„Germanisches“ in Film und Literatur
Eine ursprüngliche Verbundenheit mit der Natur, ein kriegerischer Habitus und die Zeitlosigkeit der Sprach- und Kulturgemeinschaft – damit sind zentrale Bausteine des populären Germanenbildes benannt, die freilich eine lange Vorgeschichte haben: Ihre Anfänge liegen in den romantisch eingekleideten, nationalkonservativen Geschichtsdarstellungen des 19. Jahrhunderts, die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wiederholt kritisch hinterfragt, mehrheitlich jedoch fortgeschrieben und forciert wurden. Erst nach 1945 sind die Grundlagen für das antike und frühmittelalterliche Bild Germaniens allmählich und substantiell von der Forschung in Frage gestellt worden. Doch bei aller Kritik und Reflexion bleiben manche Aspekte in unterschiedlichen Medien auf je spezifische Weise bis in die Gegenwart präsent. Besonders deutlich wird dies im Vergleich von zwei Spielarten des ‚Edutainments‘, von Dokumentarfilmen einerseits und Kinder- und Jugendbüchern andererseits.
Teil I, 30. September 2021, 19 Uhr
Im Norden nichts Neues? Neun Jahrzehnte „Germanisches“ im deutschen Dokumentarfilm
Dr. Martin Lindner, Altertumswissenschaftliches Filmarchiv „Sammlung Stern“, Göttingen
Dokumentarfilme und Dokudramen zum Thema Germanien haben im deutschen Sprachraum eine Geschichte, die bis in die Anfänge der lokalen Filmindustrie zurückgeht. Der Vortrag soll anhand von kommentierten Filmvorführungen ein Bewusstsein für Kontinuitäten und Wandel bei Erzählstrukturen, Begriffen und Bildsprache schaffen. Ein erster Teil widmet sich den Produktionen der 1920er bis 1950er Jahre. Ein zweiter hinterfragt, wie auch moderne Produktionen sich an diesen Traditionen abarbeiten – oder diese unkritisch fortschreiben. Die oft emotionale Aufladung aktiviert dabei gezielt Fremdheits- und Vertrautheitserfahrungen, wobei gerade die scheinbar unverdächtigen Aspekte die größte „Sprengkraft“ besitzen. Eine besondere Rolle kommt der Alltagsgeschichte und der Objektdarstellung zu, die daher im Zentrum der Präsentation stehen werden. Nach den jeweiligen Teilen ist eine Dialogphase mit allen Anwesenden vorgesehen, um gemeinsam die Relevanz auch für andere Formen der Geschichtswahrnehmung und -darstellung auszuloten.
Teil II, 7. Oktober 2021, 19 Uhr
Reichweiten des Mythos. Zum Germanenbild im Jugendbuch gestern und heute
Prof. Dr. Heike Sahm, Göttingen
Fast zeitgleich mit der Gründung des Kaiserreichs (1871) entsteht ein neuer Sammlungstypus von Texten, Jugendbücher mit ‚deutschen‘ oder ‚germanischen Heldensagen‘, die die überlieferte mittelalterliche Heldendichtung für ein zeitgenössisches Publikum aktualisieren und illustrieren. Ausdrücklich werden darin männliches Kriegertum und weibliche Leidensbereitschaft als vorbildlich und genuin ‚germanische‘ Eigenschaften beschworen. Der Vortrag zeichnet in seinem ersten Teil Entstehung, Programm und Verbreitung dieser Jugendbücher nach, im zweiten Teil sollen Beispiele einerseits für die ungebrochene Popularität dieser Sammlungen und andererseits für die Auseinandersetzung mit den Texten und ihrer Geschichte diskutiert werden.
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