bisher noch keinen Termin bekommen hätten, an, für sie mit den jeweiligen JVA-Leitenden zu telefonieren, um Impftermine zu organisieren. Frank H. meldet Bedarf an, der  VR sagt ihm Unterstützung zu. Thorsten W. sagt, er wolle ebenfalls geimpft werden. Steffen B. und Thomas N. geben an, nicht geimpft werden zu wollen. Noch unschlüssig sind eigenen Angaben nach Michael B., Werner S. (der erst noch Vorgespräche aufgrund seiner Vorerkrankungen führen will) sowie Wolfgang W. und Stefan K. Marcel W. möchte erst mit einem Arzt über seine Herzprobleme sprechen. U. ist als einziger unter den Angeklagten bereits zweifach geimpft.

Fünf Prozesstage waren bislang wegen des Infektionsgeschehens in Schwäbisch-Hall und Stuttgart ausgefallen. Der VR erwägt, den erstgeimpften Markus K. aus Heilbronn nach Stuttgart verlegen zu lassen und den dort freigewordenen Platz Werner S. zu geben. Der schüttelt entschieden den Kopf ob dieses Vorschlags. Der VR bittet ihn, mit seinen Verteidigern darüber zu sprechen.

 

Vorgeplänkel

RA Hofstätter hatte beantragt, für den morgigen Sitzungstag entbunden zu werden, da er in einem anderen Verfahren sein Schlussplädoyer halten muss. Sein Mandant Tony E. und Hofstätters Kollege RA Becker sind einverstanden; Becker sagt zu, im Falle seines Ausfalls für Ersatz zu sorgen. RA Hörtling will ebenfalls für den morgigen Tag entbunden worden, er müsse zum selben Verfahren wie RA Hofstätter. Das andere Gericht habe keine Rücksicht auf die Termine des OLG-Verfahrens genommen. Er versichert, das Verfahren gegen die „Gruppe S“ habe zwar Vorrang, aber diesmal ginge es eben nicht anders. Bei ihm stehe noch ein weiteres Verfahren mit vielen Terminen an, da habe er aber klargestellt, dass die OLG-Termine freigehalten werden müssten. Sein Mandant Thorsten W. und RA Kist sind einverstanden; auch Kist sagt zu, gegebenenfalls für Ersatz zu sorgen.

RA Mandic hatte ebenfalls beantragt, entbunden werden. Das habe sich nun aber erledigt. Für den Sitzungstag am 16. Juni habe er ebenfalls beantragt, entbunden zu werden. Da müsse er zum Schöffengericht Freiburg wegen eines Betäubungsmittelgesetz-Verfahrens. Er habe eine Terminverlegung beantragt, das sei aber abgelehnt worden. Sein Mandant Michael B. und RA Berthold sind einverstanden; auch RA Berthold wird, wenn nötig, Ersatz für sich besorgen.

Der VR berichtet, er habe die USB-Sticks für die TKÜ-Dateien von den Rechtsanwält*innen Siebers, Klein, Becker, Hofstätter, Berthold, Herzogenrath-Amelung, Weis, Stehr sowie Rueber-Unkelbach bekommen.[1]  Er hatte in der vergangenen Verhandlungswoche angeboten, die Dateien für die Verteidiger*innen zugänglich zu machen, die ihm dafür einen Datenträger zukommen lassen. Der VR kündigt an, die Daten würden personalisiert, damit sie nicht weitergegeben könnten bzw. – sollte es doch dazu kommen, dass die Telefongespräche „irgendwo im Internet auftauchen“ – dass eine Weitergabe bis zu dem*der jeweilige*n RA*in zurückverfolgt werden könne.

Der VR berichtet, die Verteidiger*innen Siebers und Klein hätten sich beschwert, dass die Kommunikation mit ihrem Mandanten Werner S. zwischenzeitlich nicht möglich gewesen sei. Ein Brief von ihm vom 19. Mai sei erst vergangenen Freitag bei Siebers eingegangen. RAin Weis fügt hinzu, auch sie habe schon vor einigen Tagen ihrem Mandanten Markus K. einen Brief geschickt, den er noch nicht bekommen habe. Der VR erwidert, das laufe alles über einen Leserichter, der die Post – auch die der Verteidiger*innen – lese.

 

U. schildert erneut den geplanten Waffendeal

Der VR spielt das vierte Video aus der beim letzten Prozesstag begonnenen Reihe ab. Es zeigt die Vernehmung von Paul-Ludwig U. auf dem Polizeirevier Mosbach vom 9. Februar 2020 ab 14:55 Uhr. Anwesend sind ein Beamter, eine Beamtin und Paul-Ludwig U.

Beamter: „Sie haben vorhin gesagt, bei der Waffenübergabe sei man bewaffnet.“ Wie das gehen solle, sich beim Waffenkauf mit Waffen zu schützen, wenn man die Waffen doch erst besorgen müsse.

U: Frank [H.] hole sechs Kurzwaffen Tokarev oder Makarow aus Tschechien. Mit denen gehe man dann zur Übergabe der Waffen, die Steffen B. habe organisieren sollen. U. schildert erneut den Hergang: Steffen B. habe die Langwaffen, Maschinenpistole und Handgranaten über seinen Kontakt organisieren sollen. Auf U.s Vorschlag hätten U., Frank H., Steffen B. und Werner S. bewaffnet und mit der verabredeten Geldsumme zur Übergabe fahren sollen.

 

Sollten mehrere Anschläge zeitgleich stattfinden?

Beamter: Kommt auf das Thema Anschläge zu sprechen bzw. darauf, ob diese mit allen Beteiligten zusammen und einer nach dem anderen oder ob mehrere Anschläge in kleineren Gruppen zeitgleich stattfinden sollen.

U.: „Wir sind sechs, sieben Mann. Die machen wir alle gemeinsam.“ Teutonico [Werner S.] habe aber auch gesagt, er sei mit anderen in Kontakt, „die Ähnliches vorbereiten“, dazu wisse er, U., aber nichts Näheres. „Da werden sich die anderen [die Polizei? Die Angegriffenen?] auch erstmal die Zähne ausbeißen, wenn wir uns dann da hinstellen, mit sechs Irren. Dann geht es darum, dass man natürlich die direkte Konfrontation verhindert, man will ja nicht als Märtyrer sterben.“ Wieder schildert U., man wolle so viele Menschen wie möglich töten oder verletzen. Mindestens fünf oder sechs Moscheen mit angesehenen Imamen. Die Moscheen hätten der DITIB [Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion] angehören sollen.

Beamter: Hakt nach. „Also nicht alle gleichzeitig, sondern eine nach der anderen?“

U.: bejaht.

U.: Er habe der Gruppe gesagt, man könne vor den Anschlägen nicht einfach in den Untergrund gehen, schließlich würde einer von ihnen [vermutlich Tony E., bei dem es den Verdacht zwischenzeitlich gab] überwacht. Sollten die für den Anschlag eingeplanten sechs oder sieben Personen plötzlich von der Bildfläche verschwinden, würden die Behörden auf sie aufmerksam werden. „Deswegen haben wir gesagt, wir sollen ganz normal weitermachen bis zum Tag X. Dann Attacke.“ Er habe sich zum Auskundschaften der Anschlagsziele angeboten.

 

U. berichtet erneut, auch der als „Unterstützer“ angeklagte Thorsten W. habe 5.000 Euro zugesagt

Beamter: „Zu der Geschichte mit dem schwarzen BMW [der Wolfgang W. und U. auf der Rückfahrt vom Mindener Treffen verfolgt haben soll]: Haben Sie ein Kennzeichen erkannt?“

U.: Nein.

Beamter: „Hat Teutonico irgendwelche Anweisungen in der [Chat-]Gruppe gegeben?“

U.: Nein.

Beamter: „Wie wurde darauf reagiert, dass beispielsweise der Hamburger [ehemaliger Personenschützer] fehlte?“

U.: „Teutonico hat gesagt, auch wenn sie jetzt leider nicht hier sind, die gehören dazu, die sind dabei.“ Mit den Personen, die nicht zum Treffen in Minden hätten kommen können, würde die Zahl der Anschlagsbereiten von sechs auf neun oder zehn steigen.

Beamtin: Fragt, was mit den restlichen Mitgliedern sei.

U.: Die hätten Geld geben wollen. Insgesamt sei man beim Treffen auf 40.000 Euro gekommen. Er wiederholt, Thorsten W. aus Hamm habe 5.000 Euro zugesagt. Die fehlenden 10.000, um die für den Waffenkauf eingeplanten 50.000 Euro zusammenzubekommen, habe  man anderweitig bekommen wollen.

Beamtin: Fragt, wer das Geld einsammeln soll.

U.: Teutonico. Der hätte dann die nötigen Summen an Frank H. für dessen Waffenkauf übergeben sollen, ebenso an Steffen B., sobald der mit einem „Daumen hoch“ signalisiert hätte, dass auch sein Waffendeal zugesagt worden sei.

 

Der „Geheimniskrämer“ Werner S.

Beamtin: Fragt, wie das Geld zu Teutonico hätte kommen sollen bzw. ob dieser hierfür seine Kontodaten genant hätte.

U.: Verneint. Werner S. sei ein Geheimniskrämer und denke, die Gruppe würde beobachtet. Deswegen habe man sich auch in Minden in einer Seitenstraße 200 Meter weg vom eigentlichen Treffpunkt zusammengefunden, um nicht Thomas N.s  Privatanschrift vorher an alle weiterzugeben.

Beamter: Fragt, was der Plan sei, falls die Waffenübergaben für Frank H. und Steffen B. zeitgleich stattfinden würden.

U.: Antwortet, dass man den Termin nicht verschieben, sondern statt Frank H. jemand anderen zur Absicherung des Deals von Steffen B. mitnehmen würde.

Beamter: Merkt an, dass in diesem Fall aber die Kurzwaffen noch nicht verfügbar wären, mit denen man diesen Deal absichern wolle.

U.: In der Gruppe hätten einige jetzt schon eigene Waffen: Frank H., Marcel W. (K98 „und noch so ein anderes Spielzeug, das er nicht genannt hat“), Tony E. („eine Glock oder so“), Teutonico sei „gut ausgerüstet“. Wolfgang W. habe Messer und Bogen sowie mehrere Schusswaffen. Ulf R. habe gesagt, er habe eine Glock. Thorsten W. habe keine Waffe.

Beamtin: „Hat jemand gesagt, wo die Waffen aufbewahrt werden?“

U.: „Nein.“

Beamtin: Fragt nach der Telefonnummer von Steffen B. [die U. offensichtlich versprochen hatte, ihr zu geben].

U.: Zeigt ihr sein Handy, auf dem eine Nummer erscheint. Sie wird aufgeschrieben und abgefilmt.

Beamtin: „Hat er etwas über den Waffenhändler gesagt?“

U.: Verneint.

 

„Ans Eingemachte gehen“

U.: Vor dem Treffen in Minden sei besprochen worden, dass man beim Treffen „ans Eingemachte“ gehen und „in die Pläne [von Werner S.] eingeweiht“ würde. Immer wieder seien Nachrichten zum Thema Krieg gekommen, aus denen U. geschlossen habe: „Es kann nur eine Moschee sein, es kann nur ein Dominoeffekt sein.“ [Diesen Effekt wollte die Gruppe U. zufolge mit Anschlägen auf Moscheen einleiten. Der Konflikt habe dann zu einem Bürgerkrieg eskalieren sollen.]

Beamtin: „Wann soll das nächste Treffen sein?

U.: „Es soll eigentlich kein zweites Treffen geben. Es soll dann nur noch die Handys geben, italienische Prepaid-Handys von Nokia [die Werner S. besorgen wolle].“ Über die solle dann der Anruf kommen sollen, dass der Waffendeal stattfinden würde. Dazu wolle man sich dann in Würzburg treffen. „Teutonico hätte dann den direkten Marschbefehl gegeben.“

Beamtin: Fragt, wer gesagt habe, dass man jemanden, der etwas von das Treffen ausplaudere, töten würde.

U.: „Wolf, Frank, alle, auch ich.“

 

U. bezichtigte offenbar Thorsten W. als Verräter, um von sich abzulenken

Beamter: Fragt, ob man Thorsten W. nicht mehr habe einweihen wollen, nachdem dieser in Minden gesagt habe, er sei im öffentlichen Dienst.

U.: Als er (U.= und Wolfgang W. auf dem Rückweg aus Minden von dem BMW verfolgt worden seien, habe er die Gelegenheit genutzt und den Verdacht, ein Verräter zu sein, auf Thorsten W. gelenkt. U. habe zu Teutonico gesagt: „Der ist raus, scheiß auf die 5.000 Euro von dem.“ Teutonico habe U. vertraut. „Ich habe nicht gesagt, der muss umgebracht werden, aber ich habe gesagt, sag dem, er muss raus, ich will mit so wem nichts zu tun haben.“ U. zum Beamten: „Sie haben ja gesagt: ‚Der Letzte, auf den man kommen würde, sind Sie.‘“ Um dieses Vertrauen der Gruppe zu erhalten, „muss ich Grenzen überschreiten, sonst ist das nicht möglich“.

Beamter: „Ja, ich versteh‘s. Aber jetzt nochmal: Hat sich jemand konkret außer Ihnen dazu geäußert, dass man gegen ihn vorgehen muss, oder wie hat man auf Ihre Forderung reagiert?“

U.: Für W.s Rauswurf hätten U. selbst, Wolfgang W., Tony E. und der „Sergeant“ [Marcel W.] gestimmt. Trotzdem sei Thorsten W. geblieben.

Beamter: Auf der Heimfahrt sei noch über Thorsten W. am Telefon gesprochen worden?

U.: „Ich habe natürlich dann die Gelegenheit beim Schopf gepackt und den Verdacht auf ihn gelenkt.“ Er habe zu Teutonico gesagt: „Wir wissen doch gar nicht, ob der irgendein Mikrofon hatte?“ Das kenne man ja aus dem Fernsehen. „Wenn der das aufnimmt, was wir gesagt haben, dann ist vorbei.“ Teutonico habe dann sofort gesagt: „Alle Chats löschen, alle WhatsApp löschen.“ Er (U.) hätten die Insassen des BMW ansprechen sollen, was sie da machen würden. Wenn er und W. gut zuhause angekommen, also nicht verhaftet oder kontrolliert worden seien, hätten sie als Zeichen einen „Daumen hoch“ verschicken sollen.

 

„Noch vier Wochen durchhalten“?

U.: Will noch etwas sagen. „Ich würde gerne meine Entscheidung [ob er sich zu seiner Sicherheit aus der Gruppe zurückziehen würde] am Mittwoch mitteilen.“ Er wüsste gerne, ob Generalbundesanwältin Zacharias oder ein anderer Verantwortlicher „sagen kann, ok wir ziehen ihn raus, es reicht“, oder ob U. „noch vier Wochen durchhalten“ müsse. Er wisse, er könne selbst entscheiden. Aber „ich will diesen Druck nicht haben“, sondern klar wissen, ob er schon genügend Informationen gesammelt habe.

Beamter: U. habe ja jetzt viel gesagt, das müsse erst transkribiert und dann von ihnen und der GBA bewertet werden. Das könne schnell gehen oder etwas dauern.

Die Vernehmung wird beendet um 15:23 Uhr.

RA Hörtling bittet um Zeit, um mit seinem Mandanten Thorsten W. zu sprechen. Der VR unterbricht die Verhandlung um 10:28 Uhr. Weiter geht es um 10:59 Uhr.

 

„Eine Vielzahl von Fantasieprodukten“

Der VR fragt die Verteidiger*innen, ob sie Erklärungen zum vierten Teil der Vernehmung abgeben wollen. RA Linke widerspricht der Augenscheinnahme des Videos von der Vernehmung. Er begründet das mit dem Widerspruch vom 11. Mai der RA Ried und Flintrop.

RA Becker erklärt, U. spreche in der Vernehmung „insbesondere über sich und seine eigene Erlebniswelt“ sowie über „eine Vielzahl von Fantasieprodukten“. „Über vermeintliche Umstände, die den Kern der Anklage entsprechen sollen, wird nur sporadisch und auf vehemente Nachfrage der Ermittlungsbeamten ohne Zusammenhang berichtet.“ Als Beispiel nennt RA Becker, Werner S. habe gesagt, beim Treffen solle etwas besprochen worden, das schon lange geplant sei „vom Kopf her“. Dabei gehe es aus U.s Sicht um mehrere Anschläge auf Moscheen. U. habe, um seine Rolle in der Gruppe zu spielen, die Kölner Moschee vorgeschlagen. Hier könne von einem Plan keine Rede sein: „Es bleibt völlig im Dunkeln, wer hier was geplant oder auch nur vorgeschlagen haben soll. U. nennt nicht Redebeiträge einzelner Angeklagter, es gibt keine Chronologie.“ Einziger konkreter Vorschlag für ein Anschlagsziel sei die Kölner Moschee gewesen, die U. genannt habe. „Alle übrigen Aussagen scheinen der wirren Fantasiewelt des Angeklagten U. zu entspringen.“ Weiter sagt er über U.s Versuche, seine Informationen an verschiedene Behörden zu bringen: „Diese Schilderung belegt den völlig übersteigerten Selbstdarstellungsdrang“ sowie U.s „überzogenes Sendungsbedürfnis, quasi von den Verhörern gestreichelt zu werden, nachdem es in seiner Kindheit mit den Streicheleinheiten nicht geklappt hat.“ Einige Verteidiger und Angeklagte lachen.

 

U. soll bereits 2019 eine ähnliche Aussage über eine andere Gruppe gemacht haben

RA Becker fährt fort und zitiert U., wie dieser von sich und den Beamten in Wir-Form spreche. „Der Angeklagte U. wägt sich eindeutig als Zeuge, der quasi gleichgestellt mit den Ermittlungsbehörden kooperiert, und nicht als Beschuldigter. Das Ego und die Fantasiewelt des U. gehen mit ihm durch.“ RA Becker kommt auf die Aussage U.s zu sprechen, dass es Kalkül der Gruppe gewesen sei, dass die Betroffenen der Anschläge bzw. deren Umfeld nicht mit dem Werfen von Wattebäuschchen reagieren würden: „Hier zeigt sich endgültig, das U. den Boden der wahren Erlebniswelt verlässt und in seiner Fantasie fabuliert.“ U. befriedige hier „sein Sendungsbedürfnis“. „Mit seiner zum Heldenepos stilisierenden Lebensgeschichte als langlebiger Gefängnisinsasse schleicht er sich in Gruppen, um sie zu infiltrieren, um Schlimmeres zu verhindern. Tatsächlich geht es ihm krankheitsbedingt lediglich um seine eigene Wahrnehmung und seine von ihm selbst auferlegte Bestimmung.“

Außerdem seien U.s „Moscheen-Anschlags-Phantasien kein Novum, sondern wiederkehrendes Narrativ“. Er berichtet von einer ähnlichen „Falschbeschuldigung“: Am 29. April 2019 habe Paul-Ludwig U. in Heilbronn bei der dortigen Staatsschutz-Abteilung und am 24. Juni 2019 bei der Polizeiinspektion Unterfranken den Zeugen Wolfgang J. und weitere Mitglieder der geschlossenen Facebook-Gruppe „Die Unbeugsamen“ in nahezu identischer Weise wie später die „Gruppe S“ belastet. U. habe damals ausgesagt, Mitglieder dieser Gruppe hätten „Flüchtlinge, Moscheen, Moslems“ angreifen wollen. U. selbst habe dort geschrieben: „Was die [vermutlich Islamisten oder Geflüchtete] können, können wir auch“, und man müsse aktiver werden und handeln. Der Polizei gegenüber habe U. dann angegeben, konkretere Pläne wolle man besprechen, sollte ein persönliches Treffen positiv verlaufen. Auf die Frage, was über diese konkreteren Pläne besprochen worden sei, habe U. gesagt: Aktionen gegen Moscheen, Brandanschläge beim Freitagsgebet. Und J. habe in einem Telefonat kundgetan, er wolle „so viele wie möglich der 2.000 [vermutlich islamistischen] Gefährder finden und töten“.

 

U. soll 2019 versucht haben, die Gruppe zu Straftaten zu treiben

RA Becker sagt, er sehe hier noch „weitere Parallelen zur angeblichen ‚Gruppe S‘“. U. habe sind in beiden Fällen das Vertrauen der Mitglieder erschlichen. „Ebenso wie im hiesigen Verfahren suchte der Angeklagte auch hier sofort Kontakt zu verschiedenen Sicherheitsbehörden, offenbarte sich diesen und bot seine umfassende Kooperation an, wobei er ankündigte, in der Facebook-Gruppe weiterhin ‚ein paar krasse Sachen zu posten und zu liken‘.“ RA Beckers Ansicht nach gibt es hier ein „wiederkehrendes Muster“, das nun aufgedeckt werden müsse. Er beantragt daher, die vollständigen Akten des anderes Verfahrens aus München herbeizuziehen, die Inhalte der Facebook-Gruppe vollständig zu verlesen und J. aus Aschaffenburg zur Vernehmung zu laden. Denn der könne sagen, dass nicht er, sondern U. es gewesen sei, der in Chatbeiträgen und Telefonaten von Anschlägen auf Moscheen sprach und die Facebook-Gruppe dazu habe bringen wollen, ein reales Treffen zu organisieren. Die angebliche Anschlagsplanung sei eine Lüge von U. gewesen. München habe das Verfahren eingestellt. J. könne bestätigen, dass U. ihn belästigt habe und J. sein Ansinnen zurückwies, während U. noch „so lange insistierte, bis J. ihn auf Facebook blockierte“. U. habe das selbst bestätigt.

Dem Antrag bezüglich der Münchener Akten schließen sich die Verteidiger*innen von Steffen B., Thorsten W., Werner S., Marcel W., Markus K., Frank H., Thomas N. und Tony E. an.

 

Arbeitete U. enger mit den Behörden zusammen als bekannt ist?

Der VR fragt Werner S., wie man seinen Nachnamen ausspreche, da im Prozess immer wieder verschiedene Varianten zu hören seien. S. präsentiert die korrekte Aussprache.

Dann fahren die RA mit ihren Erklärungen fort. Auch die RA Ried und Flintrop sowie RA Kist widersprechen der Augenscheinnahme der Videoabschnitte aus der Vernehmung. RA Kist ergänzt bezüglich seines Mandanten Thorsten W., hier läge eventuell eine Falschaussage von U. vor. U. sage, dass er einen erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand [bei seiner Informationsbeschaffung] gehabt habe. Er sei an einer finanziellen Entschädigung sehr interessiert und bringe an diesem Punkt eine ausstehende Entschädigung für seine lange Haftstrafe ins Spiel. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass er hofft, den Widerruf [von U.s Bewährungsstrafe, weil er eine Waffe unerlaubt führte] zu verhindern.“ Auch scheine sich U. schon vor seiner Vernehmung kundig gemacht zu haben, ob seine bisherigen Aussagen ausreichen würden. Er spreche von „unserem Ziel, zu dem wir eigentlich hinwollen“. Das sei ein „erheblicher Belastungseifer, der zu berücksichtigen sein wird“.

RA Hörtling schließt sich dem an und gibt eine mündliche Erklärung ab: U. sei beim Verhör „offensichtlich übernächtigt, mit Koffein vollgepumpt“ gewesen. [U. gab zu Beginn seiner Vernehmung an, er sei direkt nach Ende des Treffens am Vortag aus Minden zurückgereist und habe in der Nacht nicht geschlafen.] Der RA fährt fort: „U. wirkt meines Erachtens nicht ganz nüchtern, spricht verwaschen und undeutlich, spricht sich teilweise in einen Rausch. Im ersten Teil tippt er ständig auf seinem Handy herum und verhält sich meiner Ansicht nach respektlos gegenüber den Beamten.“ U. habe Hass aus seiner Kindheit, weil seine Großeltern ihn geschlagen und nie in den Arm genommen hätten. U. zeige außerdem einen großen Redebedarf „und will am liebsten von der GBA einen Hinweis erhalten, ob seine Aussagen ausreichen oder ob noch was fehlt.“

 

Michael B., der nichtsahnende Prepper?

RA Berthold gibt eine Erklärung – auch im Namen seines Kollegen Mandic – ab. Beide schließen sich den Verwertungswidersprüchen an. Für den Fall, dass das Gericht die Verwertung trotzdem zulassen sollte, weist RA Berthold darauf hin, dass U. über den Mandanten Michael B. nichts zu sagen habe, dieser also „nicht involviert war, nichts davon wusste“. Die einzige Aussage von U., die man auf B. beziehen könnte, sei, dass er berichtet, Werner S. habe ihm einmal gesagt, „dass die Stuttgart-Gruppe nicht dabei wäre“. „Stuttgart-Gruppe“, das interpretiere er allerdings als Gruppe von Werner S.; B. sei nicht betroffen von diesen Planungen gewesen. U. erwähne auch nicht, dass Michael B. zu einem Treffen eingeladen wäre oder Ähnliches. Außerdem werde sicherlich noch wichtig, dass Michael B. nichts davon gewusst habe, dass die Chatgruppen „bei bestimmten Situationen gelöscht wurden“. B. habe eine Chatgruppe Süd für Prepping und Survival-Trainings erstellen wollen und habe von den Anschlägen nichts gewusst. Insofern sei es schlüssig, dass B. nicht bei de[2] m Treffen gewesen sei oder etwas gewusst habe. Das sei wichtig bei der späteren Bewertung der Chatgruppe Süd.

RA Siebers wendet sich an alle Kollegen, die einen Verwertungswiderspruch eingelegt haben: „Wann haben wir alle jemals so deutlich gesehen, dass jemand eine kranke Persönlichkeit hat?“ Dann wendet sich RA Siebers an U. mit den Worten: „Sie sagten ja, dass Sie davon ausgehen, beim Treffen waren alle geistig zurechnungsfähig. Ich gehe mal davon aus, dass Sie sich davon ausgenommen haben.“ Der VR fragt [streng und sichtlich entgeistert von dem scharfen Ton]: „Das musste jetzt mal raus?“

RA Grassl erklärt, U. wirke [bei der mitgeschnittenen Vernehmung] insgesamt nicht vernehmungsfähig, da er übermüdet und nicht nüchtern scheine. U. habe mehrmals bekundet, dass er eine Rolle spiele, um nicht aufzufallen. U. wolle offensichtlich eine Entscheidung der Ermittlungsbehörden, ob er weiterhin aktiv bleiben solle oder sich zurückziehen könne. „Es spricht einiges dafür, dass er auf ihren Wunsch und für sie tätig war“, schließt RA Grassl.

 

RA Rueber-Unkelbach: U. wirkt bei der Vernehmung nicht nüchtern

RA Rueber-Unkelbach sagt, U.s Persönlichkeit und mögliche Persönlichkeitsstörung seien Thema in einer Vielzahl von Gutachten diverser Sachverständiger. Darum sehe sie dem Gutachten des hier anwesenden Sachverständigen mit Spannung entgegen. Zur Rolle von U. regt die RAin an, die Vernehmungsbeamt*innen als Zeugen zu vernehmen, „um die Fragen des äußeren Rahmens der Vernehmung zu klären“. Es „wurde schon mehrmals angesprochen, dass U. sehr persönlichkeitsakzentuiert wirkt im Rahmen seiner Vernehmung, es gab schon den Verdacht, dass er nicht ganz nüchtern wirkt“. Sie führt die angeblich zum Teil lallende, zum Teil verwaschene Aussprache an und dass U. „zum Teil ins Fabulierende geht“. Das alles müsse aufgeklärt werden. Sie fragt: „Gab es eine Zusammenarbeit von U. mit den Behörden?“ Das habe [die GBA] bei den Bundesbehörden abgefragt, nicht jedoch bei den Landesbehörden. Das sei weiter aufklärungsbedürftig.

RA Picker lenkt die Aufmerksamkeit auf die Form und die äußeren Umstände der Vernehmung. „Augenscheinlich ist sehr schön zu erkennen, welche Persönlichkeitsmerkmale dieser Vernehmung innewohnen.“ Im Verhör herrsche „fast sorglose Heiterkeit“. U. versuche mehrfach zu scherzen und habe „einen überaus enormen Rededrang“, Gedankensprünge und „eine unheimlich enorme und überhöhte Selbsteinschätzung“. Dabei lege U. eine „vermeintliche Waffenkenntnis an den Tag“ und genieße seine Rolle, Teil einer bedeutenden Ermittlung dabei zu sein. U. duze die Beamten teilweise, spreche von sich und ihnen als „wir“, was RA Picker als „typische psychotische Symptome einer Manie“ deutet. Insofern sei auch er gespannt, was der Sachverständige dazu sage, ob U. psychisch krank sei und inwiefern seine Aussagen dann glaubwürdig seien. Die Verteidigung behalte sich vor, ein Glaubhaftigkeitsgutachten zu beantragen. RA Picker verweist auf sein Eingangsplädoyer: Egal ob man U. glaube oder nicht, „wird sich kein Urteil halten können“.

RA Miksch erhebt erneut das Wort. U. entlaste den Angeklagten Marcel W. mit seiner Aussage, der zufolge Marcel W. in Minden zu bedenken gegeben habe, die Reaktion auf die geplante Aktion würde „unser Volk, Leute, die wir eigentlich schützen wollen“, treffen.

 

„Eine große Euphorie für Namedropping“

RA Weis und Schwaben schließen sich der Erklärung der RA Kist und Hörtling an. Sie schließen sich allerdings explizit nicht den Verwertungswidersprüchen an, dafür aber der Erklärung von RA Picker. Zu dieser ergänzt RAin Schwaben bezüglich psychischer Auffälligkeiten U.s: Ihr sei eine „große Euphorie für Namedropping, nicht nur bei Menschen, sondern auch bezüglich Sachen“ aufgefallen. Der GBA, der Verfassungsschutz, alles, was groß und bedeutend sei, würde „gerne mal fallengelassen“. Gleichzeitig merke man U. die Begeisterung an, über solche Dinge reden zu dürfen.

Auch RA Just beteiligt sich an psychologischen Mutmaßungen. Seiner Ansicht nach wandte U. sich an die Ermittlungsbehörden, weil er aus „rein altruistischen Motiven Insiderkenntnisse zur Verfügung“ habe stellen wollen. Das zeige sich auch darin, dass U. den Vorsitzenden der türkisch-islamischen Gemeinde in Mosbach kontaktiert habe und an seiner eindrucksvollen Schilderung, dass er sich seines Risikos bewusst sei. U. äußere die „Bereitschaft, weiterhin als verdeckter Informant aktiv zu sein. Ihm wird große Aufmerksamkeit zuteil“, auch jetzt als Kronzeuge. In dieser Rolle gefalle sich U. sichtlich. Möglicherweise sei U. „sogar eine pathologisch geltungssüchtige Person“, die übertreibe und andere aktiv zu Straftaten zu animieren versuche, um selbst im Rampenlicht zu stehen. Außerdem zeichne U. aus, anderen gegenüber ständig mit seinen Krankheiten und seinen Tätigkeiten bei den Ermittlungsbehörden zu prahlen. „U. prahlte bereits im Juni 2019 damit, einen Nebenjob für den Verfassungsschutz zu haben und bald auch wieder für zwei Tage beim Staatsschutz in Berlin zu sein.“

RA Linke erklärt, U. habe ein „verpfuschtes Leben, das in über 20 Jahren Gefängnis und Maßregelvollzug mündete. Diese Sache war für ihn die Chance seines Lebens: Schaut her, wie wichtig ich bin.“

RA Hofstätter schließt sich den Erklärungen von RA Hörtling und Just an.

 

Das Verhör beim LKA

Im Anschluss an all diese Erklärungen spielt der VR den ersten Videoabschnitt einer weiteren Vernehmung U.s  vom 16. und 17. April 2020, das um 9:41 Uhr begann. Diese Vernehmung führten nicht mehr die bisherigen Beamt*innen auf dem Polizeirevier Mosbach durch, sondern der Polizeiliche Staatsschutz im LKA Baden-Württemberg im Stuttgarter Polizeipräsidium. Hier rollen die Ermittler nochmal alle wichtigen Punkte aus U.s Erzählung auf.

Beamter: Begrüßt U. und belehrt ihn über seine Rechte und die Corona-Schutzmaßnahmen. Er erklärt, die Generalbundesanwaltschaft habe Beamte beauftragt, die nicht Mitglied der Sonderkommission seien, um einen „unabhängigen Blick auf die Sache zu gewährleisten“. Anschließend verliest er U.s Personaldaten und lässt sich diese bestätigen.

U.: Den aktuellen Aufenthaltsort dürfe er nicht mitteilen. [Zu diesem Zeitpunkt befindet er sich bereits in einem Zeugenschutzprogramm.]

Beamter: Kündigt an, er wolle viele geschlossene Fragen zu neun Komplexen stellen, auf die U. möglichst präzise antworten möge. Aber nur auf das, nach dem gefragt worden sei. Wenn eine Frage mit Ja oder Nein zu beantworten sei, dann möge U. es dabei belassen und nicht vorweg greifen auf mögliche weitere Fragen. Es sei wichtig, sich bei der Vernehmung an den vorgesehenen Fahrplan zu halten. U. könne aber jederzeit eine Pause machen.

U.: Sagt, er wolle keinen Anwalt zur Vernehmung hinzuziehen. Er sei Mandant von RA Scholz in Köln, der habe sich als Pflichtverteidiger vergangene Woche gemeldet. Scholz wäre heute gerne gekommen, sei aber bei den anderen Vernehmungen auch nicht dabei gewesen und bleibe auch heute fern, um Kontakte zu meiden. Außerdem halte er es auch nicht für notwendig zu kommen, da U. ohnehin nur noch einmal das zu erzählen habe, was er bereits in Mosbach ausgesagt habe. U. solle ihn aber am Abend anrufen.

 

Niemals im Auftrag einer Ermittlungsbehörde tätig

Beamter: „Sie waren nicht im Auftrag einer Ermittlungsbehörde tätig?“

U.: „Niemals.“ Er sei bei jedem Telefongespräch und Treffen belehrt worden, dass er keinen Auftrag habe, das sei ihm bewusst gewesen.

Beamter: Fragt, ob U. jemals Versprechungen für seine Informationen gemacht worden seien.

U.: Verneint. „Ich würde sagen, zum Schluss hat man schon gesagt, die Situation hat sich dramatisiert, wir holen Sie jetzt da raus, möglicherweise holen wir Sie in ein Schutzprogramm.“

Beamter: Erkundigt sich, ob U. gesundheitlich in der Lage für die Vernehmung sei, er habe schließlich COPD.

U.: Ja. Er habe COPD, auch Asthma, aber er habe seine Sprays und Tilidin genommen. Bei Bedarf bekomme er auch Codein-Tabletten, die hätte er aber heute nicht genommen, weil er sonst durch diese Opiate „neben der Spur“ wäre. Aktuell habe er auch keine dieser Tabletten da.

Beamter: „Haben diese Medikamente Nebenwirkungen, die Ihnen bekannt sind?“

U.: „Nein.“

 

Die Kindheit des Paul-Ludwig U.

Beamter: Bittet U., die Sprays zu fotografieren, um die Fotos als Anlage zum Protokoll zu geben. Dann beginnt er mit der Vernehmung zur Person und fragt nach der Familie.

U.: Er habe Brüder [vermutlich Halbbrüder] namens Werner K. und Kai P., beide aus Haßmersheim, sowie eine Schwester [vermutlich Halbschwester] Yvonne N. aus Münster. Seine Eltern seien Angelika U. und Rolf P. Er sei aber bei den Großeltern aufgewachsen. „Meine Eltern haben sich getrennt.“ Sein Vater sei Binnenschiffer in Haßmersheim gewesen. Die Mutter habe „nichts gehabt“ und ihren Sohn Paul-Ludwig darum bei ihrer Mutter Renate U. in Obhut gegeben. Seine Mutter habe er erst 1995 kennengelernt. Kontakt zu den Geschwistern habe es auch lange nicht gegeben. 2018 habe er seinen Halbbruder und die Halbschwester kennengelernt.

Beamter: Fragt, wo U. zur Schule gegangen sei.

U.: In Dautphetal im Ortsteil Holzhausen, später in eine Heimschule, dann zur Berufsschule Biedenkopf. Er habe seinen Hauptschulabschluss 1993 oder 1994 nachgeholt und sei dann als Rettungssanitäter und in einer Bergwacht tätig gewesen. Außerdem habe er mehrere Ausbildungen zum Koch, Bäcker und Maurer angefangen, aber immer abgebrochen.

 

Die Geiselnahme 1996

Beamter: „Warum waren Sie in Haft?“

U.: Zuerst habe er zwei Jahre Jugendstrafe wegen einer Tat 1992 in Rainrod (Schotten) abgesessen. 1996 habe er dann mit drei Mittätern eine Tankstelle überfallen und einen Polizeibeamten als Geisel genommen. Insgesamt sei er 21 Jahre in Haft gewesen bis zu seiner Freilassung 2017, „davon elf zu Unrecht“. [U. blieb nach der eigentlichen Haftstrafe elf Jahre lang in Sicherungsverwahrung, bis ein Gutachten belegte, dass er nicht psychisch krank und gefährlich sei.]

Beamter: „Haben Sie nach der Entlassung einen Beruf ausgeübt?“

U.: Verneint. Das Jobcenter habe erst ein Gutachten gewollt, um abzuklären, ob er mit seinem Gesundheitszustand arbeitsfähig sei. Er sei in kardiologischer, neurologischer und lungenfachärztlicher Behandlung.

Beamter: „Was für Krankheiten haben Sie und seit wann?“

U.: 2013 habe man im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg COPD festgestellt. Außerdem habe er Bronchialasthma, eine Herzschwäche, eine verminderte Herzleistung und 2013 eine „Hirnstamm-TIA“ [TIA = transitorische ischämische Attacke, eine flüchtige Minderdurchblutung im Gehirn.][3]  gehabt.

Es gibt technische Probleme, die LKA-Vernehmung pausierte an dieser Stelle. Damit endet auch dieser erste Videoabschnitt.

 

„Durchaus schillernde Persönlichkeit“

Der VR ergreift das Wort. Die Vernehmung vom 16. und 17. April 2020 müsse man „als eine Gesamtvernehmung sehen“. „Es liegen noch 10 Stunden vor uns.“ Nach dem letzten Teil sei die Gelegenheit, zum Komplex Erklärungen abzugeben.

Einige RAs wollen aber offenbar nicht warten. RAin Rueber-Unkelbach erklärt: U.s Persönlichkeit sei „durchaus schillernd“. Sie stolpere zudem zum zweiten Mal über die die Berufsangabe Rettungssanitäter. Das sei ein Ausbildungsberuf. Eine solche Ausbildung habe U. aber nicht absolviert. „Das sollte man im Hinterkopf haben. Da stellt sich die Frage: Was will man damit bezwecken, wenn man sowas als Beruf angibt?“ U. schüttelt den Kopf.

RA Picker lobt das polizeiliche Vorgehen, das sei „professionell und ordentlich“ und habe auf U. offenbar einen bestimmten Eindruck gemacht, denn er verhalte sich hier ganz anders als in der Vernehmung vom 9. Februar 2020.

VR unterbricht die Verhandlung um 12:23 Uhr und kündigt an, danach mit den nächsten beiden Teilen des Verhörs fortzufahren. Die Verhandlung wird um 13:46 Uhr fortgesetzt mit dem zweiten Teil der Vernehmung vom 16. April 2020 ab 10:11 Uhr.

 

11.000 Euro Schulden

Beamter: Fragt nach U.s finanziellen Verhältnissen.

U.: Er bekomme 100 Euro wöchentlich vom LKA als Ersatz für Hartz IV.

Beamter: „Haben Sie Schulden?“

U.: Er habe knapp 11.000 Euro Schulden. 9.000 davon seit der Bielefelder Festnahme 1996, als ihm das SEK-Fahrzeug ins Auto gefahren sei, und kleinere Schulden bei O2 und der Deutschen Bahn. Er sei bei der Schuldnerberatung Mosbach gewesen und habe kurz vor einer Privatinsolvenz gestanden.

Beamter: Fragt nach U.s familiären Verhältnissen.

U.: Er sei ledig. „Ich war zuletzt liiert mit Anne V.“

 

U. sagt nicht klar, ob über Anschlagspläne gechattet wurde

Beamter: Beginnt mit dem Komplex Chatgruppen und fragt, in welchen der Gruppen über konkrete Anschlagspläne gesprochen worden sei.

U.: Stellenweise im Telegram-Chat „Der harte Kern“ der Administratorin Marion G. Mitglieder seien auch Teutonico, Wolf aus Koblenz [Wolfgang W.], Ralf N. [hier lacht Werner S. laut auf] und Thomas N. gewesen.

Beamter: „Über welche konkreten Anschlagspläne wurde dort gesprochen?“

U.: „Anschlagspläne in dem Sinne nicht, es wurde aber besprochen, dass man was tun muss.“ Teutonico habe dort darauf hingewiesen, dass 2020 etwas passieren müsse und dass man bereit sei, endlich zu handeln. Es sei immer mal wieder Sachen gepostet worden wie „Wir müssen jetzt endlich handeln“ oder „Die wollen das deutsche Volk hier ausrotten“.

Beamter: „Das klingt aber sehr abstrakt, Herr U. Wurden auch konkrete Ziele und Pläne besprochen?“

U.: „Nein, nur oberflächlich. Konkret wurden in keiner Gruppe konkrete Anschlagspläne zelebriert.“ Er sei Mitglied in fast allen der Chats gewesen. Marion G. habe als Administratorin Leute an Teutonico weitergeleitet, die für ihn interessant sein könnten.

 

Die „Bruderschaft Deutschland“ und ihre Vernetzungen mit Rockergruppen

Beamter: Zählt die einzelnen Chats auf und fragt, in welchen U. Mitglied sei. „Heimat“, „Besprechungszimmer“, „8.2.2020“, „Netzwerk Bayern und Baden-Württemberg“, „Kern UDP“, „Wir – die Aufrechten“, „HTF“, „The Last Man Standing“.

U.: Bejaht und ergänzt auf Nachfrage, dass er noch Mitglied in den Chatgruppen: „Bruderschaft Sektion Süd“ und „Supporter 81 Nordend“ gewesen sei.

Beamter: Fordert U. auf, zu jeder Gruppe den jeweiligen Messengerdienst zu nennen.

U.: Alle seien auf Telegram, nur die „Bruderschaft Sektion Süddeutschland“ nicht. Die laufe über WhatsApp. Das sei eine gesonderte Gruppe für Personen, die wie er auf Probe seien. Der Chat werde betrieben von „Stöpsel“ [Stefan M.] und Patrick M. [Chef der „Sektion Süd“] Die „Supporter 81“-Gruppe sei eine Facebook-Gruppe. „Ich bin da reingegangen, weil die Bruderschaft dort sehr enge Kontakte zu den drei eigentlich verfeindeten Gruppen [Hells Angels, Bandidos und Gremium MC] hatte.“

Beamter: „Wer war Administrator der einzelnen Chats?“

U.: Teutonico sei Admin der Gruppen „Heimat“, „Besprechungszimmer“, „8.2.2020“ und „Netzwerk Bayern und Baden-Württemberg“ gewesen. Marion G. ordnet er die Chats „Kern UDP“ „Wir – die Aufrechten“ und „HTF“ zu. „Last Man Standing“ habe Johnny L. betreut. Den Administrator der „Supporter 81“ kenne er nicht, die habe aber über 4.000 Mitglieder.

 

„Es soll bei Wein, Brot und Spielen über Krieg gesprochen werden“

Beamter: „Welchen Zweck hatten die Gruppen?“

U.: Die meisten habe Marion G. für Teutonico ins Leben gerufen [hier lacht Werner S. auf der Anklagebank], um für ihn „Leute zu finden, die bereit sind, mehr zu tun als nur zu reden, sondern zu handeln.“ Kurz vor dem Treffen in Minden habe Teutonico in der Gruppe „8.2.“ geschrieben: „Es soll bei Wein, Brot und Spielen über Krieg gesprochen werden.“ Wer dazu nicht bereit sei, solle nicht kommen.

Beamter: Will wissen, wer Leute eingeladen habe.

U.: Hauptsächlich hätten die Admins Leute eingeladen. Er selbst sei Admin bei „Kern UDP“ und „Wir – die Aufrechten“ gewesen, habe aber nie Leute angeworben oder eingeladen. Innerhalb ihrer Chatgruppen sollten die Administrator*innen dann „selektieren: Wer könnte interessant sein für Teutonico?“

Der VR hält das Video an. „Herr U., wie geht’s Ihnen?“ [U. sieht nicht fit aus.] Der erwidert: „Nicht so gut.“ Der VR verspricht, ein Auge auf seinen Zustand zu haben, und bittet U.s Anwälte, ebenfalls auf ihn zu achten. Dann fährt er mit dem Video fort.

 

Hat(te) die „Bruderschaft“ Zugriff auf Polizeidaten

Beamter: „Wie sind Sie auf die Leute gekommen?“

U.: Marion G.s Kriterien für die Einladung kenne er nicht. „Die Gruppen hatten stellenweise über 1.000 Leute. Dann hat man  – je nachdem, wie viel die da geschrieben haben und was – die gefragt, soll ich dich mal einladen in die andere Gruppe?“ Zudem habe man sich die Leute genauer angeschaut. So sei es auch bei der „Bruderschaft“ gewesen. In seinem Fall habe die „Bruderschaft“ das aber nicht getan, weil man über ihn ja alles auf Google habe herausfinden könne. „Aber normalerweise haben die die Möglichkeit, die Leute vonseiten der Polizei durchleuchten zu lassen.“

Beamter: „Die ‚Bruderschaft Düsseldorf‘ hat Zugang zu polizeilichen Daten?“

U.: Er wisse nicht, ob das nur Gerede sei, das müsse die Polizei selbst herausfinden. „Ich kann nur sagen, was ich gehört habe. Die Leute wurden also rausgesucht. Wenn Marion G. das Gefühl hatte, der könnte passen, dann hat die per Privatnachricht mit Teutonico geschrieben, und der hat die Leute dann in die Gruppen eingeladen.“

Beamter: „Wen würden Sie als für die Aufnahme verantwortlich bezeichnen?“

U.: „Marion G. und Werner S.“ Und Oliver K., den U. in Heilbronn getroffen habe – also alles Leute aus Baden-Württemberg. Zusätzlich sei Tony E. einer der Verantwortlichen gewesen.

 

Die Regeln der rechten Chatgruppen

Beamter: „Gab es Regeln für das Verhalten in den Gruppen?“

U.: Man habe keine Fotos von Waffen posten sollen. Er (U.) habe Screenshots ans LKA geschickt, wenn jemand konkreter geschrieben habe: „Wir müssen jetzt zu den Waffen greifen.“ Täglich habe er teilweise 600 Nachrichten lesen müssen. „Man sollte nicht konkret in diesen Gruppen benennen, dass man Amok laufen oder Moscheen angreifen will.“

Beamter: Fragt, wer die Regeln aufgestellt habe.

U.: Werner S. und Marion G. seien das gewesen.

Beamter: „Wer hat diese Regeln durchgesetzt?“

U.: Die Administratoren. Also auch er selbst, „um den Schein zu wahren. Ich hab auch Leute rausgeworfen.“

Beamter: „Was ist konkret passiert, wenn jemand eine Regel nicht eingehalten hat?“

U.: Man habe der Person erst „eine klare Ansage gemacht“ und sie dann beim zweiten Vergehen aus der Gruppe entfernt. Dafür habe er keine Rücksprache mit anderen Administratoren halten oder sich weiter erklären müssen. Ein Matthias aus Heilbronn beispielsweise habe Marion G. verbal persönlich angegriffen. Teutonico und U. hätten ihn daraufhin ermahnt, aufzupassen. U. selbst habe als Admin drei, vier Personen entfernt. Dem LKA habe er sofort einen Screenshot geschickt, als ein Mitglied vorgeschlagen habe, kleinere abgelegene Polizeiwachen anzugreifen. Der Absender sei dann angesprochen worden von den Admins: „Hier, pass auf, das kann mal anderswo kommen, aber nicht hier.“ Als U. in diese Gruppen gekommen sei, habe er die Mail an den Verfassungsschutz geschrieben [in der er seine Informationen anbot].

 

„Mittel bis schwere rechtsorientierte Gesinnung“

Beamter: Fragt, was der eigentliche Zweck der Gruppen gewesen sei. „Es wurde ja sehr abstrakt rumgeschwafelt.“

U: „Die Prepperszene wollte sich auf den Tag X vorbereiten. Die ganzen Migranten waren für die alles Soldaten. Dann werden wir hier übernommen. Dann flüchtet man mit der Familie in den Wald in den Bunker. Dann gab es aber auch diese Fraktion, die bereit war, mehr zu machen als nur zu reden, also mit Waffengewalt durch Anschläge. Es waren auch viele Normalbürger drin, die nichts konkret mit der rechten Szene zu tun haben, sondern von denen dann Äußerungen kamen wie ‚wir müssen jetzt mehr tun, die wollen uns hier umvolken‘.“ Dann habe man geschaut, wer mehr wolle als Preppen oder Reden, wer also in Teutonicos Gruppe passen könnte.

Beamter: „Wer war für die inhaltliche Ausrichtung verantwortlich?“

U.: Immer die jeweiligen Admins der Chats seien das gewesen.

Beamter: Fragt nach der politischen Gesinnung der Chatmitglieder

U.: „Ich kann sagen, dass alle Gruppen eine mittel bis schwere rechtsorientierte Gesinnung haben.“

 

„Dieses Pack muss hier raus, egal mit welchen Mitteln“

Beamter: „Was verstehen Sie unter rechter Gesinnung?“

U.: „Es wurden immer wieder Videos von Schwarzen gepostet, die Leute vor den Zug geschmissen oder Frauen vergewaltigt haben. Und dann auch die entsprechenden Kommentare.“ Deswegen rechts, weil Mittelpunkt die Ziele der Merkel-Regierung gewesen seien. „Die Zionisten haben die Macht und wollen das deutsche Volk ausrotten. Das ist natürlich für mich schon rechts, wenn man den Staat so bezeichnet und auf Videos solche Kommentare schreibt wie ‚Die gehören weg‘.“ U. selbst habe, um nicht aufzufallen und um seine Position zu behalten, auch strafbare Dinge geschrieben wie „Muss der nicht ins Lager?“ „Sie waren oft alle sehr AfD-affin. Viele haben sich legitimiert gefühlt durch die Aussagen von diesem Höcke, der einen Umsturz wollte.“

Beamter: Fordert U. auf, ideologische Elemente seines Verständnisses einer rechtsextremen Gesinnung zu benennen.

U.: Wenn sich eine Gruppe einen Namen wie „Wodans Erben“ gebe beispielsweise. Außerdem: „Rechte Gesinnung ist, wenn ich alles, was schlecht ist in Deutschland, schlecht läuft oder dem Anschein nach schlecht läuft, auf die Migranten schiebe, ob berechtigt oder nicht.“ Außerdem hätten dort mehrere Mitglieder Reichskriegsflaggen, „zum Teil SS-Bilder, Hitlerbilder und so weiter“ versendet, oder Kommentare wie „Dieses Pack muss hier raus, egal wie, egal mit welchen Mitteln“ geschrieben. Das habe in allen Gruppen stattgefunden.

 

Erneut bleibt U. nebulös: Wussten alle von den Anschlagsplänen?

Beamter: „War es den Mitgliedern Ihrer Ansicht nach klar, dass es um Anschläge oder die Gefahren eines Bürgerkriegs ging?“

U.: Denen in Teutonicos Gruppen „war das sehr wohl bewusst. Ich habe natürlich auch immer wieder Andeutungen gemacht, wir müssen was tun, und ich bin bereit zu sterben. Mehr hat man da natürlich nicht preisgegeben.“ Den zwölf Personen, die für Teutonico herausgefiltert worden seien, sei aber – einschließlich U. – klar gewesen, worum es gegangen sei. Nur eine Person nimmt er hier aus, auf die er später noch zu sprechen komme [Ulf R.]. „Für jeden, der klar denken kann, war aus diesen verschiedenen Chats klar ersichtlich, in welche Richtung das laufen soll.“ Stellenweise hätten Leute Bilder von ihren privaten Waffen gepostet.

Beamter: „In welchen Chats wurde über Waffen gesprochen?“

U.: Zählt auf: „Heimat“, „Besprechungszimmer“, „8.2.“, „Netzwerk“, „Wir – die Aufrechten“ und „Last Man Standing“ – in den beiden letzten Chats allerdings nur „oberflächlich“.

Beamter: „In welchem Kontext wurde über Waffen gesprochen? Allgemein oder sehr konkret?“

U.: Manche hätten geschrieben, welche Waffen sie zuhause hätten, inklusive Fotos. Wer das gewesen sei und welche Waffen sie hätten, könne er nicht mehr sagen, aber wenn er schnell genug gewesen sei, habe er Screenshots erstellen können und diese dem LKA weitergeleitet.

 

Wer verschickte Fotos von Waffen im Chat?

Beamter: Fragt, ob alle, die zum Treffen nach Minden kamen, Bilder von Waffen gepostet hätten.

U.: Ja. Auch er selbst habe ein Bild von einer Luftpistole verschickt.

Beamter: Erkundigt sich, ob U. den Bildern habe ansehen können, ob die Waffen auch wirklich den Chatmitgliedern gehört hätten.

U.: Es sei für ihn ersichtlich gewesen, dass die Waffenfotos nicht aus dem Internet seien, sondern von den Chatmitgliedern selbst fotografiert worden seien, es also wirklich deren Waffen seien. Und er ergänzt: „Es gab zum Schluss mehrere angebliche ehemalige KSK-Soldaten, die Videos von einem Einsatz in Afghanistan gepostet haben und auch Interesse hatten, mehr zu tun.“

Beamter: Legt ihm Fotos der Beschuldigten vor und fragt, wer von ihnen Waffen gepostet habe.

U.: Bei Steffen B. sei er sich nicht sicher. Beschuldiger 2 habe er an der Hummelgautsche als Mike [Michael B.] kennengelernt. Der habe kein Waffenbild verschickt. Tony E. habe „ein Messer, eine Machete oder so“ gepostet, aber keine Schusswaffe. Frank H. habe auch keine Waffenbilder verschickt. „Der war sehr vorsichtig.“ In persönlichen Gesprächen sei er offener gewesen. Die beiden von den Vikings [Steffen B. und Stefan K.] habe er erst in Minden kennengelernt und wisse nicht, unter welchen Namen diese im Chat unterwegs gewesen seien. Thomas N. habe zwar keine Schusswaffen gepostet, aber Fotos von Kriegsäxten und Messern. Ulf R. habe keine Waffenfotos geteilt. Teutonico „hatte mal ne Waffe gepostet, aber dann sofort wieder rausgenommen.“ In manchen Chats habe U. keine Screenshots machen können, das sei im Messengerdienst geschützt gewesen. In einem Privatchat habe Teutonico das Foto einer Waffe verschickt, die ausgesehen habe wie eine Makarow oder die Tokarev. „Schwarz, neun Millimeter.“ Er selbst, U., habe einmal auf WhatsApp und einmal auf Telegram ein Foto von seiner CO2-Waffe gepostet, 4.5 Millimeter. Er habe auch mit allen Leuten privat geschrieben. Öffentlich in einer Gruppe habe er das Bild aber nicht geschickt, sondern privat, beispielsweise an Johnny L. Bei Beschuldigter 11 [Marcel W.] könne U. es nicht ausschließen, denn viele hätten im Chat andere Namen gehabt. Zu Wolf [Wolfgang W.] erinnert sich U.: „Der kam zum ersten Treffen mit einer Schutzweste.“ Eine Waffe habe er aber auch nicht gepostet. Auch Thorsten W. habe „keine Schusswaffe, aber immer mal wieder Bilder mit Schwertern und Äxten und einem Thor-Schild“ versendet.

Beamter: „Können Sie darüber hinaus noch Leute benennen, die in den Chats Waffen gepostet haben?“

U.: Mit Namen nicht. Aber die Videos dieser „angeblichen KSK-Soldaten“ hätten nicht wie YouTube-Videos ausgesehen. „Die haben ihre Waffen auch gepostet. Die habe ich auch, soweit es möglich war, ans LKA geschickt.“

 

U. ist verwundert, dass „Bruderschafts“-Chef Ralf N. nicht verhaftet wurde

Beamter: „Wurde außerhalb dieser Chatgruppen über Ziele und Pläne gesprochen?“

U.: In Telefonaten ja, mit Teutonico, Tony E. und Ralf N. U. erläutert: „Ich war ja in seinem [Ralf N.s] Auftrag da [in Minden], ich sollte in seinem Namen sprechen.“ Zu Ralf N. ergänzt U. noch: „Ich wundere mich, dass der nur durchsucht worden ist und dass er nicht auch als Beschuldigter festgenommen wurde.“ Schließlich habe U. von Ralf N. „den klaren Auftrag gekriegt, ich kann bei dem Treffen in Minden in vollem Umfang sprechen und sagen, dass er bereit ist, bei einer ‚Hit and Run‘-Aktion dabei zu sein“.

Beamter: Fragt nach, was das bedeute.

U.: „In die Moschee rein, Leute erschießen, raus und weg.“ Da wäre Ralf N. „definitiv dabei“, das habe er U. gesagt, als er ihm die „volle Handlungsfähigkeit“ gegeben habe, in seinem Namen zu sprechen. Diese Freigabe für U. habe N. auch gegenüber Teutonico und Tony E. bestätigt.

 

Half ein Polizist bei der Vertuschung einer Straftat?

Beamter: Kommt zurück auf U.s Erwähnung der Möglichkeit, Personen in polizeilichen Datensystemen zu durchleuchten. Er will wissen, wer in der „Bruderschaft“ und wer in der Polizei daran beteiligt gewesen sei und wer durchleuchtet worden sei.

U.: Erwähnt einen Unfall von Johnny L. oder einer anderen Person der Gießener Gruppe. „Der war auf der Flucht, der hatte eine scharfe Waffe dabei, hat einen Unfall gebaut und hatte auch Drogen dabei.“ Der Beamte, der der „Bruderschaft“ nahestehe, sei der erste am Unfallort gewesen und habe einen Großteil der Drogen „weggeschüttet“ [offenbar, um seinen Bekannten zu schützen]. Dieser habe sich im Anschluss noch beschwert, warum der Polizist nicht alle Drogen entsorgt habe, und der habe erwidert, er könne dankbar sein, dass er sich überhaupt darum gekümmert habe, etwas wegzuschaffen. U. berichtet weiter, dieser Gießener Polizist trage einen Vollbart und eine Brille. Das habe U., als er es erfahren habe, sofort an die Gießener Staatsschutzabteilung weitergeleitet. „Die haben dann entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Was dabei rauskam, weiß ich nicht.“ Dann kommt U. zur Ausgangsfrage zurück und konkretisiert, Ralf N. habe zu U. gesagt: „Wenn jemand sich für die Bruderschaft interessiert, nennt man Namen und Adresse, und dass man dann die Möglichkeit hat, Leute zu durchleuchten.“

 

Das Gruppenfoto am Brandenburger Tor

Beamter: Legt U. ein Gruppenfoto, aufgenommen vor dem Brandenburger Tor, vor und will wissen, wen U. darauf erkennt.

U.: Das Foto kenne er, das sei am 3. Oktober [beim extrem rechten Aufmarsch am „Tag der Deutschen Einheit“ 2019, bei dem sich Teile der „Gruppe S“ trafen] entstanden. U. sei dort mit der Gruppe um Johnny L. hingefahren. U. markiert eine Person auf dem Foto und sagt, über diesen Mann habe Teutonico erzählt, er sei ein ehemaliger Personenschützer vom BKA oder LKA. „Der sollte eigentlich beim Minden-Treffen dabei sein, aber konnte an dem Tag nicht anreisen.“

Beamter: Hakt nach, ob dieser Mann Polizeibezug habe.

U.: Kann dazu nichts Näheres sagen. Er fügt an, es habe Bestrebungen gegeben, die „Bandidos“, „Hells Angels“ und den „MC Gremium“ in die „Bruderschaft Sektion Deutschland“ zu integrieren. Dort habe es geheißen, es würde die Möglichkeit geben, Personen polizeilich zu durchleuchten. Johnny L., Ralf N. und die Person auf dem Foto [der ehemalige Personenschützer] hätten das gesagt. Sie seien diejenigen, die Zugriff auf polizeiliche Daten haben könnten.

 

Zwei sehr unterschiedliche Verhöre

Damit endet auch diese Videosequenz. Wieder gibt der VR die Möglichkeit zur Stellungnahme. RA Herzogenrath-Amelung beginnt mit dem Hinweis, er sehe einen Unterschied im Stil und Niveau dieser Vernehmung im Vergleich zu der aus Mosbach. Hier sei man wesentlich professioneller vorgegangen. Interessant sei, dass U. auf Nachbohren verneine, dass es in den Chats konkrete Anschlagspläne gegeben habe. Der RA weist zudem darauf hin, dass Frank H. von U. als „sehr vorsichtig“ bezeichnet worden sei.

Auch RA Picker hat in dem Video ein „ganz anderes Verhalten“ von U. als in der Vernehmung zuvor entdecken können. „Dadurch wirkt zwar die Aussage im ersten Anschein glaubhafter, allerdings auch weniger detailreich und ausgeschmückt.“ Picker deutet das als „ein Zeichen dafür, dass in der Vernehmung vom 9. Februar etwas nicht gestimmt hat“. In der ersten Vernehmungsrunde habe U. sehr detailreich Waffen beschreiben können, womit er hier nun Schwierigkeiten habe.

Ansonsten will niemand etwas erklären. Die Verteidigung von U. bittet um eine Unterbrechung, damit sich U. etwas erholen kann. Der VR stimmt zu und entlässt alle in eine Pause bis 15:13 Uhr.

Als die Verhandlung fortgesetzt wird, beschweren sich mehrere Anwält*innen über die schlechte Luft im Saal. RA Scholz fügt hinzu, sein Mandant U. habe gebeten auszurichten, dass er sich nicht in der Lage sehe, der Verhandlung weiter zu folgen. [Raunen auf der Anklagebank]. Der VR bittet U., sich zu melden, wenn es ihm zu viel werde. Er könne, wenn nötig, auch einen Arzt kommen lassen. Erst einmal fährt er aber fort mit der Augenscheinnahme der Vernehmungsvideos. Das Video setzt wieder ein am 16. April 2020 um 11:11 Uhr.

 

Das Treffen an der Hummelgautsche aus U.s Sicht

Beamter: Bittet U., kurz zu schildern, was er in der Pause gemacht habe.

U.: Er habe geraucht. Dabei sei ihm noch eingefallen, dass Johnny L. gesagt habe: Der Polizist, der Daten weitergebe, sei dafür auch bei seinen Kollegen bekannt. Das habe er in Gießen auch der Polizei gesagt.

Beamter: „Sie sagten in der Pause zu mir, dass es ihnen schwerfalle, sich an manche Dinge zu erinnern.“

U.: Ja, das Ganze sei sehr komplex und es handle sich um viele Informationen.

Beamter 2: Übernimmt für den Themenkomplex 4, das Treffen an der Hummelgautsche. Einleitend fragt er, wann das Treffen gewesen sei.

U.: Antwortet [etwas unsicher], das müsse ein Wochenende Ende September 2019 gewesen sein.

 

Schon im Sommer 2019 soll es Anschlagspläne auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben haben

Beamter 2: „Wie haben Sie erstmals vom Treffen erfahren?“

U.: Kommt erst auf ein anderes Treffen der „Gruppe Heilbronn“ um Marion G. und Oliver K. Ende August oder Anfang September 2019 zu sprechen [am dem er wohl selbst auch teilnahm], das also vor dem Hummelgautsche-Treffen stattgefunden habe. Marion G. habe dieses Treffen „für Aktive angedacht“. Ein Matthias sei auch dort gewesen, sei aber später rausgeworfen worden. Marion G. sei die Initiatorin des Treffens gewesen und habe auch eingeladen. Man habe über Anschlage auf Flüchtlingsheime gesprochen.

Beamter 2: Fragt, wer dort gewesen sei.

U.: Marion G., Matthias mit seiner Lebensgefährtin und Oliver K., ebenfalls mit Lebensgefährtin, die hätten privat eine kleinkalibrige Waffe. Einer sei aus Polen angereist und habe die Nacht im Hotel verbracht. Und er selbst. Marion G. sei von ihren beiden Söhnen gebracht worden, die während des Treffens einkaufen gewesen seien oder sich anderweitig die Zeit vertrieben hätten. Marion G. habe gesagt, sie habe Pfeil und Bogen, und dass es gut wäre, Attacken auf Asylantenheime zu begehen. Es sei über die Möglichkeiten der Waffenbeschaffung gesprochen worden. Dieses Heilbronner Treffen auf der Theresienwiese sei die Grundlage für das Treffen auf der Hummelgautsche gewesen. Damals sei Teutonico schon involviert gewesen, er habe sich U., Marion G. und Oliver K. gewünscht. [Bei dieser Bemerkung lacht Werner S. im Gerichtssaal laut auf.] Er (U.) habe auf diesem Treffen auch erstmals erfahren, dass ein größeres Treffen geplant sei.

Beamter 2: Diese Personen wurden explizit eingeladen?

U.: Ja, von Marion G. „im Auftrag von Teutonico“.

 

20 Leute, „die bereit sind, aktiv zu werden“

Beamter 2: „Wer war verantwortlich für das Treffen?“

U.: Teutonico. Marion G. sei „seine rechte Hand“ gewesen. Teutonico habe den Platz [die Hummelgautsche] bezahlt. [Werner S. lacht wieder und sagt spöttisch: „Ja klar“.] U. fährt fort: Eigentlich sei angekündigt gewesen, dass um die 20 Leute kommen sollten, „die bereit sind, aktiv zu werden“. Es hätten aber einige wieder abgesagt, darum seien es nur 15 bis 17 Personen gewesen.

Beamter 2: Zeigt das Foto von der Hummelgautsche. „Von wem wussten Sie im Vorfeld, dass die Personen eingeladen wurden?“

U.: Vorher gewusst habe er das von Teutonico, Mike, Marion G. und Oliver K. Teutonico sei enttäuscht ob der Absagen gewesen.

Beamter 2: Fragt, vor welchem Hintergrund eingeladen worden sei.

U.: Klar sei gewesen, dass „Aktive“ eingeladen werden, „die bereit sind, mehr zu tun, als nur zu reden“. Dafür habe man sich dort persönlich treffen wollen. Für die Einladungen seien Teutonico und Marion G. verantwortlich gewesen. Beim Treffen habe er, U., Teutonico das erste Mal gesehen.

 

Hofreiter und Habeck seien als mögliche Ziele im Gespräch gewesen

Beamter 2: Fragt, ob die Teilnehmer gewusst hätten, worum es ging.

U.: Teutonico habe beim Treffen mit jedem Einzelgespräche geführt. Mindestens er (U.) selbst, Thomas N., Tony E., Mike, Wolf, Frank H. und dessen „Sergeant at Arms“ [Marcel W.] hätten schon vorher gewusst, worum es gehen würde. Auch U. habe Einzelgespräche geführt und herausgehört, dass man schon wusste, warum man hier sei, also „zusammen aktiv zu werden“.

Beamter 2: „Sind die Personen gekommen, um die Ziele der Gruppe aktiv zu unterstützen?“

U.: Liest die Nummern der Personen auf dem Foto, das vor ihm liegt, vor, von denen er meint, sie hätten die Ziele aktiv unterstützt. [Welche das sind, ist im Video nicht zu erkennen]. Hofreiter und Habeck seien als mögliche Ziele im Gespräch gewesen.

 

Alles „Aktive“, alles Terroristen?

Beamter 2: „Was verstehen Sie unter ‚Aktive‘?“

U.: „Tatsächlich als Kämpfer die Waffe in die Hand zu nehmen.“ Marion G. habe von Anfang an mitmachen wollen bei Anschlägen und habe kurz vor dem Treffen in Minden gejammert, dass sie als Frau von Teutonico nicht zugelassen worden sei.

Beamter 2: „Gab es auch Personen, die nur finanziell unterstützen wollten?“

U.: Man habe auch darüber gesprochen, wer Sponsoren für die Waffen sein könnten. „Dann wurde nur gesagt, darum wird sich gekümmert.“ In Minden hätten alle einen gewissen Betrag zugesagt, beim Treffen an der Hummelgautsche sei Geld so konkret noch kein Thema gewesen.

Beamter 2: Zeigt einige Fotos und fragt nach Namen und Aufgaben der Personen. Er kündigt an, im zweiten Teil zeige er ihm Fotos von Personen, bei denen er nicht genau wisse, ob sie anwesend gewesen seien.

U.: „Alle, die da waren, wussten, worum es geht: Sich persönlich kennenlernen, weil man aktiv sein möchte. Man will eine Waffe in die Hand nehmen, wie auch immer, das wird nicht konkretisiert, aber alle wollten was tun.“ Er erkennt auf den Fotos „Mike“, der mit einem schwarzen Pickup mit Zelt auf dem Dach angereist und in der Prepperszene sei. Er sei aber auch „bereit, aktiv zu werden“. Dann ein „Freikorps-Typ“. Als nächstes erkennt er Teutonico. Der habe an dem Tag auch Waffen dabeigehabt. [Steffen B. und Werner S. lachen laut auf.] Eine Person auf dem Foto habe sich als ehemaliger Rocker vorgestellt. Danach erkennt U. einen Mann, der eine scharfe Waffe unter der Jacke gehabt habe. Zu welcher Gruppe er gehörte, wisse er nicht.

 

Äxte, Messer und Pistolen. Met, Bier und Schnaps

U.: Person Nr. 7 habe nichts mit der Gruppe zu tun gehabt. Das sei ein privater Bekannter von Tony E. und Teutonico, der einen Bauernhof oder eine Waldhütte in der Nähe habe und nur zum Treffen gekommen sei, um die Verpflegung zu bringen. Morgens um 10, 11 Uhr seien belegte Brötchen mit Wein, Bier und Schnaps gekommen. Der Mann habe nur gewusst, dass sich dort rechte Gruppierungen treffen würden, aber nicht konkret, wer oder was. In seinem Beisein habe man nicht über konkrete Pläne gesprochen. Person 8 erkennt er als Frank H. und bezeichnet ihn als den Präsidenten der „Wodans Erben Deutschland“ in München. Er habe  erzählt, er werde vom Verfassungsschutz beobachtet. Er sei vorsichtig gewesen und habe nicht viel gesagt. Bei H. ist U. sich sicher, „dass er wusste, worum es geht. Dass er sehr interessiert war, wusste ich von Teutonico und Tony E. Dass er und der Sergeant at Arms dazugehören werden, definitiv.“

Person 9 sei er (U.) selbst. Er habe seine 4,5 Millimeter CO2-Pistole dabeigehabt. Person 10 habe eine ganze Anzahl selbstgebauter Äxte und Messer mitgebracht. Für das zweite Gruppenfoto habe man die ausgepackt, um Eindruck zu machen, und jeder habe sich zum Posieren vermummt und eine der Waffen genommen. Person 11 sei der Sergeant at Arms von „Wodans Erben“. Tony E. habe U. gesagt, die beiden aus dieser Gruppierung würden „auf jeden Fall dazugehören“.

 

Marion G.: Eine Frau unter Männern

Person 12 erkennt U. als Marion G. Sie habe Pfeil und Bogen mitgebracht, darüber hätten sich alle lustig gemacht.

Beamter 2: Warum?

U.: Man habe gesagt, sie könne sich damit ja mal neben ein Flüchtlingsheim stellen. Mike sei Waffenbauer und habe gesagt, mit dem Bogen von Marion G. könne man nicht einmal einen Hasen töten. Sie hätten versucht, aus 10, 15 Metern Entfernung auf Bretter zu treffen. „Je nachdem, wer durchgezogen hat, hat der Pfeil ein Stück im Holz gesteckt, aber am Asylantenheim könnte man damit nicht einmal eine Jacke oder einen Pullover durchbekommen.“ Er fährt fort mit Person 13. Das sei Tony E. Dieser habe von sich erzählt, dass er verheiratet sei und  zwei Kinder habe und ihm wichtig sei, dass etwas passieren müsse.

U.: Alle seien etwas zeitversetzt angekommen. Teutonico habe darauf bestanden, dass jeder sich persönlich vorstelle und kurz sage, ob er bereit sei, aktiv zu sein. U. selbst habe gesagt, man könne ihn ja googlen, und er sei bereit, aktiv zu sein: „Aufgrund meiner Vorgeschichte, ich gehe nicht mehr in den Knast, ich bin bereit zu sterben.“

Teutonico und Tony E. seien „sehr eng“, beide habe er, U., an der Hummelgautsche das erste Mal getroffen. Die beiden würden „immer alles absprechen“. Die beiden hätten vermutlich auch die Hummelgautsche für das Treffen gemietet. E. habe gesagt, Hofreiter käme für ihn [als Ziel] in Frage, „dieses Gesockse müsste weg“.

 

Der Anklage durch Beziehungsstreit und Suff entronnen?

Person 14 sei Oliver K, der U. ab Heilbronn mit dem Auto mitgenommen habe. „Er wusste, wo es hingeht, ich wusste es nicht.“ K. sei auch Mitglied der „Heilbronn-Gruppe“ gewesen, seine Partnerin habe eine kleinkalibrige Pistole. Die beiden hätten sich zerstritten, und dann sei er raus gewesen. Den Namen der Partnerin wisse U. nicht mehr. Auf den Fahrten hätten U. und K. sich ausführlich unterhalten. Beiden sei klar gewesen, dass die Leute dort aktiv werden wollen würden.

U. identifiziert Person 15 als Thomas N. Erst beim Treffen in Minden habe er (U.) verstanden, dass diese Person Thomas N. sei, mit ihm und Person 3 habe er an der Hummelgautsche wenig gesprochen. Thomas N. habe selbstgemachten Met zur Hummelgautsche mitgebracht.

Von Person 16 glaubt U., der sei wie Mike und Teutonico schon eine Nacht vorher vor Ort gewesen. [Werner S. auf der Anklagebank schüttelt den Kopf.] U. führt weiter aus: „Er muss sich da [in der Nacht vor dem Treffen] ziemlich daneben benommen haben“, er sei betrunken und „danach ziemlich schnell raus“ gewesen. Schon während des Treffens sei besprochen worden, „was der sich da in der Nacht vorher geleistet hat“.

 

Zwei Jugendliche unter den Rechten

Beamter 2: Zeigt Fotos von weiteren Personen und fragt, ob jemand von ihnen an der Hummelgautsche gewesen sei oder aber kommen wollte, aber dann doch nicht gekommen sei.

U.: Wer kommen wollte, aber abgesagt habe, wisse er nicht. Er betont aber mehrmals, die Personen auf den Fotos sähen „anders aus“ als er sie von dem Treffen in Erinnerung habe [möglicherweise ältere Bilder]. Ralf [vermutlich N.] sei nicht beim Treffen gewesen. Eine Person auf einem weiteren Foto erkenne er als den Mann, der sich am Vorabend betrunken und daneben benommen habe. Der sei nicht auf dem ersten Gruppenbild gewesen. Er habe seine Kinder, zwei Jugendliche, dabeigehabt. Teutonico habe gefragt, warum hier Kinder rumlaufen würden. Die beiden hätten dort auch übernachtet. Ein weiterer Anwesender, der nicht auf dem Foto auftauche, sei ein Schweigsamer gewesen. Und Wolf aus Koblenz sei auch nicht auf dem Foto, der sei erst später gekommen und habe dann eine Schussweste präsentiert - „mit so Platten, so eine Fallschirmjäger-Weste“. Wolf sei früher Fallschirmjäger gewesen und sein Sohn arbeite dort heute noch.

 

Organisationstrio der Hummelgautsche

Beamter 2: „Wer hat das Treffen geplant und organisiert?“

U.: Teutonico, seine rechte Hand Tony E. und Marion G. Letztere sei zuständig dafür gewesen, die „Heilbronner Gruppe“, also U. selbst und Oliver K. einzuladen. Alle anderen hätten Teutonico und Tony E. eingeladen. Er selbst habe da nichts geplant oder organisiert, er habe auch niemanden angeworben oder eingeladen.

Beamter 2: Fragt nach Alkohol- und Drogenkonsum beim Treffen.

U.: Von Drogen wisse er nichts. Der Betrunkene sei ja am Vortag auffällig geworden und habe dabei Mike genervt. Für Teutonico sei daraufhin klargewesen, dass er nach der Hummelgautsche raus wäre. An Alkohol habe man den Met von Thomas N. und das Bier und den Schnaps des Bekannten von Tony E. und Werner S. getrunken. Marion G. habe sich aus Frust darüber, nicht ernstgenommen und aus den Einzelgesprächen rausgehalten zu werden, fünf oder sechs kleine Flaschen Jack Daniels „hinter die Binde gekippt“. Er selbst habe zwei halbe Plastikbecher Met getrunken, einen Jack Daniels und etwas Bier. Er sei noch „völlig smooth“ gewesen, Marion G. habe aber schon „rumgelallt“. Alle, die nicht hätten fahren müssen, hätten Met oder Bier getrunken. Abgesehen von Marion G. habe sich aber niemand so betrunken, dass er nicht mehr „klar bei Verstand“ gewesen oder in der Handlungsweise beeinflusst gewesen sei. Niemand habe sich übergeben oder dergleichen.

Beamter 2: „Kannten sich die anderen Teilnehmer schon beim Treffen?“

U.: Teutonico und Tony E. hätten im Vorfeld den größten Teil der abgebildeten Leute persönlich gekannt, die anderen über die Chats. Insgesamt hätten sich vielleicht die Hälfte der Leute untereinander persönlich gekannt. Bis auf Marion G. und Oliver K. habe er (U.) niemanden persönlich gekannt, nur über Chats.

 

Es habe nicht geheißen: „Wir gründen jetzt die Terrorzelle“

Beamter 2: „War das Treffen an der Hummelgautsche vielleicht ein Gründungsakt?“

U.: Er müsse schmunzeln über einiges, das in der Presse stehe. Er wisse beispielsweise „ganz sicher aus erster Hand“, dass kein mobiles Einsatzkommando vor Ort gewesen sei. Es habe auch nicht geheißen, „Wir gründen jetzt die Terrorzelle“. Nach dem Treffen mit den Einzelgesprächen sei aber klar gewesen, wen man gebrauchen könne, wer wieder von der Gruppe höre und wer nicht. „Ein Gründungstreffen wäre für mich, wir gründen jetzt die Terrorzelle XY.“ So sei es nicht gewesen, es sei aber „der Beginn einer sich entwickelnden rechtsterroristischen Gruppierung“ gewesen. Danach habe die Gruppe viel eher als Gruppe funktioniert und sich bis zum Treffen am 8. Februar „zügig entwickelt“. Nach dem Hummelgautsche-Treffen sei ja auch schnell das Treffen in Berlin gewesen. [Demonstration am 3.10.2019]

Beamter 2: Bei der Vernehmung am 17. September habe U. bereits von der „Gruppe Teutonico“ gesprochen. Wer der Verantwortliche in der „Gruppe Teutonico“ gewesen sei, wer die Mitglieder.

U.: Die Gründung sei ein „schleichender Prozess“ gewesen. Man habe sich kennengelernt, man habe sich in Berlin wiedergetroffen. So habe sich die Gruppe langsam herauskristallisiert bis zum Treffen in Minden. „Es waren mal mehr, es wurden welche entfernt, es kamen neue dazu.“ Auch Johnny L. sei vor dem Treffen in Minden in der Gruppe 8.2. gewesen. Der sei dann aber raus, weil er das nicht mehr wollte: „Der wusste, was los war.“ Die Leute, die beim Treffen in Minden gewesen seien, seien in der „Gruppe Teutonico“.

 

„Die meisten, die am Anfang dabei waren, waren auch am Ende dabei.“

Beamter 2: „Bemerkenswert, dass Sie schon vor dem Treffen an der Hummelgautsche von einer Gruppe sprachen.“ Ob das nicht ein Widerspruch sei.

U.: Er habe viele der Klarnamen der Mitglieder erst jetzt erfahren. Ende Juli oder Anfang August [2019] habe er schon den ersten Brief an den Verfassungsschutz geschrieben. Er habe da schon Teutonico als einen, „der mehr will“, eingeschätzt. Darum habe er die Gruppe „Teutonico“ genannt.

Beamter 2: „Gab es die Gruppe Teutonico schon vor dem Treffen oder nur in Ihrer Vorstellung?“

U.: „Die meisten, die am Anfang dabei waren, waren auch am Ende dabei. Das war der harte Kern der Gruppe. Ich habe schnell erkannt, dass sich da eine Gruppe entwickelt, die bereit ist zu sterben, Waffen in die Hand zu nehmen.“ Dann habe er diese Gruppe als Gruppe Teutonico bezeichnet, um sie nachvollziehbar in Gesprächen benennen zu können. Anfangs sei U. sich nicht sicher gewesen, „ob das nur Facebook-Rambos sind“.

 

Die „Gruppe Bayern und Baden-Württemberg“

Beamter 2: In der Vernehmung am 1. Oktober habe U. angegeben, dass Teutonico auch Chef der „Gruppe Bayern und Baden-Württemberg“ gewesen sei. Was für eine Gruppe das sei.

U.: Es sei eine Chatgruppe wie die „Heimat“ auch.

Der VR stoppt das Video , weil U. nicht fit aussieht. Es folgt eine Pause von 16:18 und 16:42 Uhr. Anschließend wird die Videovorführung fortgesetzt.

U.: [Fortsetzung seiner Antwort] Diese Gruppe habe Teutonico gegründet, um darin 10 oder 15 Leute aus Bayern und Baden-Württemberg zusammenzuführen. Von dort kämen schließlich auch die meisten Beteiligten.

Beamter 2: „War das eine Untergruppierung der ‚Gruppe S‘?“

U.: „Es gab einige Untergruppierungen.“ Die meisten hätten verschiedene Gruppen durchlaufen müssen, bis sie zum „Finale“ in die Gruppen Besprechungszimmer oder 8.2. eingeladen worden seien.

 

Warum gerade Alfdorf?

Beamter 2: Warum war das Treffen ausgerechnet in Alfdorf [an der Hummelgautsche]?

U.: Vermutet, der Bekannte von Teutonico und Tony E. habe ihnen den Platz empfohlen.

Beamter 2: Fordert U. auf, die Hummelgautsche zu beschreiben.

U.: Man sei über einen Waldweg zur Hummelgautsche gelangt. In der Mitte sei ein Grill mit ein paar Bänken, links eine Mühle und rechts eine Hütte gewesen. Irgendwo den Waldweg hoch müsste der Bauer seinen Hof haben.

Beamter 2: Wer das Essen bezahlt habe, das dieser Mann brachte?

U.: Er habe selbst nichts bezahlen müssen und auch nicht mitbekommen, dass andere etwas beigesteuert hätten. Daher vermute er, Teutonico und Tony E. hätten das gemeinsam bezahlt. [Werner S. lacht erneut.]

Beamter 2: „Wer hat dort am Vorabend übernachtet?“

U.: Mike mit seinen Kindern, die Nummer 16 und Teutonico, „vielleicht noch einige andere“. Geplant sei eigentlich gewesen, nach dem Treffen gemeinsam dort zu übernachten und am Sonntagmorgen mit dem Treffen fortzufahren. Aber gegen 18, 19 Uhr am Samstag seien dann doch alle schon wieder zurückgefahren.

 

„Natürlich für jeden klar, es geht um Anschläge“

Beamter 2: Fragt, ob es vor dem Treffen Informationen gegeben habe, um was es da gehen soll.

U.: Es sei gestreut worden, dass sich dort aktive Leute treffen, die bereit seien, mehr zu tun als nur zu reden. „Da war natürlich für jeden klar, es geht um Anschläge.“ [Steffen B. und Werner S. lachen und schlagen sich vor die Stirn.]

Beamter 2: Fragt, wie diese Informationen weitergegeben worden seien.

U.: Das sei auch über Chats und auch telefonisch kommuniziert worden, er habe das über Marion G. erfahren. Er habe von relevanten Nachrichten Screenshots erstellt und ans LKA geschickt. Marion G. sei „strohdoof“, die habe sogar auf Facebook Dinge gepostet, bei denen Werner S. gesagt habe: „Ja sag mal, spinnst du?“ Bei einem Telefonat sei besprochen worden, die Leute seien gut und passten zueinander. „Dann soll es ans Eingemachte gehen.“

Beamter 2.: Hakt noch einmal nach, was U. unter „Aktive“ und „Eingemachtes“ verstehen würde. Das bisher Gesagte sei ihm zu unpräzise.

U.: „Es wurde klar, es gibt Menschen, die wollen einen Anschlag begehen.“ [Raunen auf der Anklagebank] Beim Treffen [in Minden] sollte Krieg Thema sein, und wer davon nichts halte, solle nicht kommen. „Aktiv wurde immer klar kommuniziert: Ich bin bereit, als Aktiver eine Waffe in die Hand zu nehmen, was auch immer, um Anschläge zu vollziehen. Ob gegen Migranten, Flüchtlingsheime, was auch immer. Das sollte alles am 8. Februar konkretisiert werden.“ [Steffen B. schüttelt den Kopf.]

 

Wie konkret waren die Gespräche an der Hummelgautsche?

Beamter 2: „Wurde beim Treffen konkret über Anschläge gesprochen?“

U.: Mit Teutonico und Tony E. habe er am meisten darüber gesprochen, dass gehandelt werden müsse. Tony E. habe gesagt, Leute wie Habeck und Hofreiter wären dafür gut geeignet, an die würde man leichter rankommen als an Merkel: „Die war für alle das Hassobjekt Nummer eins.“ Tony  E. habe gesagt, es wäre einfacher, diese Leute zu töten als Merkel mit ihrem Personenschutz.

Beamter 2: „Hat er nur gesagt, man soll die töten, oder hat er auch konkreter darüber gesprochen, wie?“

U.: Es habe keine konkreten Vorbereitungen gegeben. Aber: „Ich sag’s mal so: Ich rede ja nicht über Sachen, über die ich mir keine Gedanken mache.“ Er behaupte das nicht einfach so.

[Bei den Fragen, ob konkrete Anschläge besprochen worden seien, was unter „Aktiv(e)“ zu verstehen sei und ob alle gewusst hätten, dass hier Anschläge geplant werden sollten oder wurden, bleibt U. meist nebulös. Die Beamten haken mehrfach nach, er gibt dieselben Antworten. Diese Wiederholungen werden hier nicht dokumentiert, stattdessen im Folgenden nur Aussagen von U., die neue Informationen enthalten.]

 

Konkrete Anschlagsplanung laut U. erst in Minden – oder doch nicht?

U.: [auf mehrfaches Nachfragen]: Ziele habe man nicht ausgespäht. Konkrete Ziele habe man auch erst in Minden besprochen. Vorher seien aber Moscheen schon immer wieder als mögliche Ziele aufgetaucht. Teutonico habe gesagt, das sei eine Möglichkeit, eine Gegenreaktion zu provozieren. Das sei aber vor Minden noch nicht konkretisiert worden. „Sondern man hat gesagt: Moscheen wären ein effektives Ziel […]. Wenn man da reingeht und so viele wie möglich tötet, in mehreren Moscheen gleichzeitig auch Frauen und Kinder umbringt“, dann könne man so einen Bürgerkrieg anzetteln. „Das war immer das Ziel.“ Teutonico habe dann gesagt: „Und wenn ich dabei draufgehe, ich tu das für Deutschland, für die Leute, die nach mir kommen.“

Beamter 2: „Wurde das so konkret gesagt: Wir gehen in Moscheen und töten Frauen und Kinder?“

U.: „Ja, auch an der Hummelgautsche und in Minden.“ [Werner S. lacht laut auf.]

 

Polizeiwachen und Geflüchtetenunterkünfte: Laut U. ebenfalls als Ziele in Erwägung

Beamter 2: Fragt, ob man neben Moscheen weitere Ziele gehabt habe.

U.: „Polizeiwachen und Asylantenheime.“ Um Letztere sei es ja auch im Zusammenhang mit Marion G.s Sportbogen gegangen. Dann habe Tony E. aber gesagt, da habe man gar nichts von“, und damit sei die Idee vom Tisch gewesen.

Beamter 2: „Warum wurden nicht alle Personen von der Hummelgautsche zum Treffen nach Minden eingeladen?“

U.: „Weil die von Teutonico und Tony E. aussortiert wurden. Warum? Keine Ahnung.“

Beamter 2: Fragt, wer genau an der Hummelgautsche, aber später nicht in Minden gewesen sei? [Diese Frage stellt er sechs Mal, da U. immer wieder abschweift, anstatt sie zu beantworten.]

U.: Marion G. und Oliver K., weil sein Vater kürzlich gestorben sei. Er habe sich sicherlich nicht von der Einstellung her geändert, aber wegen des Todesfalles rausgezogen. Der Betrunkene sei wegen seines Verhaltens nicht mehr eingeladen worden.

 

U.: An der Hummelgautsche waren mindestens drei Schusswaffen

Beamter 2: „Waren bei der Hummelgautsche auch Leute mit Schusswaffen?“

U.: Ja, er selbst, Teutonico und die Person mit dem Chat-Pseudonym „Allvater Odin“ hätten eine dabeigehabt. Teutonico habe seine Waffe U. selbst gezeigt.

Beamter 2: „Welche Waffe war das?“

U.: Das sei eine Makarow, russische Bauweise, 9 Millimeter, mit einem „komischen Schlitten“. Dieselbe, die S. auch im Chat gepostet habe.

Beamter 2: Fragt, ob das eine scharfe Waffe gewesen sei.

U.: Bejaht.

Beamter 2: Fragt, woher U. das wisse.

U.: Teutonico habe das gesagt. Die Munition habe U. aber nicht gesehen.

Beamter 2: Fragt nach Besonderheiten und der Farbe der Waffe.

U.: Die Waffe sei schwarz gewesen mit braunem Schaft bzw. braunen Griffstücken.

Beamter 2: „Wann beim Treffen wurde sie gezeigt?“

U.: „Eher gegen Ende.“

Beamter 2: Zeigt U. Fotos von zwei Waffen und fragt, welche eher aussehe wie die von Werner S.

U.: „Eher die Größere.“

 

„Ein ganzes Arsenal an Streitäxten und Messern“

Beamter 2: „Wer hatte noch Waffen oder gefährliche Gegenstände dabei?“

U.: Der, der die Waffen vom Gruppenfoto mitgebracht habe. Das sei „ein ganzes Arsenal an Streitäxten und Messern“ gewesen, die habe er einfach zeigen wollen.

B2: Ob er welche zum Kauf angeboten oder verschenkt habe?

U.: Verneint. „Thomas N. hatte auch ein kleines Messer dabei.“ [N. sieht verwirrt aus]. Auch Tony E. habe ein Messer dabeigehabt.

Beamter 2: Fragt, ob die Anwesenden auch im Umgang mit den Waffen vor Ort unterwiesen worden seien.

U.: Eigentlich habe Teutonico Übungen geplant gehabt, zum Beispiel zu Verhalten im Wald. Aber am Ende habe es dann doch nur die Gespräche gegeben. Teutonico habe im Vorfeld dazu aufgerufen, mit Waffen zu trainieren, und Tony E. habe immer gesagt, man solle für die Kondition üben, mit einem 10-Kilo-Rucksack in den Wald gehen, um „im Ernstfall fit zu sein“. Drei der Anwesenden hätten schon Erfahrung mit Äxten und Messern gehabt. U. selbst habe einmal mit der CO2-Waffe auf die Bretterwand geschossen, da sei aber nichts steckengeblieben. Teutonico habe keine Schießübungen beim Treffen gemacht.

 

Sagte Werner S. an der Hummelgautsche, er könne Waffen organisieren?

Beamter 2: In der Vernehmung am 1. Oktober habe U. gesagt, Teutonico sollte die Waffen von einem Manfred aus Tschechien bekommen. Wer dieser Manfred sei und woher U. das wisse?

U.: Er habe später verstanden, dass es eigentlich um Frank H. gegangen sei, der sich an der Hummelgautsche mit diesem falschen Namen vorgestellt habe. Der könne Waffen aus Tschechien organisieren.

Beamter 2: „Hatten Sie den Eindruck dass er in der Lage war, Waffen zu besorgen?“

U.: Bejaht. Das sei auch von Teutonico an der Hummelgautsche benannt worden. [Werner S. lacht wieder und schüttelt den Kopf.]

U.: „Ich habe ja nicht viel in meinem Leben, aber ich habe aufgrund meiner Haft ein Gefühl für Menschen. Und bei den beiden und bei diesem Ex-Rocker, das war ein sehr professionelles Verhalten. Also man hat gemerkt: Oh, da steckt was hinter.“ Er könne nach wenigen Sätzen einschätzen, ob jemand ein Schwätzer sei.

Beamter 2: „Hatte S. noch Kontakt zu weiteren Personen, die Waffen besorgen könnten?“

U.: Ja, über „Odins Erben“ oder „Odins Rache“ im Münchener Raum. Da wisse er keine Namen, aber Werner S. habe zu U. gesagt, dass er auch andere Möglichkeiten habe, an Waffen zu kommen. [Werner S. schüttelt wieder den Kopf.] Werner S. habe mal berichtet, er sei ein ehemaliger Carabinieri, dabei sei er aber nur Restaurator gewesen. Im Gegensatz zu Frank H. und dem Sergeant at Arms sei er sich bei Teutonico manchmal nicht so sicher gewesen, „was ernst war und was nur eine Geschichte“. Einmal habe Teutonico berichtet, sein Haus sei durchsucht worden. U. [offenbar besorgt, aufzufliegen] habe dann bei der Polizei angerufen und gefragt: „Habt ihr sie noch alle, seid ihr doof?“ Der Polizist habe ihm dann gesagt, da sei überhaupt nichts gelaufen. Auch über Johnny L. aus Gießen habe Teutonico gesagt, der sei in der Lage, das eine oder andere zu beschaffen. Bei Frank H. sei U. sich sicher, der habe das auch in Minden gesagt.

B2: „Haben Sie mit Frank H. an der Hummelgautsche selbst über Waffen gesprochen?“

U.: Ja, aber sehr zurückhaltend. Er habe Frank H. nach Waffen gefragt, und der habe gesagt: „Kann sein, kann nicht sein.“ U. vermutet: „Das bisschen, was Frank gesagt hat, da steckt auch etwas dahinter.“ Frank H. und den Sergeant at Arms habe er als „sehr gefährlich“ wahrgenommen. [Werner S. lacht.]

Beamter 2: „Gab es zwischen Ihnen und den Teilnehmern des Hummelgautsche-Treffens nochmal persönlichen Kontakt?“

U.: Bejaht, am 3. Oktober 2019 in Berlin. Danach nur noch beim Treffen in Minden.

 

Wie konspirativ war das Treffen an der Hummelgautsche?

Beamter 2: Fragt, ob das Treffen an der Hummelgautsche konspirativ stattgefunden habe.

U.: Bestätigt das. Ein Pfadfindertreffen sei in der Nähe gewesen, und einige hätten sich der Hummelgautsche genähert. Instinktiv hätten dann alle die Gespräche eingestellt. Als eine Gruppe älterer Personen auf Fahrrädern gekommen sei, habe Frank H. kurz ein Zeichen gegeben, weil nicht alle die Gruppe gesehen hätten. Tony E. habe dann etwas über Fußball erzählt, damit die Gruppe nicht auffalle.

B2: „Haben Sie die Umgebung durchsucht oder Wachposten aufgestellt?“

U.: Was die anderen vorher gemacht hätten, wisse er nicht. Wegen seiner Rolle habe er sich in Gesprächen mit Teutonico und Tony E. „bewusst umgeguckt“ und gesagt, er habe „einfach alles im Blick“. Innerlich habe er aber gewusst, dass kein Einsatzkommando da sei. Auch Frank H. habe immer wieder die Umgebung angesehen. Irgendwann habe Teutonico gesagt, man hätte sich eigentlich gegenseitig abtasten sollen.

Beamter 2: „Der Ort war vorher geheim?“

U.: Ja. Auch vor dem Treffen in Minden. Selbst er mit seinem „sehr guten Draht zu E. und S.“ habe erst einen Tag vor dem Minden-Treffen den Ort erfahren, dabei habe er Zugtickets zum Spartarif kaufen müssen. Eigentlich habe vor Minden ein Treffen bei Tony E. stattfinden sollen, das sei aber abgesagt worden. Bei der Hummelgautsche hätten nur Teutonico, Tony E. und Marion G. den Ort vorher gekannt.

Beamter 2: Fragt, ob angesichts einer möglichen Überwachung für bestimmte Begriffe Synonyme verwendet worden seien.

U.: Ja, Werner S. habe im Zusammenhang mit bestellten Waffen [Slam Guns] von „E-Rollern“ gesprochen. Er (U.) habe gerade aber nicht alle Codewörter im Kopf.

 

Wollte Marcel W. nur über Preppen sprechen und wusste sonst von nichts?

Beamter 2: „Wer hat sich mit Prepping beschäftigt?“

U.: Marion G., die habe ihren Rucksack mit Verbandszeug, einem Schlafsack und anderen Dingen für ein Leben draußen präsentiert. Außerdem nennt U. Mike und zwei weitere der Anwesenden.

Beamter 2: Ob Marcel W. Prepper sei?

U.: „Der Sergeant at Arms, ja. Alle haben gesagt, dass sie auf den Tag X irgendwie vorbereitet wären.“

Beamter 2: Ob Marcel W. gewirkt habe, als wäre er vor allem wegen des Preppens gekommen?

U.: Er schätze Marcel W. als „40 Prozent Prepper und 60 Prozent Aktiver“ ein. [Werner S. lacht erneut.]

 

Was sollte am „Tag X“ geschehen?

Beamter 2: „Hatten Sie den Eindruck, dass der Tag X im Zusammenhang mit den geplanten Anschlägen steht?“

U.: In der Prepperszene glaube man, die BRD sei eine eingetragene GmbH, und die würde am Tag X übernommen „von diesen Soldaten, den Schwarzafrikanern“, und dann gehe es für Prepper darum, sich und die Familie in Sicherheit zu bringen.

Beamter 2: Ob Reichsbürger beim Treffen gewesen seien?

U.: Ja, unter anderem Thomas N. Die Anwesenden seien aber ohnehin bunt durchmischt gewesen. „Da sind Leute aus dem normalen Bereich, Polizisten, Bundeswehrsoldaten“. Heute könne man nicht mehr so klar Nazis von anderen abgrenzen. Bei manchen sei „die Einstellung mit dem Tag X so tief drin, dass die Leute sagen, die Zionisten würden uns umvolken.“

B2: „Der Tag X ist nicht konkret mit der möglichen Planung von Anschlägen verbunden?“

U.: Nein. Aber Teutonico, Thomas N., Oliver K., der Sergeant und noch weitere hätten gesagt, „dass sie bereit sind, für die Sache zu sterben, wohlwissend, dass sie teilweise Familie haben“. Wer an der Hummelgautsche gewesen sei, sei bereit gewesen zu sterben.

 

U.: Lieber sterben als zurück in den Knast

B2: Ob diese Bereitschaft nicht ein Widerspruch zum Ziel der Prepper sei, denen es ja ums Überleben gehe?

U.: Verneint diesen Widerspruch. Plan sei ja gewesen, abgelegene Moschee anzugreifen und dann mit einem Motorrad einen vorher ausgewählten Fluchtweg zu nehmen und erst einmal im Wald unterzutauchen, wobei Erfahrungen als Prepper von Vorteil seien. Die Bereitschaft zu sterben habe sich darauf bezogen, dass der Plan schiefgehen könnte. Es könnte ja eine Situation entstehen, in der bei einer Schießerei wer tödlich verletzt werde. Wäre es zur Konfrontation gekommen, sei für alle klar gewesen: „Ich [U.] lasse mich nicht festnehmen. Ich nehme so viele wie möglich mit“, und dann würde er sterben. Das sei seine Erzählung gegenüber den anderen gewesen, um seine Rolle zu wahren.

An dieser Stelle endet dieser Videoteil (Uhrzeit der Vernehmung: 13:10 Uhr).

 

Die Impf-Sorgen der Angeklagten

Erneut erteilt der VR das Wort für Erklärungen. RA Herzogenrath-Amelung äußert, nach einem solchen anstrengenden Tag nicht noch um 17:45 Uhr Erklärungen einzufordern. Der VR erwidert, am Ende der Vernehmungsvideos vom 16. und 17. April könne man gesammelt Erklärungen abgeben. Dann fragt er, ob es noch etwas zum Thema Impfungen zu klären gebe.

RA Grassl fragt, ob sein Mandant Nachteile in der Haft bekäme, wenn er sich nicht impfen lassen würde. Der VR antwortet, er sei nicht der Anstaltsleiter und könne nichts dazu sagen.

RA Berthold beklagt sich, der Angeklagte Michael B. habe sich seit drei Wochen quasi in Einzelhaft befunden. [Vermutlich wegen der Haftbedingungen während der Pandemie bzw. der Corona-Fälle in der JVA.] Der VR verweist darauf, dass er nur nach Impfungen gefragt habe. Am morgigen Verhandlungstag würden die drei Angeklagten, die sich bereit erklärt hätten, in der Mittagspause hier im Oberlandesgericht geimpft.

RA Rueber-Unkelbach moniert, ihr Mandant Wolfgang W. wolle nicht geimpft werden, sei aber angemeldet. Der VR erwidert, W. solle eben nein sagen, dann werde er auch nicht geimpft.

 

Werner S. und Markus K. wollen sich nicht verlegen lassen

RA Siebers: Der Mandant Werner S. habe berichtet, dass nach einem zuvor sehr laxen Umgang mit Corona die JVA in Schwäbisch Hall nun außerordentlich vorsichtig sei. Daher bitte er den VR, die Verlegung zu überdenken. Der VR antwortet, das sei nicht sein Eindruck, sonst hätte er die Erwägung nicht angestellt. Er nehme das aber so zur Kenntnis.

Auch RAin Schwaben spricht sich gegen die Verlegungspläne aus. Ihr Mandant Markus K. wäre „sehr unglücklich“ bei einer Verlegung. Er habe sich in Heilbronn eingelebt. Der VR antwortet [sichtlich amüsiert], die Anstaltsleiter müssten glücklich sein, dass die Inhaftierten bei ihnen bleiben wollen. Er habe aber Sorge, dass die JVA Schwäbisch-Hall weiterhin wegen ihrer Größe, Personalsituation und der bisherigen Ausbrüche die riskante JVA bleiben könnte. Er werde noch einmal darüber nachdenken.

 

Der Verhandlungstag endet um 17:54 Uhr.

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