Pressemitteilung: Revisionsverfahren im Wehrhahnprozess gescheitert. Einziger Tatverdächtiger damit endgültig freigesprochen. Prozessbeobachtung kommentiert das Ergebnis.

Im Jahr 2000 wurden bei einem rassistisch motivierten Sprengstoffanschlag in Düsseldorf-Wehrhahn zehn Menschen zum Teil schwer verletzt. Über Jahre konnte, nicht zuletzt aufgrund schwerer Ermittlungspannen, kein*e Täter*in ermittelt werden.

 

Als Anfang 2017 die Festnahme eines mutmaßlichen Täters vermeldet wurde, begann die Mobile Beratung im RB Düsseldorf eine umfangreiche Prozessbeobachtung am Landgericht Düsseldorf.

 

Nachdem der Angeklagte im Oktober 2018 nach 34 Prozesstagen vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwölf Fällen freigesprochen worden war, wurde Ende letzten Jahres ein Revisionsverfahren eröffnet, zu dem heute, den 14. Januar 2021, das Urteil gesprochen wurde. Da der Bundesgerichtshof keine Rechtsfehler erkennen konnte, bestätigte er den Freispruch.

 

Die Mobile Beratung, aber auch Betroffene und deren Unterstützer*innen sehen sich damit vor den Kopf gestoßen. Der Prozessbeobachter der Mobilen Beratung, Dominik Schumacher, kommentiert dies entsprechend: „Damit stehen Überlebende und Beobachter*innen vor einem Scherbenhaufen der Aufklärung“. Die Mobile Beratung unterstützt ausdrücklich die zivilgesellschaftliche Forderung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

 

 

Hier folgend finden Sie die Pressemitteilung der Mobilen Beratung im Regierungsbezirk Düsseldorf.
(unten im Anhang des Artikels auch als PDF abrufbar)

 

 

 

Revisionsverfahren im Wehrhahnprozess gescheitert. Einziger Tatverdächtiger damit endgültig freigesprochen. Prozessbeobachtung kommentiert das Ergebnis.

 

Das Revisionsverfahren im Wehrhahnprozess ist abgeschlossen, der BGH bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf. „Damit stehen Überlebende und Beobachter:innen vor einem Scherbenhaufen der Aufklärung“, kritisiert die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). „Ein bedeutender rechtsterroristischer Akt in der Geschichte der Bundesrepublik bleibt damit ungesühnt und unaufgeklärt“, so Dominik Schumacher, Prozessbeobachter der MBR im Wehrhahnverfahren.

 

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) hat diesen 34 Verhandlungstage andauernden Prozess von der ersten bis zur letzten Minute begleitet und dokumentiert. Die detaillierten Berichte sind auf der Homepage der MBR NRW frei zugänglich.

 

Mit Unverständnis reagiert Dominik Schumacher auf das Urteil: „Fernab einer juristischen Kommentierung, sprechen die in den drei Dutzend Verhandlungstagen massenhaft präsentierten Indizien, Zeug:innenaussagen und Beweisen für uns eine andere Sprache:

 

- eine rassistische Konflikt-Vorgeschichte mit den Opfern

- mehrere Tatankündigungen sowie polizeilich abgehörte Selbstbezichtigungen

- eine von Zeuginnen als solche erkannte Bombe auf dem Küchentisch

- eine vom Angeklagten abonnierte und in Düsseldorf seltene Zeitung, in welche die Bombe eingewickelt war

- das Wiedererkennen des Angeklagten in einer Phantomzeichnung

- eine Betriebsanleitung eines Zünders in seiner Wohnung

 

„Wer auch immer diesen Anschlag also begangen hat, er muss dem nun freigesprochenen Ralf S. wirklich verblüffend ähnlich sein“, fasst der Prozessbeobachter zusammen.

 

Zeitzeug:innen, Beobachter und Betroffene verbittert

Noch im letzten Jahr drückte eine der Überlebenden ihre Verbitterung über die mangelnde Aufklärung aus. Sie sandte bei einer Gedenkveranstaltung „bittere Grüße“ an Polizei und Politik und erinnerte daran, dass sie keinerlei staatliche Hilfe erfahren habe. Die Hoffnung auf Aufklärung habe sie begraben. „Aus Sicht der Betroffenen und der Zivilgesellschaft ist die Entscheidung niederschmetternd und wieder einmal erfährt ein rechter Anschlag nicht die nötige Aufarbeitung.“, so Schumacher abschließend.

 

Zivilgesellschaftliche Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss

Grobe Ermittlungspannen und die polizeiliche und politische Bagatellisierung der Neonazi-Szene in den Jahren rund um den Anschlag sowie eine fragwürdige Rolle des Verfassungsschutzes in den Ermittlungen lassen zu viele Fragen offen. „Klärung in diesen brennenden Fragen könnte hier ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss herbeiführen“, fasst die Mobile Beratung eine zentrale Forderung aus der Zivilgesellschaft zusammen.

 

 

Rückfragen, O-Töne und Kommentare:

Dominik Schumacher

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