Die Hauptverhandlung startet mit leichter, technisch bedingter Verzögerung. Der Vorsitzende Richter (VR) stellt die Anwesenheit fest, mit Ausnahme der Verteidiger Lober, Reulecke und Scholz sowie Staatsanwältin (GBA) Gößl sind alle anwesend, auch der Sachverständige Dr. Winckler.
Der VR gibt bekannt, dass alle Mitschnitte aus der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) auf geeignete Datenträger gespeichert würden und den Verteidiger*innen zur Verfügung gestellt werden könnten. [Diese hatten am vergangenen Prozesstag moniert, die Dateien nicht vorliegen zu haben.]
Der VR leitet nun zu den drei abgehörten Telefonaten, die beim letzten Prozesstag nicht mehr abgespielt wurden, weiter. Zuerst wird ein Gespräch vom 4. Oktober 2019 präsentiert [am 3. Oktober 2019 fand in Berlin eine extrem rechte Demonstration statt, an der mehrere der Angeklagten teilnahmen.]
„Was ist nur kaputt in diesen Köpfen?“
Audio-Aufnahme 9: Telefonat III vom 4. Oktober 2019: Gespräch Werner S. und Tony E.
- Werner S.: „Ja bitte?“
- - Tony E.: „Bon giorno Ragazzi. “
- - Werner S.: „Bon giorno.“
- - Tony E.: „Wie geht’s? Noch kaputt von gestern?“
- - Werner S.: Er sei noch „geschlaucht“ vom gestrigen Tag.
- - Tony E.: Er sei „ganz schön kaputt“, aber nicht nur wegen des 3. Oktobers, sondern auch, weil er seit drei Wochen in der Schweiz durcharbeite. „Und dann kommt natürlich noch hinzu dieses immer Rundumblick, Sicherung sozusagen.“
- - Werner S.: „Ja, natürlich. Das ist so, als wenn du im Einsatz bist.“ Er sei 1.500 Kilometer in 15,5 Stunden gefahren und müsse jetzt Telefonate führen und E-Mails beantworten.
- - Tony E.: Verweist auf „lustige Chatinhalte“ und lacht.
- - Werner S.: „Das mit [Sören] B. hat sich erledigt. Nachdem wir gesprochen haben, habe ich den Senfkopf sofort rausgeworfen. Ich bin auch aus dem Freikorps raus.“
- - Tony E.: „Sören [B.] kommt mir auch äußerst merkwürdig vor. Er hat versucht anzurufen. Ich hab gesagt, ich kann jetzt nicht. Kurz danach ist er dann auch rausgegangen.“
- - Werner S.: „Ach so, wenigstens das. Das ist aber auch für mich nicht relevant. Ich hatte einen guten Eindruck. Er [unklar wer gemeint ist] ist ja auch in Thüringen aufgeschlagen. Dietmar und Fred wollten kommen. Was mir Sorgen macht, das ist der Fred gestern. Was ist los mit diesen Spastikern? Was ist nur kaputt in diesen Köpfen?“
- - Tony E.: Vielleicht sei das dem Alter geschuldet.“ Fred tue es leid, der ärgere sich selbst. „Der bat heute auch, ob ich nicht Zeit hätte für ein kurzes Gespräch, er ärgert sich selber darüber.“ Fred habe gesagt, „Matze [Werner S.] ist bestimmt mega sauer auch mich.“
Werner S.: „Nonstop für diesen Saftladen verantwortlich“
- - Werner S.: „Ich fürchte fast, dass der Heiko das fehlinterpretiert hat. Aber jetzt ist er raus, auch aus dem anderen Chat. Aber es kostet mich so viel Mühe und Kraft. Dann hat mich der Thomas [N.] angerufen. Langsam wird mir das zu viel. Weil du nur diese administrativen Tätigkeiten machst mit Leuten, die alle dieses ambivalente Verhalten an den Tag legen. 24 Stunden minus die sieben, die du selbst schläfst, bist du ja nonstop für diesen Saftladen verantwortlich. […] Und ich frag mich, ob sich das lohnt für diese Truppe, die da zustande kommt. Ist es wirklich das, was wir alle wollen, so in dieser Form? Ich hab’s heute ganz gnadenlos dem Thomas [N.] aufs Brot geschmiert, dass das für mich uninteressant ist. Der wollte meine Einstellung zu dieser Plantage wissen. Es ist für mich in der Tat zu weit, zu blöd. Ich habe drei Mal nachgefragt, worum es bei der Plantage geht, da kam keine Antwort. Seit Thüringen gibt es immer nur hallo. Das ist ein viertel Jahr her, da haben wir uns getroffen in Thüringen. Da ist ein Riesenzinnober gewesen. Seither gar nichts mehr.“ Er habe Thomas N. gesagt, dass er die Plantage in Thüringen mit Bezug auf den Tag X für uninteressant halte. „Wir sind da ja alle zerrissen. Es sind ein paar gute im Norden, im Westen, selbst im Süden. Du rufst auf zu einer Demo, zu einem Treffen. Die Leute sagen dann, da geh ich nicht hin, es gibt genug Fotos von mir.“ Alternativ sollte man sich zumindest außerhalb auf einen Kaffee treffen. „Ich bin gespannt, wann das Gewicht hat, dass du gesagt hast, dass nach dem Dritten Köpfe rollen. [Nach der Demonstration am 3. Oktober sollten Mitglieder aus dem Chat entfernt werden.] Verdient haben es so viele. Was machen wir mit diesen Menschen da drin?“
- - Tony E.: „Just in diesem Moment würde ich jeden, von dem ich die letzten 4 Wochen nichts gehört habe, kicken, und das ist locker ein Drittel. Sören schreibt, bereitet euch vor […]. Dann kommt wochenlang nichts.“
„Es kommt sowieso nichts dabei rum“
- - Werner S.: „Was fängst du mit all diesen Typen an? Noch nie gehört, noch nie gelesen.“ Niemand nehme Stellung. Bei den Treffen seien immer nur dieselben Gesichter, der Rest sollte nicht in den Chats sein. „Wovor hat der denn Angst, der Sören [B., Anführer des „Freikorps“]? Den verstehe ich manchmal wirklich nicht. Dann lese ich in der Früh schon jede Menge Scheißdreck [in den Chats], und dann gehe ich abends mit vollem Kopf ins Bett.“ Marcel [vermutlich W.] gehe ihm „auf den Sack. Weil du gegangen bist, du hättest in Rätseln gesprochen.“ Marcel habe gesagt: „Wenn ich euch zu viel bin in der Gruppe, musst du mir das offen und ehrlich sagen.“
- - Tony E.: Er habe Marcel nichts von der anderen Chatgruppe gesagt. Dass er, E., gerade so viel arbeite, sei ein gutes Argument dafür, dass er sich aktuell ein „bisschen zurücknehme, ohne das genauer begründen zu müssen. Ich kämpfe nicht um Anerkennung oder Aufmerksamkeit.“
- Werner S.: „Was die Fäustlinge [evtl. Codewort für Waffen] angeht, habe ich erstmal nichts gemacht. […] Ich bin auch nicht so unbedingt jener, welcher dauerhaft einen Mann bespaßt, der mich einmal gesehen hat für zehn Minuten.“
- - Tony E.: „Ich kommuniziere auch nicht regelmäßig mit ihm [unklar wer gemeint ist], innerhalb von zwei, drei Tagen mal eine Sprachnachricht oder so.“
- - Werner S.: „Klar, tue ich auch mal gelegentlich. Weiß er von der Sache?“
- - Tony E.: „Nein nein nein.“
- - Werner S.: Bisher habe er nur schriftlichen Kontakt gehabt und gestern [auf der Berliner Demonstration] zehn Minuten mit ihm gesprochen. Ab jetzt wolle er wieder schriftlich kommunizieren. „Es ist die Frage, was es bringt. […] Wir haben ja nichts zu besprechen.“ Man werde sich nicht gegenseitig in die eigenen Angelegenheiten einweihen. „Ich habe ihn heute aus fünf Gruppen entfernen lassen, aus einer habe ich ihn selbst rausgeschossen.“ Er habe nur mit Anwärtern etwas zu tun gehabt, die man auch bis auf einen aus den Chats entfernt habe. „Es kommt sowieso nichts dabei rum.“ Seit Wochen liefen die Chats – und „der Einzige, der rumgekommen ist, ist der Paul [Paul-Ludwig U.], und der ist auch am Arsch der Welt.“
„Das sind keine Männer“
- - Werner S.: „Es ist mir zu anstrengend. Man ruft ein Treffen aus, 38 Leute kündigen sich an, und 18 oder 16 bleiben. Die haben es nicht begriffen. Die werden jeden Tag durch Lehrer, Verwandte und Freunde indoktriniert. […] Die, die so denken wie du und ich, nicht einmal die haben sich im Griff. Auf was soll das ganze Spiel hinaus? Das sind keine Männer!“ Werner S. lobt Thorsten [K.] und seinen Kameraden Rolf E. [unklar, wer gemeint ist] sowie Tony E. Alle anderen seien „eine Riesensatire. Das macht mir wirklich einen Kopf. Gestern war Feiertag. Da [zur Demonstration] haben die Leute einzurücken. […] Auch er, der ein Hausmann ist und Kinder hat mit 2 und 5 Jahren, der wird auch am Tag X nicht an deiner Seite stehen. […] Was wollen die mit so einem Menschen?“ S. kündigt an, er wolle sich [seine Aktivitäten] „wieder reduzieren“. Dann kommt er auf Marion G. zu sprechen. „Da reißt die in ihren Gruppen, Musketiere und so, 100 Mal mehr als das ganze Geschiss, das wir haben! Da machst du ein Treffen – und dann kommen 17 Leute. Und dann kommt ein geistiger Krüppel und ein 20-Jahre-Knastbruder [Paul-Ludwig U.], der uns in die Scheiße reitet, und einer bricht zusammen [vermutlich Marcel W., der nach einer körperlichen Auseinandersetzung bei einem Treffen „gewinselt“ haben soll]. Und die Bewährung [von U.] wird widerrufen, und dann muss er für zwei drei Jahre [zurück in Haft]. Was ist das für eine Gesellschaft?“
- - Tony E.: „Wenn die Situation nicht so ernst wäre, würde man vor Lachen nicht mehr aufstehen.“
- - Werner S.: „Ich mache mir wirklich einen Kopf.“ Die „ganzen Redereien“ seien „unglaublich zeitraubend“. Fred habe sich Nonsens erlaubt, den zu klären ihn einen halben Tag gekostet habe, und schwinge große Reden, obwohl er nicht auf der Demonstration in Berlin gewesen sei. Dann spricht S. über Opfer, die er selbst gebracht habe. „Ich hab ja den Hof nicht verpachtet, meine Felder und die Wohnung in Augsburg verkauft, weil ich so lustig bin. Sondern weil ich Ziele und Pläne habe und die seit Jahren durchstrukturiert verfolge. Dann kann ich mit solchen [wie Fred] nichts anfangen. Das ist mir zu blöd. Das kostet so unglaublich viel Zeit. Das ist so schade, dass ihr alle da oben [in Norddeutschland] seid. Die Leute, die immer dabei sind und parat stehen, ist immer der Norden. Im Süden ist das nicht so.“
- - Tony E. führt das auf die Mentalität zurück. Im Süden seien die Leute offener, „aber genauso schnell hast du den Dolch im Rücken“. Im Norden seien die Leute „sturer, aber geradeaus“.
Warum kaufte die Gruppe das Grundstück im Osten nicht?
- - Werner S.: „Ich lasse mir was einfallen. Ich werde wegen Unloyalität, Untreue und Hockenlassen nichts machen, das sich nicht lohnt. Ich sehe nicht besonders viel Sinn in dieser Angelegenheit.“ [Kommt auf die Plantage in Thüringen zu sprechen.] Er äußert den Verdacht, dass damit Geld verdient werden soll, um ein mehrmals im Jahr auf dem Gelände stattfindendes Paintball-Training einer anderen Gruppe zu finanzieren.
- - Tony E. äußert, dass eigentlich die Paintball-Gruppe die Plantage habe mieten wollen, damit seien aber die Eigentümer nicht einverstanden gewesen. Die Gruppe treffe sich dort mehrmals im Jahr. Die Idee sei, dass die Gruppe um Werner S. das Grundstück kaufen und dann über Einnahmen durch die Paintball-Trainings „das Ganze ein stückweit finanzieren“ könnte.
- - Werner S.: „Ich habe damals eine Subvention angeboten, weil die Gemeinschaft es so beschlossen hatte. Der Marcello [unklar wer gemeint ist] ist als Erster raus. Man sieht und hört da gar nichts. Ich werde einen Teufel tun und etwas investieren, wenn dabei nichts rumkommt. Das müsste eigentlich der Osten für sich organisieren.“
- - Tony E.: Mit 20 Leuten, die monatlich 20 bis 30 Euro in eine Kasse zahlten, müsste das Geld doch zusammenkommen.
- - Werner S.: „Der Thomas [N.] ist unschlüssig. Er hätte das gemacht, wenn eine gewisse Gemeinschaft da wäre, aber die gibt es nicht. Wenn ich vorhabe, Kasse zu machen, er würde mir vertrauen, hat er gesagt, er würde 4.000 Euro einzahlen und dann jeden Monat.“ Thomas habe sich aber dagegen entschieden, weil es keine Gemeinschaft gebe. Die Leute müssten zu weit fahren [zur Plantage]. […] „Wie fließt das Geld? Das kann man nicht über Überweisung machen. Von 35 Leuten machen wieder nur fünf oder sechs mit. Wie kommen wir dazu, für die anderen zu zahlen?“ S. beklagt sich über ein Treffen, für das man Lebensmittel und Fahrtkosten bezahlen müsse und dass aus der Chatgruppe „Heimat“ kaum jemand in eine Kasse zahlen würde, wenn er darum bitten würde.
- - Tony E.: moniert, dass die Leute stattdessen Geld für Tattoos, Zigaretten und Alkohol hätten, aber nicht für 10 bis 20 Euro Gruppenbeitrag im Monat.
- - Werner S.: Er sehe nicht ein, dass nur er, Tony E., Thomas N. und vielleicht zwei weitere aus der Gruppe monatlich Beiträge zahlen, zusätzlich zu 500 Euro Ersteinzahlung. Das Geld müsse man sich ja mit Arbeit verdienen. Lieber wäre ihm eine Kasse nur unter diesen fünf Personen. Das Geld wäre dann nur für die, die auch einzahlten, beispielsweise für einen Wasserfilter für ein Treffen. „Ich bin eine kleine Ego-Sau. An Menschen spende ich ungern. Jeder ist für sein Scheißleben selbst verantwortlich. Und jeder hat die Macht und die Kraft, irgendetwas zu tun.“ [Er kommt zurück zum Thema Unzuverlässigkeit in der Gruppe.] Ich habe nachgedacht: Dieser ganze Zinnober, was man da macht: Für was? Dass man am Ende des Tages mehr Probleme am Arsch hat, als wie man aufgewacht ist? Und weil sich Leute wie […], die haben ja nichts im Kopf. Der hat mir heute eine WhatsApp geschickt. ‚Es tut mir wahnsinnig leid, Matze, ich bin mit der Marion [G.] seit dem ersten Treffen zusammen, ich liebe sie.‘ Und mit sowas soll ich in den Graben hüpfen?“
- - Tony E.: „Da bin ich konsterniert.“
„Ihr seid alle Schwätzer, nichts anderes“
- - Werner S.: Seit Wochen sei klar gewesen, dass die Demonstration in Berlin anstand, und Leute seien trotz Abmachung nicht gekommen. Ulf [vermutlich Ulf R.] habe sich nicht mehr gerührt, jetzt müsse er, Werner S., ihn anrufen.
- - Tony E.: Es wäre ok gewesen, „wenn gesagt worden wäre: ‚Hier in Berlin ist mein Revier, ich muss davon ausgehen, einer Antifa-Hackfresse über den Weg zu laufen. Darum komme ich lieber nicht.‘“ Er hätte auch lieber etwas Freizeit mit seiner Familie verbracht.
- - Werner S.: „Es wird Zeit, dass du dich mal wirklich um deine Familie kümmerst, das sage ich dir jetzt mal kameradschaftlich, freundschaftlich. Die haben das verdient.“ [Wechselt das Thema zu seiner Gewahrsamnahme am 3. Oktober in Berlin.] Er habe eine Anzeige bekommen. „Ich fühle eine Leere“ [angesichts des enttäuschenden Engagements der anderen]. „Die Pisser, die nicht mal einen Schwanz in der Hose haben, lügen einen an, dass sie zurückrufen und ich weiß nicht was. In der [Chatgruppe] ‚Heimat‘ schreibt einer, ‚das [Treffen] war mir eine Ehre‘. Er schaut aus wie der letzte Hartz-IV-Empfänger und will mir erzählen, er hat eine Ehre für unsere Leute? Was soll ich da reinschreiben? ‚Ihr seid alle Schwanzlutscher, ihr reißt gar nichts auf, ihr seid alle Schwätzer, nichts anderes‘?“
- - Tony E.: „Genau.“
- - Werner S.: Rolf sei „nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte“, er habe nichts geschafft. „Auch die Bruderschaft, das sind alles Asoziale. Alle [halten sich für] super geile Typen, aber mehr als 70 Prozent haben den Knast schon mindestens zwei bis fünf Jahre im Leben gesehen.“
- - Tony E.: „Da [auf der Demonstration] sind gestern 200 Jahre Knast rumgelaufen.“
- - Werner S.: „Das sind alles verkappte Existenzen.“ Ein „echtes Freikorps“ müsse eigentlich wissen, wie es voranzuschreiten habe. „Die wollen sich in Vaters Schoß reinsetzen und an Neuigkeiten kommen oder das Gefühl haben, ich gehöre dazu und habe auch Kameraden. Ich bin mein Leben lang ohne ausgekommen, ich bin so stabil und gefestigt, dass ich auf die alle scheißen kann.“
- - Tony E.: „Du wirst immer Leute haben, die teilen deine Einstellung, aber die haben dieses Geltungsbedürfnis.“
Chatgruppe „Heimat“ war „kein ganz so schlimmer Saftladen“ wie die anderen
- - Werner S.: Die Leute müssten sich selbst verändern, das gehe nicht von außen. „Ich war hart an der Grenze [zu sagen], ich schließe alle Gruppen, in denen ich bin.“ Eine der Gruppen sei kein ganz so schlimmer Saftladen wie die anderen, aber bisher hätten sie alle nicht viel gebracht. Er überlege weiter, wie er sich verhalte. Ansonsten sei man „leider Gottes so enorm versprengt“. Hätte man 35 Mann in einer Stadt oder zumindest in einem Landkreis, „dann kannst du damit arbeiten.“ Bei den Italienern sehe das anders aus, da lebten die Leute aus einer Gruppe in einer Stadt. In Mailand gebe es einen festen Stamm von 50 Mann. Dort kämen bei einem Treffen 78 von 80 Leute aus einer Stadt. Die Entfernungen zwischen seinen Leuten in Deutschland sei so „nicht haltbar“.
- - Tony E.: „Was kann man tun, damit das bei uns auch der Fall ist? Wir sind ja so indoktriniert – und mit der Daumenschraube der letzten 50 Jahre.“
- - Werner S.: Das Treffen in Baden-Württemberg sei ursprünglich als Versuch gedacht gewesen, Bayern und Baden-Württemberg zusammenzubringen, „weil es in Bayern nicht läuft“. Wer dort aktiv sei, sei in der NPD, dem „Dritten Weg“ oder ähnlichen Gruppen organisiert, „und der Rest sind alles Knastis“. Von 13 Württembergern seien zu wenige [zum Treffen] gekommen. „Dann lädst du irgendwelche Leute ein, die du noch nie im Leben gesehen hast, sondern nur geschrieben hast, das war für mich ein Grauen. Hoffentlich kommt nicht diese Marion [G].“ Die sei zwar „eine nette Frau mit der richtigen Gesinnung und macht und tut“, aber sie komme teilweise betrunken und in unmöglichen Klamotten. „Dann hat sie den Olli K., diesen Langhaarigen, mitgebracht. Der dritte Satz [war]: ‚Ich beziehe Hartz IV.‘ Wir brauchen keine reichen Leute, aber diese Leute bringen ja Probleme mit, anstatt dass sie welche lösen. Das ist das, was mich stresst.“ Er wolle jemanden, der „weiß, was es heißt, für sein Geld arbeiten zu gehen“, und niemanden, der sich von Hartz IV Springerstiefel kaufe und sich als Sozialhilfeempfänger vorstelle.
Paul-Ludwig U.: „hochaggressiv, aber hohl“
- - Tony E.: „Ich war ganz angetan vom Paul [Paul-Ludwig U.].“
- - Werner S: „Der ist doch hochaggressiv, aber hohl, der Mann. Hockt 25 Jahre drin [in Haft], hat dieses COPD und raucht aus der Toilettenpapierrolle in vollen Zügen sein Kraut weg, da kann man doch nicht von Intelligenz sprechen. Der hockt im Zug und nimmt eine Schusswaffe mit. [Bei U. wurde bei einer Kontrolle am 2.10.2019 eine Schusswaffe gefunden.]“ [Spricht über einen Anderen.] Der ist ein alter Mann, der kann nicht mehr weglaufen. Vorbereitung [auf den Kampf] findet bei dem nicht mehr statt, das ist ein alter Schlägertyp, der ganze Körper volltätowiert mit Totenköpfen.“ Und dann sei da noch Markus O., der ein Problem mit der Frau habe. „Was ist das für eine Truppe? Marcello kriegt einen Nervenzusammenbruch und fängt zu heulen an. Der Einzige, der nie Zicken macht, ist der Micha [vermutlich Michael B.] und der Thomas N., der Mann ist ja ständig irgendwo dabei, der Mann ist wirklich loyal.“
- - Tony E.: „Deswegen ist der auch von mir.“
- - Werner S.: „Der Neue, den kann ich noch nicht einschätzen.“
- - Tony E.: „Markus [K.] ist ganz gerade. Der war früher ganz extrem involviert [in der rechten Szene], über den zerreißen sich die Linken immer noch den Mund. Der ist damals wegen T. [offenbar ein weiterer „Kamerad“] und Marcello aus der [Chat-]Gruppe gegangen wegen so braunem Gequatsche.“ Nach Marcellos Abgang aus dem Chat sei der Streit dort erst so richtig losgegangen, weil der Chat „zu soft“, oder sie alle „zu reich“ seien oder unter Beobachtung stünden. „Ich bin mir sicher, dass ich nicht unter Beobachtung stehe. Nicht, dass ich wüsste.“ Markus habe ihm, Werner S., gestern gesagt, es habe ihm gefallen.
- - Tony E.: Er habe bislang auch gedacht, er werde nicht beobachtet, aber sei heute eines Besseren belehrt worden.
„Klar bin ich politisch rechts“
- - Werner S.: Er tue nichts anderes in seiner Vorbereitung als ein Landwirt, der sich auf ein Unwetter vorbereite. „Ich kann mich auf Katastrophen vorbereiten und kaufe mir einen Wasserfilter. Was ist es denn, das wir so großartig tun, dass man uns unter Beobachtung setzen sollte? Da kommt kein Heil. Klar bin ich politisch rechts, aber wer ist das nicht von den Leuten? Die Politik aufoktroyiert uns das System ja. Dazu stehe ich. Ich bin ja auch anders erzogen worden, ich bin nicht links oder liberal. Ich hatte auch einen Negerfreund, einen Türsteher in München, und der war nett, der hatte nichts mit dem Massenflucht-Blödsinn zu tun. Das hat ja nichts mit dem politischen System zu tun, wie es heute ist, mit dieser ganzen Massenflucht, Messerstechern, Mord, Vergewaltigungen. Für mich hätte das Leben auch so weitergehen können, wie es war. Die werden von mir nie etwas anderes hören als das, wie ich denke. Dieses ganze Rechts-Gelaber, damit kann ich nichts anfangen. Klar bist du rechts, aber rechts ist ja nicht gleich rechts. […] Dann sollen sie [die Behörden] halt beobachten, da ist nichts. Ich überlege weiter, ob es überhaupt noch irgendeinen Sinn macht, dass man sich jeden Tag diese geistigen Ergüsse über die Probleme von diesen Leuten reinzieht.“
- - Tony E.: „Ich bin absolut bei dir, das kotzt mich auch an. Aber man sollte das Positive daraus ziehen. Ohne würden wir uns nicht kennen. Wir sollten da nicht ganz die Flinte ins Korn werfen.“ […] Er schlägt vor, sich am Sonntag zu treffen. „Ich arbeite da den ganzen Tag, begleite eine Patientin auf einen Kongress. […] Aber ich kann mich da ein paar Stunden rausziehen, dann können wir irgendwann zwischen 9 und 11 Uhr telefonieren.“
- - Werner S.: Stimmt zu und erzählt, dass er seine Wohnung nach einem Notartermin am Freitag binnen zehn Tagen räumen muss. „Einen lieben Gruß deiner Frau, deine Buben sind ja bestimmt im Bett.“
„Nicht das Personal, um die Bundesrepublik in ihren Grundfesten zu erschüttern“?
Der VR gibt die Gelegenheit zu Erklärungen. RA Herzogenrath-Amelung, Verteidigung von Frank H., beginnt: Das Telefonat sei am 4. Oktober geführt worden, also einen Tag nach dem Treffen in Berlin. Laut der Akte habe es da ein weiteres Treffen der Gruppe gegeben. Die „Gruppe“ sei ein „Konstrukt der Ermittlungen“. Zum Inhalt des Telefonats sagt der RA, es bestehe „zu 70 bis 80 Prozent aus S. Auslassungen über die Leute, mit denen er zu tun hat.“ Außerdem erhärte sich die Ansicht, dass das Thüringer Gelände nicht zur Vorbereitung auf den Tag X, sondern als Einnahmequelle mittels Paintball-Spielen dienen sollte.
Der RA verweist darauf, dass laut Werner S. 38 Personen zugesagt hätten, nach Berlin zu kommen, aber nur 17 bis 18 tatsächlich kamen, und dass S. gesagt habe, er habe „die Fresse voll“. „Insgesamt kann man sagen, dass das nicht das Personal ist, um die Bundesrepublik in ihren Grundfesten zu erschüttern“, so Herzogenrath-Amelung.
RA Mandic, Verteidigung von Michael B., schließt sich dem an und fügt hinzu, dass zumindest sein Mandant Michael B. nie genannt worden sei, es sei immer nur um ein paar wenige Personen gegangen, die die ganze Arbeit allein machen sollten. Auch RA Grassl, Verteidigung von Wolfgang W., verweist darauf, dass Werner S. im Telefonat unzufrieden mit denen sei, über die er spricht. „Mit einem Großteil der Leute kann man seine Ziele nicht erreichen, was auch immer seine Ziele gewesen sein mögen.“ Daher gehe der RA davon aus, „dass zum Zeitpunkt des Telefonats keine Vereinigung bestand“.
RA Miksch, Verteidigung von Marcel W., teilt die Ansicht, dass das Telefonat gegen die These der Anklage spreche, es gehe „um eine Kämpferelite“. Werner S. stelle die Angeklagten eher als „Asoziale, Hartzer, Lebensversager“ hin, „die den starken Mann spielen“, aber keine Gewalttaten begehen würden. Es habe keine durchstrukturierten Ziele oder Pläne gegeben.
RAin Schwaben, Verteidigung von Markus K., schließt sich RA Grassl an. Auch die stark wechselnde Besetzung von Chatgruppen zeige, dass es zumindest aus der Sicht von Werner S. keine Gruppierung gab, mit der er etwas anfangen habe können.
Von „Fahrrädern“ und „Tretrollern“
Audio-Aufnahme 10: Telefonat I vom 05.10.2019, 11.38 Uhr. Gespräch zwischen Werner S. und Michael B. über Slamguns, die hier mit Codewörtern umschrieben werden.
- - Werner S.: „Ich habe eine Mail geschickt. […] Die funktionieren hervorragend. Ein 35- bis 36-Zentimeter-Baum ist mit zweimal erledigt.“
- - Michael B.: „Oh, krass.“
- - Werner S.: „Ist aber ohne Zielen, Zielen ist nicht möglich.“
- - Michael B.: „Schon klar, auf kurze Distanz.“
- - Werner S.: „20 bis 25 Meter. Ist in Serie gegangen, das war der Prototyp. Das ist verbessert worden. Das geht mit zweimal IT raus, also heftigst. Das ist mal eine Alternative. Das Gerät kostet 35 Euro. Ich habe zehn für unsere Leute bestellt.“
- - Michael B.: „So ein Anbauteil ist ja super für ein Fahrrad.“
- - Werner S.: „Zuzüglich pro Teil 1 könnten 100 Batterien gehen. Das macht Spaß.“
- - Michael B.: „Wenn einer im Weg ist, fährst du ihn um.“
- - Werner S.: „Ja. Ich gehe davon aus, dass du auch sowas haben möchtest?“
- - Michael B.: „Ja auf jeden Fall, für das Geld.“
- - Werner S.: „Du kannst es ja nochmal modifizieren.“
- - Michael B.: „Ich kann ja selber was schweißen. Wie ist da der Antrieb, mit Kette?“
- - Werner S.: „Nee, gar keiner. Du trittst selbst, wie eine Rücktrittbremse beim Fahrrad. Du füllst das […], das siehst du ja auf dem kleinen Röhrchen, nein, der Buchse. Das steckst du rein, klappst es zusammen, und dann ziehst du es zurück.
„Und dann gibt es da einen Schlag“
- - Michael B.: „Ah, und dann gibt es da einen Schlag.“
- - Werner S.: „Aber was für einen! Mein lieber Herr Gesangsverein.“
- - Michael B.: „Gibt es da eine Bremse, eine Feder?“
- - Werner S.: „Nein. […] Für das, was es kostet, ist es gut.“
- - Michael B.: „Wie tut man den Akku laden?“
- - Werner S.: „Aufklappen, einstecken, schließen, fertig.“
- - Michael B.: „Keine speziellen Akkus? Woher bekommt man die Batterien dafür?“
- - Werner S.: „Nein. Das sind schwächere Batterien, davon sollte man schon 100 Stück [vermutlich Munition] nehmen. Das kostet extra. 50 [Euro] oder sowas. Das ist ein Prototyp, das ist noch nicht auf dem Markt. Darum ist das auch so günstig. Ich glaube, das ist Chinaware.“
- - Michael B.: „Hatte gedacht, du hast das gebastelt.“
- - Werner S.: „Das ist kein Fahrrad, sondern eher ein Tretroller [lacht]. Das Modell wurde verfeinert.“
- - Michael B.: „Ich dachte, entweder sehen wir uns, oder wir reden über diesen Tretroller-Prototyp mal so. Ich mache mir auch Gedanken wegen diesem ganzen Chat-Zeug und wie wir da kommunizieren.“ Er schlägt eine Ebay-Kleinanzeigen-Kommunikation vor, „dann kannst du mich anschreiben und fragen, was das Fahrrad kostet und ob ich noch im Preis runtergehen kann.“
„Wir haben uns nichts vorzuwerfen“
- - Werner S.: „Das ist eine der Varianten. Ich bin ja vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. […] Das interessiert mich einen Dreck. Ich habe halt ein italienisches Kennzeichen. Das ist für die interessant. Tony hatte allerdings Besuch [vermutlich eine Gefährder-Ansprache]. Das ist sehr gut verlaufen, ein vernünftiges, langes Gespräch. Das ist der Grund, warum ich jetzt aus jeglichen Gruppen rausgegangen bin, die ich nicht selbst aufgebaut hab. Ich bin nur noch in zwei. Wenn die mögen, dann können die mich überwachen, wir haben uns nichts vorzuwerfen außer Treue und Loyalität und Verbundenheit deinem Land gegenüber. Die wollen ein Exempel statuieren. Die ziehen sich [mit Tony E.] einen der Köpfe heraus und dann sagen die: ‚Du du du, das war aber nicht gut.‘ Er ist ja schlagfertig und hat entsprechend Antworten gegeben. Ist schon sehr überzogen. […] Wir sind so kleine Fischchen, das ist für die so uninteressant, was wir zu bieten haben, uninteressanter geht’s gar nicht. Also ich mach mir da überhaupt keinen Kopf. Die Problematik ist, dass die [anderen aus der Gruppe] einfach zu weit weg sind. Dann ist die Kommunikation [vermutlich bezüglich Waffen] themenbedingt ein wenig kompliziert. Beim Treffen war mir egal, ob die von Norden oder Osten einrücken, weil die mir am entsprechenden Tag [X] eh nichts nützen. Ich habe auch das Grundstück im Osten nicht gekauft. Am 3. [Oktober] waren interessante Leute da. Ich habe das abgelehnt und begründet, dass das für uns hier unten in Bayern und Baden-Württemberg komplett nutzlos ist. Da liegt meine Konzentration, im Grenzland. Die Anzahl habe ich schon durchgegeben, wenn das da ist, gebe ich dir Bescheid. Niemand ist involviert, aus dem Württemberger Land nur du bisher. Du willst einen Roller? Für den Preis mache ich mir nicht in die Hose, ich habe jetzt mal zehn Roller bestellt und Akkus dazu. Wer zugreifen will, kann. Ich warte ungefähr einen Monat, anderthalb, bis das neue Modell da ist, dann fahre ich und hole es.“
Michael B. wollte offenbar auf eine bessere Waffe warten
- - Michael B.: „Da ich schon eine Weile in der Mountainbike- und Rollerszene unterwegs bin, warte ich auf das neue Modell.“
- - Werner S.: Schlägt vor, die Ware auf dem Hof auszutesten.
- - Michael B.: „Vielleicht kann man tatsächlich, wenn man es mal unter den Füßen hat, […] noch was verbessern.“
- - Werner S.: „Es wurde knapp zwei Jahre daran getüftelt, bis das Ding rausgekommen ist. Wenn es lässig ist, kann man ja in Serie gehen.“
- - Michael B.: „Es hat zwei Rahmenrohre, da musst du für jede Fahrt einen neuen Akku einlegen.“
- - Werner S.: Das Material sieht nicht gut aus, aber das kann sich jeder selber nochmal anmalen. Die Qualität ist die beste, die es auf dem Markt gibt. Die Rohrsysteme und auch das Pedal, die sind feinste Qualität.“
- - Michael B.: „Wenn es etwas gibt in die Richtung [Metallbearbeitung], ist das kein Problem, dann bring deinen Roller vorbei, dann mach ich dir einen anderen Sattel oder Lenkkopf dran. Optimieren ist immer gut. Den Tretroller, den du beim Treffen dabei hattest, das hast du im Hinterkopf?“
- - Werner S.: „Ja, kommt. Die Dinger kosten aber ein bisschen mehr. Nur als Ersatzreserve gedacht. Ich hätte dich nicht angerufen, wenn es nicht ein Top-Teil wäre in der Funktion. Soll ich für Jürgen, Max und Basti auch was mitnehmen?
- - Michael B.: „Ja, ich würde es vorschlagen. Die sind zu sperrig zum Versenden, dann treffen wir uns halt auf ein Bierle oder so“, irgendwo auf halber Strecke. Er fragt, ob Jürgen involviert sei.
- - Werner S.: „Aus dem Württemberger Land nur du und ich. Der war ein netter Kerl, aber halt unzuverlässig.“ Wer die Roller und Akkus wolle, können sie haben, wer das neue Modell wolle, müsse noch warten.
- - Michael B.: „Ich hab schon ein altes Bike und warte auf ein neues. Da kann man was verbessern. […] Braucht man für jede Fahrt einen neuen Akku?“
- - Werner S.: „In drei Sekunden ist der neue Akku ausgetauscht. […] Ich ruf dich nochmal an. Den B. [keiner der Angeklagten] hab ich rausgeworfen.“
- - Michael B.: „In der Gruppe sind 34, 35 Leute drin. Bin kaum aktiv. Keinen Bock jeden Tag auf Scheiß dies und Scheiß das und Heil Wotan. Das langweilt mich.“
Thomas N.: Ein ausgebildetes „Kampfschwein“
- - Werner S.: Gibt ihm Recht. „Ich habe das gestern Nacht auch nochmal mit dem Thomas [N.] besprochen, das ist ein hochanständiger, knallharter Typ. Das ist der, der den Marcel [W.] angegangen ist, das hat der in zwei Sekunden erledigt gehabt.“ [W. griff N. bei einem Treffen betrunken an.]
- - Michael B.: Er habe damals gedacht, er müsse einschreiten, aber N. habe das locker allein geschafft.
- - Werner S.: „Der ist ausgebildet, das ist ein Kampfschwein.“ Thomas sei immer da, „der ist selbstständig und steht mit beiden Beinen im Leben.“ […] Er, S., habe sich aus dem Projekt Plantage im Osten zurückgezogen. Das sei ein Hektar Grund gewesen, das Jacky und Peter gelegentlich für Paintball-Spiele angemietet hätten. Nun habe man sich das Geld gespart für etwas in Süddeutschland mit einer Freizeithütte. „Wenn du was weißt, sag mir Bescheid. […] Die Gelder wären jetzt frei, vorfinanziert durch Thomas und mich.“ [Sie beratschlagen, ob man eine Berechtigung braucht, um einen Schäferkarren oder einen Holzverschlag irgendwo aufzustellen.] Er suche etwas im Raum Stuttgart bis Augsburg; die zwei Stunden Anfahrt zu Markus O. seien ihm schon zu weit gewesen. Er hätte gerne etwas mit einem kleinen See zum Angeln. „Wer mitmachen will, zahlt monatlich 20 Mark“, wer nicht zahle, könne das Grundstück nicht nutzen. „Dieser Hektar im Osten hätte 6.000 Euro gekostet“, in Baden-Württemberg seien Grundstücke teurer. „In Baden-Württemberg sind wir 13, 14 Leute. Kannst ja mal mit deinen Jungs da unten reden. Du bist unser Mann, was den Raum Stuttgart angeht. Das ist nicht der [Markus] O. wegen dieser madigen Geschichte. Der HT [unklar, wer gemeint ist] hat zwar einen reichen Erfahrungsschatz, aber der ist nicht so agil wie du.“
- - Michael B.: „Jürgen, Basti und HT waren auch schon unten.“ Er plädiert für monatliche Treffen, um in Kontakt zu bleiben, das sei wichtig.
- - Werner S: Pflichtet ihm bei und sagt, wenn es passe, komme er vielleicht auch mal zu den Treffen von Michael B.
- - Michael B.: „Wenn wir was machen, schreiben wir es in die Gruppe“, dann könnten auch Personen mit weiterer Anreise dazukommen.
- - Werner S.: „Dass du in der [Chatgruppe] ‚Heimat‘ nicht so aktiv sein möchtest, das verstehe ich voll und ganz. Manchmal ist mir das auch zuwider.“
- - Michael B.: „Ich lese da mit, aber ich muss nicht jeden Tag ‚scheiß Kanaken‘ kommunizieren, oder ‚Heil Wodan, auf die alten Götter‘, das brauche ich nicht.“
- - Werner S.: „Ich auch nicht.“ Der Thomas sei ein sehr gerade und eigentlich zurückhaltend, nur deswegen mache er noch mit. „Dieses tägliche ‚Guten Morgen‘, ‚Guten Abend‘, das werde ich mir in Zukunft sparen.“
- - Michael B.: „Jeder kennt die Einstellung vom anderen, […] ich halte mich da gerne im Hintergrund. Ich brauch das nicht gebetsmühlenartig zu hören. Danke für den Anruf und dass du an mich gedacht hast.“
„Die normalsten Dinge wie Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit“
RA Herzogenrath-Amelung argumentiert, das Telefonat sei zwar bezüglich des Waffenrechts interessant: Werner S. habe zehn Slamguns bestellt und wollte ein Exemplar Michael B. zukommen lassen. Interessant für diesen Prozess sei aber insbesondere die Frage, ob die Gruppe eine terroristische Vereinigung gewesen sei. Die Slamguns seien nicht ausgeliefert worden, zumindest habe Werner S. sie bei dem Treffen in Minden nicht verkauft. Das Grundstück im Osten habe Werner S. nicht mehr vorfinanzieren wollen. Er betont auch, dass Michael B. nicht „Scheiß Kanaken“ lesen wollte, das passe nicht zum Bild, das die Anklage von der Gruppe zeichnen würde.
RA Berthold, Verteidigung von Michael B., schließt sich dem an. Es sei um einen Tretroller gegangen, also nicht um ein Fahrrad. Also sei zweifelhaft, ob die Ware etwas taugte. Letztendlich habe B. das angebotene Gerät abgelehnt und wollte auf das neue Modell warten, das aber nie ausgeliefert worden sei. Dass ein Umsturz geplant wurde, sei nicht zu hören gewesen. Das Grundstück im süddeutschen Raum sei zum Angeln und Paintball schießen, aber auch für die Gruppenzusammengehörigkeit gedacht gewesen. Insgesamt habe man ein Gespräch gehört, das in jedem Verein so hätte laufen können. Michael B. werde im Gespräch als der „Mann für den Stuttgarter Raum“ bezeichnet, aber wofür? Es könne ja auch um Wanderungen gehen.
RA Mandic schließt sich ebenfalls an und ergänzt, dass S. und B. kein schlechtes Gewissen bei dem gehabt hätten, was sie beredeten. S. betonte, man habe sich nichts vorzuwerfen. Strafrechtlich bewege sich das Gehörte im Bereich Waffenrecht. RA Mandic verweist außerdem auf B.s „Ablehnung von Hate Speech“, die er nicht aus Sorge vor strafrechtlichen Problemen, sondern aus persönlicher Ablehnung äußere. Das passe auch zur Vita, er habe keine Berührungspunkte zu rechten Gruppierungen oder Kameradschaften. „Er ist der, der noch am ehesten zum Mainstream gehört.“ B. zeichneten „die normalsten Dinge wie Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit“ aus, was schon viel sei im Vergleich zu dem, wie Werner S. über andere Mitglieder spreche, und Werner S. dazu gebracht habe, auf B. als seinen Mann zu bauen. Diese Eigenschaften seien aber überall auf dem Arbeitsmarkt und in der Freizeit gefragt und hätten nichts mit der Anklage zu tun.
RAin Schwaben ergänzt, ihr falle besonders auf, dass Werner S. zwar viel rede, aber für den Prozess sei wichtig, ob auch ernsthaft etwas geplant worden sei.
Sören B. hatte offenbar Kontakte zu Rockern
Audio-Aufnahme 11: Telefonat I vom 06.10.2019, ab 12.49 Uhr. Gespräch Werner S. und Thomas N.
- - Werner S.: „Servus.“
- - Thomas N.: „Grüß dich.“ Er sei ausgetreten, weil er die Interessen der Gruppe nicht vertreten könne, das sehe er wie S.
- - Werner S.: Er habe das noch nicht gelesen, da er noch die Wohnung ausräumen müsse. Er habe eine Nachricht in die Gruppe geschrieben, die auch deutlich aggressiver hätte ausfallen können.
- - Thomas N.: „Ich schließ mich mit dem Steffen [vermutlich B.] zusammen im privaten Chat, die sind interessanter, die machen wenigstens was.“
- - Werner S.: „Das ist eine andere Organisation. Unter Umständen kannst du damit bisschen mehr anfangen.“ Dort sei auch Sören B. dabei, der „sehr stark mit MC unterwegs“ sei und alles da habe, „was das Männerherz begehrt, vom kleinen Groben bis zur Markita Kappsäge“. [Vermutlich sind Waffen gemeint.] [Lacht]
- - Thomas N.: „Immer die Gleichen fahren zu den Treffen, und keiner macht was. […] Die sollen weiterspielen, viel Glück.“
- - Werner S.: „Wir sind da ja einer Meinung.“ […] Steffen [vermutlich B.] sei „ein sehr guter Kontakt. Da formiert sich was, und da geht auch richtig was.“
- - Thomas N.: Dort gebe es eine interessante Gruppe, der er beitreten könne. „Wir müssen doch was bewegen, wir können doch nicht nur rumsitzen und Däumchen drehen.“ Das „Freikorps“ habe er noch nicht verlassen. Sie müssten eine Stellungnahme zu Sören abgeben.
- - Werner S.: Tony [vermutlich E.] habe gesagt, das sollte man am 3. [vermutlich Oktober] abarbeiten, dann könne man den Chat ausmisten.
- - Thomas N.: „Du bist ein guter Freund und Kamerad, du hast die gleichen Interessen. Da weiß ich, woran ich bin.“
„Besser eine kleine gute als eine große Scheißgruppe.“
- - Werner S.: „Genau, so geht es mir auch. Das ganze Spiel da drin hat wenig Sinn. […] Ich kenne dich ja schon fünf Jahre oder so.“ Die „Vikings“ seien besucht worden [vermutlich von der Polizei], deren „Obermacher“ F. sei „ziemlich machtgierig“ und schließe sich nicht mit anderen Gruppen zusammen.
- - Thomas N.: Die drei, die da waren [aus Sachsen-Anhalt], fand ich sympathisch.
- - Werner S. stimmt ihm zu. Peer sei ein „ganz lieber Kerl“, Stefan [vermutlich K.] habe Flausen im Kopf, Steffen [vermutlich B.] sei gut. Werner St. und [Sören] B. seien auch gut. Es würde sich um einen „festen Stamm von sieben, acht, neun“ Leuten handeln, „die seit fünf Jahren in fester Kameradschaft“ vereint seien.
- - Thomas N.: „Besser eine kleine gute als eine große Scheißgruppe.“
- - Werner S.: Er warte bezüglich des „Korps“ ab, ob noch jemand etwas schreibe; Tony habe schon etwas dazu gesagt. Sollte nichts mehr kommen, werde er „Konsequenzen ziehen“. Es seien 30 Leute im Chat, „und von denen machen sechs den Mund auf“. Würden nicht Mitglieder entfernt, fühle er sich da nicht mehr wohl. Michael D. habe heute ein Foto vom gestrigen Tag auf der „Wiesn“ im Chat verschickt. Werner S. ärgert sich, dass er nicht Bescheid gesagt und nach einem Kennenlerntreffen gefragt habe. „Und sowas soll Bundesführer sein von Niedersachsen oder Schleswig-Holstein oder was auch immer?“ Nächsten Monat würde sicher wieder niemand zum Treffen kommen. „Das ist charakterlich so schwach. Das ganze ‚Korps‘ weist derart viele Defizite auf.“ Er sei nur wegen Thomas N., Tony und Br. dabei, der „loyal und eine treue Seele“ und bei jedem Treffen anwesend sei. Er, S., sehe nicht ein, warum er mit jemandem Mitleid empfinden solle, der 2016 eine Gruppierung gegründet und nie etwas bewirkt habe, sondern sich jetzt zurückziehe. „Das ist ein Witz, das ist keine Struktur. Und wir jammern, warum wir nicht weiterkommen. Das sind lauter leere Flaschen, das ist doch kein Zusammenhalt. Da lobe ich mir Baden-Württemberg.“
- - Thomas N.: Er werde ihn privat ansprechen. „Wenn nichts geschieht, gehe ich auch raus.“
Werner S. wollte mehr Qualität als Quantität bei den Chatmitgliedern
- - Werner S.: „Das ist Zeitvergeudung. Du hockst in Gruppen, in denen nichts geht, und in denen du die Leute nicht mal kennst. Dann wundert man sich plötzlich, dass man Besuch [vermutlich von der Polizei] bekommt. Da wird auf Quantität gesetzt und nicht auf Qualität. Das muss sich ändern, sonst bin ich auch raus.“ Die drei aus dem Osten seien gekommen, Tony und Thomas N., sonst niemand.
- - Werner S.: Er kenne Steffen jetzt besser, das habe sich gelohnt.
- - Thomas N.: Stefan und Steffen kenne er schon länger über die „Soldiers of Odin“. Peer und Ralf N. habe er jetzt besser kennengelernt. „Aber es wäre doch ein Armutszeugnis, wenn zu einem Treffen der N. mit zwei Reisebussen käme und wir mit acht Mann.“ Er wisse, dass Tony sich aktuell zurückhalten müsse.
- - Werner S.: „Er wollte mit mir nochmal privat darüber sprechen.“ Das sei schwierig, da sein Telefon gerade abgehört würde, obwohl sie alle nichts zu verstecken hätten. Das „Korps“ schaue er sich noch eine Woche an, dann sei er raus. Er kenne von 30 Leuten dort nur sechs. „Und von den 35 Nummern, die bei uns [vermutlich im ‚Heimat-Chat‘] drin sind, kenne ich bis auf den Thorsten alle.“
- - Thomas N.: „Immerhin haben wir uns in Thüringen kennengelernt.“ Thorsten sei ein „sehr guter Mann“ und gehe immer auf die Mittelaltermärkte.
- - Werner S.: „Das reicht mir aus, wenn der aus deiner Ecke kommt.“ Sonst hätte ihm nicht gereicht, wie Thorsten sich vorgestellt habe: „Ich bin der Thorsten, ich bin hier drin, weil der Thomas mich hinzugefügt hat.“ Wäre er nicht auf Thomas N.s Empfehlung im Chat, würde er ihn rausnehmen.
- - Thomas N.: Thorsten W. sei eben vorsichtig.
- - Werner S.: Markus K. habe kein Interesse und nur Ausreden, der lasse sich seit vier Jahren bei keinem Treffen sehen. Sollte sich das nicht ändern, werde er ihn löschen.
- - Thomas N.: Er habe einen neuen Kontakt, Frank Ha. Der sei auch Mittelalter-Fan und vorsichtig und nutze VKontakte.“
- - Werner S.: Er müsse jetzt weiterarbeiten.
Kein juristisches Problem erkennbar?
RA Herzogenrath-Amelung sagt, die Qualität der Personen in den Chats sei unterschiedlich gewesen, es hätten sich nicht mal alle gegenseitig gekannt. RA Kist, Verteidigung von Thorsten W., ergänzt, Werner S. habe Thorsten W. entfernen wollen, da er zu wenig und langweilige Dinge schreibe. RA Berthold verweist darauf, dass Werner S. sicher sei, auf Gleichgesinnte zu treffen. Es gehe um Verlässlichkeit in der Gemeinschaft, aber nicht um Ideologien, Strategien und Ziele. Er sehe hier keine schweren Straftaten und staatsgefährdende Pläne. RA Picker, Verteidigung von Marcel W., spricht das „fast schon unerträgliche Lamento über die Zustände in diesen Kreisen“ an und dass dieses schon fast an Defätismus grenze. Die Gesprächspartner hätten nach eigener Überzeugung nichts zu verbergen. Der RA fragt außerdem, wo der „soziologische Unterschied zwischen Parteien, Vereinen, Kameradschaften, Freikorps“ liege, er könne hier keinen erkennen. Die Gruppe habe im Vergleich mit dem historischen „Freikorps“ nicht die Qualität der „Brigade Ehrhardt“, man sei hier „weit noch unter der Kreisklasse der Champions League.“ Er erkenne kein juristisches Problem.
Die Verhandlung wird zwischen 11.20 Uhr und 11.55 Uhr unterbrochen.
Der VR kündigt an, nun die Aufzeichnungen der Vernehmungen von Paul-Ludwig U. in Augenschein zu nehmen. Man entscheide noch über das beantragte Beweisbewertungsverbot, die Augenscheinnahme sei zulässig.
Der 8. Februar 2020 in Minden – aus der Wahrnehmung des Paul-Ludwig U.
1. Video-Aufnahme: Vernehmung Paul-Ludwig U. auf dem Polizeirevier Mosbach vom 9. Februar 2020, ab 11:15 Uhr durch einen Beamten und eine Beamtin.
Der Beamte fragt die Personaldaten von U. ab, dieser bestätigt sie. Der Polizist fragt weiter: U. stehe als Beschuldigter ein Anwalt zu. Ob er darauf verzichte und mit der Videoaufnahme einverstanden sei? Und ob er trotz Schlafmangels durch die Rückreise vom Treffen in Minden vernehmungsfähig sei? U. bejaht wieder und beginnt, vom vergangenen Wochenende zu berichten.
Er sei Freitagnacht um 2:00 Uhr aus Heidelberg nach Minden losgefahren und gegen 8:30 Uhr am Bahnhof angekommen. Markus K. habe gesagt, er bringe noch seine Jungen zur Schule und hole ihn dann am Parkplatz am ZOB ab. Gegen 9:30 Uhr sei er dann auch abgeholt worden. Nach zehn Minuten Fußweg sei man bei K. angekommen und von K.s Hund Frieder, einem Bulldoggen-Mischling, begrüßt worden. Dann habe man bei einem Getränk gesprochen und sei froh gewesen, sich endlich richtig kennenzulernen, nachdem man sich nur aus den Chats kannte. Beide hätten große Erwartungen gehabt. Dann hätten sie über Thomas N. gesprochen, der kurz um 12:30 Uhr auch dazugestoßen sei. Er habe ihn vom Treffen an der Hummelgautsche wiedererkannt. Kurz darauf sei Markus zweitältester Stiefsohn T. hereingekommen, habe sich ein Getränk geholt und den Raum wieder verlassen. Anschließend habe Markus Frau den Raum betreten und er, U., habe sich bei ihr für die Gastfreundschaft bedankt. Gegen 13 Uhr seien sie zu einem Imbiss gefahren. Thomas N. habe das Essen für alle bezahlt. Danach sei man nochmal kurz zu K. zurückgefahren und anschließend dann zu N. Thomas N.s Frau habe alle begrüßt.
Äxte, Schwerter und ein getuntes Luftgewehr
Ab 16 oder 17 Uhr habe man N.s Met-Sortiment durchprobiert. Zudem habe Thomas N. „seine Sammlung von allen Äxten, wie die Germanen sie hatten“ gezeigt. Zudem „Schwerter, in seinem Büro hat er da alles voll von.“ Später habe N. noch sein „getuntes Luftgewehr“ präsentiert, für das es eigentlich eines Waffenscheins bedurft hätte. Das habe er seit 1996, damals habe man noch eine andere Feder einbauen können, was „die Bullen“ nicht bemerkt hätten. Man habe sich im Garten an einen Tisch gesetzt und über die Erwartungen an das Treffen gesprochen. „Thomas N. war enttäuscht, dass es zweimal ausgefallen ist und dass so wenig kommuniziert wird.“ Dann habe man über Entnazifizierung, die Hummelgautsche, Marion [G.] und private Dinge von Markus K. besprochen. Er habe nicht wirklich zugehört, da ihn das nicht interessiert hätte. Gegen 19 Uhr habe Thomas N.s Frau Kartoffelsalat und Bockwürstchen serviert, gegen 20 Uhr sei er dann müde geworden und schlafen gegangen. Während des Verhörs klingelte U.s Handy mehrfach. U.: „Das ist eine Nachricht der Vernetzung, das mache ich besser mal aus.“
Er sei dann am nächsten Tag gegen 7:00 Uhr aufgewacht, das Ehepaar N. Gegen 8:00 oder 9:00 Uhr. Anschließend habe man im Wintergarten zusammen gefrühstückt und N.s Frau habe anschließend Brötchen und Mett für das Treffen vorbereitet. „Thomas hat mir dann die zwei Autos gezeigt, silberne Corvette, Baujahr vermutlich 60er Jahre, und in der Einfahrt rechts ein Chevrolet Pickup, 500 PS, alles selbst restauriert.“ Markus K. sei gegen 10:30 Uhr angekommen. U. habe sich gegen 11:00 Uhr in den Hofeingang gestellt, um die Anreisenden zu begrüßen. Als erster sei Thorsten aus Hamm angereist. „Tony [E.], Matze [Werner S.] und Frank [H.] und der Sergeant at Arms bei den „Wodans Erben Bayern“ [Marcel W.], seien um 12 Uhr angekommen. Und danach zwei von den „Vikings“ [„Vikings Security Germania“], einer davon Steffen [B.]. Eine Person sei später noch nachgekommen. Im Garten habe man alle Handys eingesammelt und in Thomas N.s Büro gelegt. 16 Mann seien geplant gewesen, der Personenschützer aus Hamburg [Ralph E.] habe aber nicht kommen können. Ralf N. sei auch nicht gekommen, für ihn sollte er, U., „das Sprachrohr sein“. 13 bis 15 Mann seien sie dann gewesen.
Der Plan: „Ein regelrechtes Massaker“
Dann habe Giovanni [Werner S.] das Wort ergriffen. Er habe im Vorfeld schon immer gesagt, dass „wir eingeweiht werden in das, was schon lange geplant ist“, und habe gefordert: „Wir müssen jetzt handeln, es sollen aus seiner Sicht mehrere Anschläge auf Moscheen stattfinden.“ Das könne so nicht mehr weitergehen. Zudem müsste über eine Finanzierung gesprochen werden. Er, U., habe seine Rolle spielen müssen, und habe Köln als größte Moschee vorgeschlagen. „Man will dadurch eine sehr massive Reaktion“ bewirken und deswegen auch „keine Rücksicht auf Frauen und Kinder“ nehmen. „Man geht in die Moschee rein, bewaffnet, mit teilweise Granaten, und entfacht da ein regelrechtes Massaker, dann dauert es nicht lange, dass eine Reaktion erfolgen wird. Darauf baut Teutonico.“
Er, so U., wisse, er mache sich in seiner Rolle strafbar, „aber da scheiß ich drauf. Ich wäre nicht da hingekommen, wo ich heute bin, wenn ich mich aus allem rausgehalten hätte.“ Es sei seine persönliche Aufgabe, so viele Informationen wie möglich zu sammeln, um die Pläne der Gruppe zu kennen und zu verhindern. Frank H. habe gesagt, er sei dabei, aber ihm sei in erster Linie seine Familie wichtig: „Und wir sollten daran denken, dass die Reaktion, die natürlich kommen wird, die dann unser Volk treffen wird, das wir schützen.“ Giovanni habe dann die Augen verdreht und gesagt, das sei nicht mehr ihre Aufgabe. „Wir stoßen das an“, dann sei das Militär im Einsatz und es sei Notstand. Werner S., Frank H. und er, U., hätten ohnehin gesagt, dass sie nicht damit rechneten, zu überleben. Das sei auch Steffen klar gewesen.
„Wenn etwas hier den Raum verlässt, dann wird derjenige getötet.“
Thorsten W. sei seit drei Jahren mit Thomas N. befreundet, der Rest der Anwesenden habe ihn nicht gekannt. Er habe gesagt, er sei im öffentlichen Dienst und könne in Schwierigkeiten kommen. Werner S. habe permanent den Blickkontakt zu U. gesucht, um zu sehen, was er davon halte. U: „Ich war der Erste, der gesagt hat, ich bin eigentlich dafür, dass er den Raum verlässt.“ Auch der Sergeant habe gesagt, bei solchen Treffen sollte man sich zumindest vorher schon einmal getroffen haben. Am Ende habe Thorsten W. selbst entscheiden sollen und habe sich entschieden zu bleiben. Werner S. habe dann gesagt: „Wenn etwas hier den Raum verlässt, dann wird derjenige getötet.“ Werner S. habe wie beschrieben seine Ziele benannt, es haben aber auch den einen oder anderen Einwand gegeben.
Anschließend habe S. um Geld für Waffen gefragt. Steffen habe angedeutet, dass er jemanden hätte, der Waffen besorgen könnte, dafür brauche man aber mindestens 50.000 Euro. „Bis auf U., Ulf R. [der ebenfalls Mitglied der „Gruppe S. gewesen sein soll, aber sich in der Untersuchungshaft selbst tötete], der später dazu kam, und Markus waren alle bereit, 5.000 Euro zu geben, auch der Thorsten.“ Steffen sei gefragt worden, ob der Handel sicher funktionieren würde. Sicher sei nichts, habe der geantwortet, aber er habe mit dem schon öfter Deals gemacht und kenne den Händler.
„Rot“ heißt, „es geht los“
Werner S. habe gefragt, wer Kurz- oder Langwaffen haben wollte. Er, U., habe eine Kurzwaffe vom Typ Makarow bestellt. Frank H. habe gesagt, er könne sich auch um Waffen kümmern, er habe Kontakte nach Tschechien und kenne dort zwei Wege. Er könne sechs Kurzwaffen – so viele hätten sich dafür entschieden – Typ T-33 [vermutlich TT-33] Tokarev besorgen, „ohne Probleme, und die dann auch hier rüberbringen“. Werner S. habe eine Maschinenpistole gewollt, er, U., habe eine Uzi vorgeschlagen, weil man die auch als Granate verwenden könne. Wenn man am ausklappbaren Griff ein Seil befestige und sie in einen Raum werfe, könne man die Uzi auch auf Distanz bedienen. [Offenbar einer Filmszene entlehnt]
Um den größtmöglichen Schaden zu erreichen, brauche es aber auch Granaten. Steffen habe gesagt, kein Problem, die könne er auch besorgen. Alle zusammen hätten dann entschieden, dass die Kurzwaffen in Tschechien von Frank H., die Maschinenpistole, Langwaffen und Granaten über Steffen B.s Waffenhändler besorgt werden sollten. Steffen sollte am Abend Werner S. einen „Daumen hoch“ schicken, wenn er alles klären konnte, und Werner S. hätte dann das Geld eingesammelt. Vier Wochen später sollten die Waffen da sein, habe Steffen zugesagt. Sollte er einen „Daumen runter“ schicken, hieße das, dass sein Händler die Waffen nicht besorgen könne, dann sollte stattdessen Frank H. die komplette Bestellung aus Tschechien besorgen.
Sollte Steffen B.s Deal funktionieren, kämen zur Übergabe Werner S., Frank H., Steffen B. und er, U., „alle bewaffnet. Man weiß ja wie sowas ausgehen kann“. Werner S. habe gesagt, er würde [für die Waffenübergabe] zehn Prepaid-Handys aus Italien mitbringen, die kein Internet hätten, um sicherer kommunizieren zu können. Das Signal gehe von Deutschland nach Italien und wieder zurück nach Deutschland, das sei sicherer als ihre jetzigen Handys. Darüber sollte dann kommuniziert werden. Als Erkennungszeichen sollten sie sich Bändchen vom Floristen holen [zeigt mit seiner Hand auf seinen Ärmel], „wie bei der Mafia“. Rot heiße, „es geht los“. Werner S. habe ihn, U., draußen darauf angesprochen, dass er auch noch mal mit Ralf N. von der „Bruderschaft Deutschland“ wegen einer Teilnahme und finanziellen Unterstützung sprechen soll: „Du siehst ihn ja am 16.“
Der „Dominoeffekt“, der einen Bürgerkrieg anstoßen sollte
Er, U., habe angeboten, eine Woche vor einem Anschlag das Ziel auszuspähen bezüglich Fluchtrouten und Polizei. Er habe vorgeschlagen, mit zwei Autos pro Anschlag anzureisen, „besser wären vier“. Frank H. habe noch einmal das Thema Frauen und Kinder aufgebracht. Tony E. wollte seine Familie in Sicherheit wissen. Werner S. sei dann grantig geworden: „Ich will nicht warten! Wenn jetzt hier nichts passiert, bin ich raus, dann mache ich das alleine.“ Er wolle keine Demonstrationen mehr.
Frank H. habe zugestimmt, dass es jetzt passieren müsse. Er kenne die Leute, die nur auf so einen ersten Anstoß warten und dann einsteigen würden [in den Bürgerkrieg]. Er, U., habe zugestimmt und von einem erwünschten „Dominoeffekt“ gesprochen. U. betont erneut, Werner S. habe ihm sehr vertraut. W. habe immer wieder Blickkontakt mit ihm gesucht. Und er (U.) habe sich oft der Meinung von W. angeschlossen.
Gegen 17:30 Uhr/17:45 Uhr sei das Treffen vorbei gewesen und man sei zu Verwandten von Thomas N. in Minden gefahren, die dort eine Gaststätte hätten. Dort habe man dann gesessen, gegessen und kein Wort mehr über das Thema verloren.
Ein Paul, ein Wolf und ein schwarzer BMW
Er habe dann Wolf [Wolfgang W.], der auch beim Treffen an der Hummelgautsche dabei gewesen sei und dort eine Schussweste getragen habe, gebeten, ihn mit dem Auto bis nach Koblenz mitzunehmen, was dann auch geschehen sei (Abfahrt kurz vor 19:00 Uhr). Auf der Autobahn habe W. angesprochen, dass ihnen seit etwa 50 Kilometern ein schwarzer BMW folge. Auch er habe dann den Wagen gesehen, der immer 200 Meter Abstand gehalten habe und trotz Pausen an Rastplätzen und anderen Versuchen, ihn abzuhängen, immer wieder aufgetaucht sei.
U. habe nach der ersten Sichtung des BMW Tony E. und Werner S. angerufen und mit ihnen über den Lautsprecher gesprochen. Dabei habe er Tony E. ein paar Tipps zur Verhaltensweise gegeben, beispielsweise die Insassen des BMW direkt anzusprechen. U. berichtet, er habe vermutet, sie würden über den Bordcomputer des Wagens geortet und würde es für möglich halten, dass es die Insassen des BMW sogar beabsichtigen würden, dass sie sie bemerkt würden. Wolf habe sich erstaunt gezeigt: „Was wollen die von uns kleinen Lichtern?“ Er habe geantwortet, dass eventuell Thorsten W., der ja im Öffentlichen Dienst tätig sei, damit etwas zu tun haben könnte. Wenn das zuträfe, wären sie keine kleinen Lichter mehr.
Der BMW sei ihnen letztlich bis Koblenz gefolgt, wo Wolfgang W. U. ab Bahnhof abgesetzt habe, wo dann kurz danach auch der BMW aufgetaucht sei. Zuvor – vor ihrer Verabschiedung – habe sich W. besorgt gezeigt und die Frage gestellt, ob jetzt ein „Überfallkommando“ zuhause auf ihn warte. U. habe ihn beruhigt: „Wenn sie das wollten, dann hätten sie uns aus meiner Erfahrung jetzt schon festgenommen, wo wir so allein am Auto standen.“ Die beiden hätten vereinbart, sich einen „Daumen hoch“ zu schicken, wenn sie wohlbehalten zuhause angekommen wären. Gegen 23.30 Uhr sei Wolf dann abgefahren, er selbst habe erst noch einen Kaffee getrunken und geschaut und sei dann erst nach Hause gefahren. Er und Wolf hätten vereinbart, den jeweils anderen zu informieren, wenn sie sicher zu Hause angekommen seien, was dann auch geschehen sei.
Damit endet die erste Videoaufzeichnung. Der VR bietet an, man könne etwas sagen, aber er halte es für besser, erst alle Videos anzuschauen. Insgesamt gebe es dreieinhalb Gesamtvernehmungen.
Es folgt eine Mittagspause von 12.56 bis 14.23 Uhr.
Nach der Mittagspause folgt die 2. Video-Aufnahme: Vernehmung Paul-Ludwig U. auf dem Polizeirevier Mosbach vom 9. Februar 2020, ab 12:24 Uhr
12.000 Kilometer „ohne Auftrag“
U. betont, er tue das alles freiwillig und „ohne Auftrag“. Er habe sich dafür entschieden, als er gemerkt habe, dass „das doch schon mehr als Facebook-Gehabe” sei. Er komme aufgrund seiner Vorgeschichte schnell in Gruppen rein, und da sei etwas im Busch gewesen, das er in keinster Weise unterstütze. Er habe sich dann an die Polizei gewandt und sei ernst genommen, dann aber ans LKA verwiesen worden. Er hätte sich das nicht zeitlich und finanziell so aufwändig vorgestellt, sagt er. Er habe 400 Euro monatlich, über 200 davon gehe allein schon für Fahrkarten weg, 12.000 Kilometer sei er allein letztes Jahr gefahren.
Zuerst habe er eine Mail an den Bundesverfassungsschutz (BfV) geschrieben. Er habe dort die Situation geschildert: Er sei in eine Gruppe geraten, die offenbar terroristische Anschläge auf Moscheen plane. Dann habe er sechs Wochen nichts gehört, wütend nachgehakt und dann zwei Tage später einen Anruf von einer privaten Nummer bekommen. Am Telefon sei ein Beamter des BfV gewesen, der sich entschuldigt habe; er habe die Mail jetzt erst gelesen.
In der Zwischenzeit habe er, U., aber bereits mit Repräsentanten der Mosbacher Moschee gesprochen, „weil ich nicht wusste, was ich machen sollte“. Zusätzlich habe er sich dann an die Polizei gewandt, unter anderen an den Polizeilichen Staatsschutz in Würzburg. Und das, obwohl er „schlechte Erfahrungen mit Polizei und Justiz“ gemacht habe und darum eigentlich anfänglich nur mit dem Verfassungsschutz und nicht mit der Polizei zusammenarbeiten wollte. Erst in Gießen [beim ZK10, der Staatsschutz-Abteilung der dortigen Polizei] sei er aber richtig ernst genommen worden. Seitdem gebe es regelmäßige Treffen.
Paul-Ludwig U.: „Dieses Rollenspiel ist nicht zu unterschätzen“
Es sei eine psychische und physische Belastung, er berichtet von Hustenanfällen und Schlafstörungen. „Erstens dieses Rollenspiel, da nicht aufzufallen, das ist nicht zu unterschätzen.” Zweitens habe er unterschätzt, dass das alles so lange dauern würde. Treffen würden abgesagt, dann habe er dem LKA und so weiter absagen müssen. Das sei auch deswegen ärgerlich, weil er schon die Fahrkarte gekauft habe. Drittens sei das Ganze zwischenmenschlich eine Herausforderung. „Egal was die für Einstellungen haben, das sind Menschen [in der Gruppe]”, zu denen sich auch eine Beziehung aufbaue, „und dann ist man eigentlich der, der ihnen das Messer in das Rücken steckt”.
Würden andere Taten, Autodiebstahl und Ähnliches, geplant, würde er nichts unternehmen; aber als er erfahren habe, dass auch Frauen und Kinder gezielt angegriffen werden sollten, Unschuldige getroffen würden, „dann ist das eine ganz andere Nummer”. Lange ermüdende Textereien über Signal, WhatsApp, Instagram, hunderte Nachrichten täglich, teilweise in Gruppen, in denen er Administrator sei, seien anstrengend. Er sei über seinen Ruf in die „Bruderschaft Deutschland“ gekommen und habe Leute kennengelernt, die „menschlich absolut super sind”, aber es gehe ihm darum, Anschläge zu verhindern.
„Mir für so einen Scheiß eine Kugel einzufangen, habe ich keine Lust“
Er stelle sich die Frage: „Zieh ich das durch bis zum Ende? Vom Kopf her sage ich ja, mein Gefühl sagt brrrr, hör auf damit”, erzählt er. Man könne nicht sicher sein, dass alles funktioniert. „Genau davor hab ich Angst. Was ist, wenn das Treffen [die Waffenübergabe] mitten im Wald ist oder auf der Wiese? Dann kann sich die GSG9 ja nicht direkt da hinstellen. Wenn dann etwas eskaliert…“ Auch rechtlich fühle er sich nicht sicher. „Was tu ich? Wenn einer [eine Waffe] zieht, zieh ich auch? Und dann, wer schneller zieht oder wer besser ist? Mir für so einen Scheiß eine Kugel einzufangen, habe ich keine Lust. Wenn andere dafür bezahlt werden, deren Job das ist, kein Ding, aber das bin dann nicht ich.” Außerdem sei er gesundheitlich angeschlagen und merke, dass er an seine Grenzen komme.
Die Beamtin hakt nach und fragt, ob U. sich trotzdem in der Lage fühle, die Vernehmung fortzusetzen. Ihr Kollege fügt hinzu: „Sie können jederzeit aufhören. Wenn es Ihnen zu gefährlich wird oder Sie merken, ich packe es nicht mehr. Wir sagen Ihnen immer wieder, Sie machen es freiwillig. Wenn Sie Angst haben, nicht mehr wollen, das akzeptieren wir jederzeit.“ U. antwortet, er wisse das, genau das sei sein innerer Kampf.
Er kommt zurück auf sein Problem: „Das sind ja keine Psychopathen. Die haben nur ihre Meinung, was die Situation angeht, und da sind die wirklich knallhart. Aber da muss ich umswitchen, da geh ich rein wegen der Kinder, die will ich schützen, aber dann muss ich da [bei den Treffen] sagen, egal was kommt, ich bin bereit zu töten.“ Würde er jetzt aussteigen, befürchte er, die Behörden hätten nicht genug Material und alles wäre umsonst gewesen. Er wisse genau, würde er aussteigen, würde die Gruppe ihre Pläne trotzdem durchziehen, nur eben anders. Der Agent vom BfV habe ihm gesagt: „Sie sind der ideale Türöffner mit Ihrer Vergangenheit. Das ist aber auch Ihr Nachteil, das kann für Sie tödlich enden, weil Sie so bekannt sind.“ Der BfV könne „noch so viele von uns“ [verdeckte Ermittler*innen] in die Gruppe schicken, das würde nicht funktionieren, es brauche jemanden wie U. Mit dem Beamten habe U. auch schon über Zeugenschutz gesprochen, sich aber bislang dafür entschieden, weiterzumachen.
Heute Morgen, so. U., habe er einen Anfall, eine Synkope [Ohnmacht] gehabt, der Notarzt sei bei ihm gewesen. Das komme, wenn er rauche oder Stress habe, dann müsse er öfter husten und werde dadurch öfter ohnmächtig. Mit Cortison werde er wieder fit. Der Polizeibeamte unterbricht ihn: Er verstehe den Zwiespalt, das sei U.s freiwillige Entscheidung, die ihm niemand abnehmen könne. U. antwortet, das sei ihm klar, aber es sei ein Gewissenskonflikt. „Jetzt, wo ich so nah dran bin, muss ich natürlich mit zu dem Treffen.“ [Gemeint ist die Übergabe der bestellten Waffen.] Zu dieser Waffenübergabe erklärt U. weiter: „Teutonico hatte mich sowieso auf dem Schirm und sagte, du kommst mit. Da habe ich gesagt, ich will auf jeden Fall den Frank [H.] von ‚Wodans Erben‘ dabeihaben. Und Steffen. Alle bewaffnet, damit da keine Abzockerei passiert, gerade wenn es um solche Summen geht. Ich habe gesagt, ich bin immer bereit. Ich kriege einen Anruf, fahre mit dem Dreiländerticket nach Würzburg, da wären wir dann hingefahren, Steffen hätte die 50.000 Euro mitgebracht.“
Und dann kommt einer rein und sagt, „tja Herr U., hättste mal.“
Er fühle sich „nicht auf einer sicheren Seite“. Zur Notwehr würde er auch schießen. Der BfV-Beamte habe ihm gesagt: „Wir können Ihnen ja nicht die Erlaubnis geben, da rumzuschießen, auch wenn ich das für völlig richtig halte.“ Er spiele die Szenarien [eines Schusswechsels] im Kopf durch, um im Ernstfall dann auch schnell reagieren zu können. „Ich traue mir das durchaus zu, aber ich weiß nicht, wer mein Gegenüber ist. Die sind ja auch militärisch ausgebildet. Ich treffe schon auf 10, 15 Meter.“ Er erwähnt eine Waffe, die ihm eingezogen worden sei. Er habe einen Karton in seine Küche gestellt und mit einer CO2-Pistole mit Zielfernrohr geübt, auch im Halbdunkeln. Was wäre, so U., wenn es bei der Waffenübergabe zum Schusswechsel käme und er selbst schießen würde? „Hängt ihr mich alle auf? Bin ich Bauernopfer? Dann lasst ihr mich nicht mehr raus, dann bin ich der Feind.“ Er spiele mit offenen Karten, beim LKA und dem ZK10 glaube er das auch. Er berichtet von einem Polizisten, mit dem er bei seiner Festnahme 2015 gute Erfahrungen gemacht und danach privaten Kontakt gehalten habe. Durch ihn habe er seinen „Resthass“ auf die Polizei gänzlich verloren.
Anschließend kommt U. auf eine Kontrolle in jüngerer Zeit zu sprechen. Die Polizei in Heidelberg habe eine CO2-Waffe bei ihm gefunden. Die sei frei verkäuflich, aber er habe sie nicht mit sich führen dürfeń, daher sei Anklage erhoben worden. Das habe seine Bewährung gefährdet, da er ein Waffenverbot habe. Die Waffe habe er bei sich gehabt für „ein minimales Maß an gewisser Selbstverteidigung“. Es seien Jagdbolzen darin, die aber auch „einen gewissen Einfluss“ hätten, wenn sie jemanden am Hals träfen. Mit dieser Waffe habe er auch zuhause geschossen, die Einschusslöcher könne er noch in der Wand sehen. „Das habe ich getan, um mich vorzubereiten“.
U.: „Jetzt bin ich bestimmt schon seit einem halben Jahr hier. Nach kleinen Erfolgen und Enttäuschungen sind wir [U. und die Ermittlungsbehörden] am entscheidenden Punkt. […] Wenn ich jetzt zurückziehe, dann kann das alles für den Arsch gewesen sein. Und dann kann es ein halbes Jahr später tatsächlich losgehen, und dann kriege ich das im Zeugenschutz mit über die Medien, dass diese Leute Moscheen angegriffen haben, und dann sitze ich da. Wir haben jetzt über Moscheen in der Größe von Mosbach geredet. Da sind 300, 400 Besucher drin. Man stelle sich vor, man macht da die Kaliber leer, man schmeißt zum Schluss Handgranaten rein, dann hast du die Hälfte tot und der Rest schwer verletzt, schwer verstümmelt, dann kann ich mir das errechnen, was das für Wirkungen hat. Und dann kommt einer rein und sagt, tja Herr U., hättste mal. Das ist mein Dilemma. Mein Kopf sagt, ich muss, ich muss.“
Die GBA Zacharias würde, so U., dem Zeugenschutz vermutlich zustimmen. „Aber wenn ich jetzt [bei der Waffenübergabe] einen Arm verliere oder ein Bein, dann kennt mich da kein Mensch.“ Dann berichtet er, er sei dreimal vom SEK festgenommen worden. Er habe mit 12, 13, 16, 18 Jahren von der Polizei „aufs Maul bekommen“, weil er „das Maul aufgerissen“ habe. Natürlich gebe es „Arschlochbullen“, aber die Polizei sei nun mal ein Querschnitt der Gesellschaft und darum gebe es da natürlich leider auch Rechtsradikale. [Kommt zurück auf die Gruppe]. Er wolle eigentlich abbrechen, aber er habe das Ziel, die Pläne der Gruppe zu verhindern und die anderen „auf Dauer dingfest machen“. Dafür reichten seine bisherigen Informationen noch nicht, da es bisher nur um Treffen und Pläne gegangen sei. Er erwähnt zusammenhangslos einen Mordauftrag von Patrick an Dieter, „dass der abgestochen werden sollte.“
Paul-Ludwigs Welt
Der Beamte fragt U.: „Woher kommt nach ihrer Wahrnehmung der ganze Hass?“ [Im Folgenden nur exemplarische Äußerungen von U., der häufig abschweift, teilweise Filmszenen nacherzählt. Stellenweise sind seine Ausführungen wirr, und es ist schwer, ihnen zu folgen. Teils ist nicht nachvollziehbar, ob er über seine eigenen politischen Einstellungen spricht oder Vermutungen über die der Gruppe anstellt.] U. antwortet, die Gruppe seien „alles Rassisten und Nazis im wahrsten Sinne des Wortes“, aber nicht mehr wie in den 80er und 90er Jahren Jugendliche mit Glatze und Springerstiefeln. „Heute haben die Familie, die arbeiten hart, die sind etwas cleverer.“ Er kritisiere, dass diese Leute als Nazis abgestempelt würden, aber einfach Angst hätten, „weil sie alleingelassen werden.“ 2015 bei der Grenzöffnung habe die „Bundeskanzlerin und Regierung in keinster Weise über das aufgeklärt, was kommt, was das für Folgen hat und haben kann“. Der Bundesinnenminister dürfe nicht über die Kriminalstatistik des BKA sprechen, diese sei unter Verschluss. Die Polizei dürfe nicht mehr über Migranten sprechen. Rainer Wendt [Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft], „ein cleveres Kerlchen“, habe nach Köln [vermutlich die Silvesternacht 2015] gesagt, jetzt sei Schluss, man benenne jetzt wieder die Südländer und Migranten, die die Straftaten begingen. „Man hat die entscheidende Bevölkerung, diese wichtige Mittelschicht, außer Acht gelassen.“
„Als der Junge in Frankfurt vor den Zug geschmissen wurde [Vorfall, bei dem ein psychisch kranker, aus Eritrea emigrierter Mann 2019 einen Jungen vor einen einfahrenden ICE gestoßen hatte], kam kein Wort von der Kanzlerin.“ Aber als ein Syrer in Dortmund angeschossen [Amoklauf] wurde, hätten alle Medien berichtet. Beamte würden mit der Machete angegriffen, das seien Fakten. Es habe eine Gedenkminute für die beschossene Tür in Halle gegeben und es habe geheißen, der Antisemitismus müsse bekämpft werden, aber niemand spreche über die eigentlichen Opfer.
U.: Die eigentliche Gefahr geht von Links aus
„PEGIDA“ und Co. würden alle als Nazis abgestempelt, aber diese sagten, sie fühlten sich nicht ausreichend sicher. „Die Leute merken das, die formieren sich. Wenn der Bundesverfassungsschutz sagt, die Übergriffe von Deutschen auf Migranten nimmt drastisch zu: kein Kommentar.“ Er listet Straftaten auf, die von Migranten begangen worden seien. „Hier ist eine Kultur reingebrochen. Man holt die Erzfeinde der Israelis, die Moslems sag ich jetzt mal, holt man ins eigene Land, und wundert sich, wenn der Antisemitismus steigt. Und der geringste Teil der Übergriffe ist von den Nazis. Das ist Fakt. Es gibt Demonstrationen, bei denen Leute anfangen, israelische Flaggen zu verbrennen. 300 Übergriffe auf Kirchen seit 2015. Kein Kommentar von unserer Kanzlerin. Kein Kommentar, kein Bedauern, wir müssen gegen den steigenden Antisemitismus, gegen die steigenden Aggressionen gegen unsere Kultur, unsere Religion, vorgehen. Nicht ein Wort. Das kriege ich ja mit. Das zieht sich durch seit 2015.“ Normale Leute wollten eigentlich nicht mit „PEGIDA“, „Soldiers of Odin“ und ähnlichen Rechten demonstrieren, aber es bleibe ihnen nichts anderes übrig. Bei Demonstrationen sei klar zu erkennen, allein schon am Polizeiaufgebot, dass die eigentliche Gefahr von Links ausgehe. Die angeblichen Schlägertrupps von der „Bruderschaft“ brächten Omas nach den Demonstrationen zum Auto, damit diese nicht allein gehen und vielleicht von Linken angegriffen würden. Die seien dann, auch wenn sie diese Sorte Rechter vorher abgelehnt hätten, dankbar und würde sagen: „Gut, dass ihr da seid.“
Es gebe Kneipen und Bäckereien, da stehe am Eingang „Keine AfD-Wähler“. Das erinnere ihn an „Kauft nicht bei Juden ein.“ „Das zeigt den Verfall unserer Demokratie.“ Die „normalen Menschen“ hätten demokratisch gewählt, und trotzdem sei es zu „dem Desaster in Thüringen“ gekommen [vermutlich gemeint ist die Wahl Kemmerichs von der FDP und dessen Rücktritt 24 Stunden später].
Der Beamte unterbricht ihn. „Die Frage war: Woher kommt der Hass einer Bruderschaft, in eine Moschee reinzugehen?“ U. antwortet, das sei schwierig zu sagen. „Die sind hirnrissig!“ Der Sergeant habe „die ganze Zeit was von Odin und Freya erzählt und gesagt: ‚Ich wäre schon längst mit meiner Familie geflohen, aber ich bin das meinen Ahnen schuldig. Mir ist egal, mit wem ich am Ende in Walhalla sitze, wenn ich erschossen werde.“ Teutonico habe gesagt, es müsse Schluss sein. „Es reicht kein Reden mehr, keine Demonstrationen. Wir haben die Zeit nicht mehr. Für ihn sind das Invasoren.“ U. verweist empört auf die Löschung eines YouTube-Videos, in dem Geflüchtete als Söldner bezeichnet werden, echauffiert sich über eine angebliche Zensur und nennt als Beispiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Fall Künast.
U. wähnt Machenschaften „irgendwo im Hintergrund“
„Facebook sperrt uns Deutsche, in unserem Land, und unsere Regierung tut nichts. Das ist doch auch Zensur.“ [Es folgt eine längere Debatte über Facebook.] Wenn er einen Kommentar gegen den Zentralrat [der Juden in Deutschland] schreibe, „dann zieh doch nach Israel, wenn es dir hier nicht passt“, dann würden solche Kommentare gesperrt. Außerdem habe Deutschland „schon so viel Reparationszahlungen gezahlt.“ Morddrohungen von der Antifa blieben ohne Folgen. Es heiße immer, man müsse den Rechtsterrorismus bekämpfen, aber der Linksextremismus sei ein viel größeres Problem. Er schlägt vor, Merkel sollte mal einen aus der Gruppe nach den Gründen für seine politische Einstellung fragen, „vielleicht nicht gerade Teutonico, Frank [H.] oder Tony [E.]“, dann könnte man im Dialog vielleicht etwas erreichen. Dann sagt er: „Wir wissen ja gar nicht, was da so läuft und was die da alle veranstalten, irgendwo im Hintergrund, es redet ja keiner!“
Der Beamte unterbricht ihn, er könne das nachvollziehen, aber das sei keine Erklärung für den Hass. U. erwidert: „Die sind nicht alle schlecht“. Thomas N. und die „Bruderschaft“ stifteten „wirklich von Herzen“ für karitative Zwecke. Zumindest die Haltung des Sergeant habe U. verstanden. Der sei schon von seinem Vater rechtsextrem erzogen worden, „für den gibt es nichts anderes.“ Er, U., könne aber weder die Haltung der Nazis verstehen, noch die des IS, die sei „noch kranker“.
Er selbst könne sagen, warum er „Hass habe: Weil ich mit 12 weggegeben wurde, misshandelt wurde, keiner hat es mitgekriegt. Ich wurde von meinen Großeltern geschlagen, keiner hat mich in den Arm genommen.“ Im Heim habe es Gruppenzwang gegeben. Er habe anderen das Taschengeld abgenommen, Autospiegel abgetreten und Zigarettenschachteln gestohlen. „Abends, wenn ich im Bett gelegen habe, habe ich geweint.“ Er habe später Autos gestohlen, darunter auch ein Polizeiauto. Im Heim und auch später im Knast habe er eine Rolle spielen müssen. „97, 98 habe ich einen Hass in mir gehabt, den ich nur dadurch erklären kann, dass ich in dem Alter absolut enttäuscht und gekränkt war, missbraucht. Ich hatte drei Selbstmordversuche, wurde wiederbelebt mit 15, mit 18. Dann dieser Gruppenzwang, dann schaukelt sich das hoch. Du baust dir deine eigene Welt auf, um zu überleben.“ So sei das auch in den „Bruderschaften“.
Zurück zum 8. Februar 2020 in Minden
Die Beamtin fragt, woher er Markus K. kannte. Hauptsächlich aus der Chatgruppe „Heimat“, antwortet er; dort heiße Markus K. „Metzger“. Am 6. Februar habe er eine Sprachnachricht erhalten, Thomas N. habe ihm die Nummer gegeben. Vorher habe er Markus K. nicht gekannt. Der Polizist fragt, was sie Gesprächsthemen bei Markus K. zuhause gewesen seien. U. antwortet, K. habe gesagt, „dass er es sehr schade und blöd fand, dass es zweimal ausgefallen ist“. K. habe die ganze Zeit über Entnazifizierung sprechen wollen. Er, U., habe ihn dann vorgewarnt, dass manche sich für das Thema vermutlich nicht interessieren dürften, weil sie ohnehin nicht überleben würden.
Dann habe K. über seine Vergangenheit gesprochen. Er sei in Minden bekannt und habe da „viel aufgebaut“, habe viel Kontakt zu Polizei und Verfassungsschutz gehabt. Er habe ein eigenes Kind und einen Stiefsohn. Er müsse knapp 1.000 Euro Miete für 120 Quadratmeter zahlen. Dann sei der Sohn [von K.] und dann Thomas [N.] hereingekommen. Abends hätten sie eher über Privates gesprochen. Und über die Erwartung, dass Werner S. endlich seine Pläne vorstellen würde. Das, was im Raum stand, sei allen klar gewesen, Moschee und Dominoeffekt. „Frank hat zurecht gesagt, es gibt genug draußen, die auf diesen Dominostein warten. Ich bin mal gespannt, wer so lebensmüde ist.“
Die Beamtin fragt, ob N. und K. mit U. über Spekulationen zum Ziel gesprochen hätten. U. sagt, Thomas N. habe immer wieder betont: „Teutonico weiß das, ich werde an seiner Seite sterben. Ich werde mit dem überall hingehen.“ N.s Frau habe ihm Egoismus vorgeworfen. Er habe erwidert: „Nein, ich tu das für Loki. [Figur aus der nordischen Mythologie]“ U. berichtete, Thomas N. und Markus K. hätten sich schon länger von irgendeinem Treffen gekannt und dann auch manchmal privat etwas mit den Familien unternommen. N. und K. gehörten „irgend so einer rechten Russengruppe im Osten, Richtung Sachsen“ an. Markus sei auch beim „Freikorps“, bei den „Brüdern in Duisburg“, da sei er sich aber nicht ganz so sicher.
U. sollte für die „Bruderschaft Deutschland“ sprechen, sei aber nur Anwärter gewesen
Der Beamte erkundigt sich, wo Thomas N. seine Axtsammlung habe. U. erzählt, N. habe sie ihm gezeigt, K. habe auch welche. Bei N. hingen sie – direkt, wenn man reinkomme – an der Wand. „Ich glaube, der sieht sich da wirklich mit Bärenfeld durch den Wald laufen und Leute erschlagen“, wie in der Serie „Vikings“. „Freitag, als ich dort war, kam ein Paket mit einem neuen Bogen. Er hat eine Armbrust, die muss man ordentlich spannen. Dieser Bogen ist leichter zu spannen, hat aber doppelte Kraft wie die Armbrust. Er hat Spezialpfeile aus Stahl oder wie auch immer, wie diese Jagdbolzen, vier oder fünf Millimeter. Und wenn die drin sind, du kriegst die nicht raus, die musst du rausschneiden, aber großflächig.“ Außerdem habe N. ein umgebautes Luftgewehr. Damit habe er, U., dort aus dem Fenster gezielt. Das sei das, für das man eigentlich einen Waffenschein bräuchte wegen der umgebauten Feder.
Die Beamtin fragt, wie die Reaktion der Gruppe darauf gewesen sei, dass der Personenschützer und ein Fremdenlegionär trotz Einladung nicht gekommen sei. U. gibt an, Teutonico habe gesagt, die könnten nicht, und das sei so akzeptiert worden. Der Personenschützer sei „aus dem Raum Hamburg“.
Es habe allerdings um U. einen Konflikt gegeben. Er sei als Vertreter der „Bruderschaft“ dort gewesen, das habe Tony auch bestätigt. Er sei aber nur Prospect gewesen. „Es gab ein bisschen Irritation. Man muss sich vorstellen, Sie sitzen da mit ‚Vikings‘, ‚Bruderschaft, ‚Wodans Erben‘. Volle Handlungsfreiheit und volle Entscheidungsfreiheit.“ Da schicke man doch niemanden, der noch „auf Probe ist.“ Die „Hells Angels“ würden schließlich auch keinen Prospect zu einer wichtigen Verhandlung schicken. Markus K. und Thomas N. hätten U. darauf angesprochen. Dann habe er gesagt, er fühle sich geehrt, hier zu sein. Er sei laut Düsseldorf „schon längst Mitglied“, das müsse aber Patrick N. entscheiden, und bei ihm würden die Düsseldorfer „stiefmütterlich behandelt“.
U. spielt den Beamt*innen eine Sprachnachricht vor, er solle Ralf [N.] beim Treffen vertreten. Zu hören ist Ralf N., der sagt, er habe sicherheitshalber alle Gruppen verlassen und die Chatverläufe gelöscht. Peter wisse auch Bescheid. „Das ist ganz einfach nur, solange ich jetzt da unterwegs bin. Montag bin ich dann zuhause und dann ist alles wieder gut.“
Damit endet die 2. Video-Aufnahme.
Die Verhandlung wird von 16.03 Uhr bis 16.30 Uhr unterbrochen.
„Eine halbe Stunde Volkes Stimme“
RA Herzogenrath-Amelung führt aus: „Nicht alles, was U. sagte, ist falsch. Für mich das Interessanteste waren seine Ausführungen über die politische Lage in Deutschland. Er hat versucht klarzumachen, warum Leute auf diesen Weg geraten. Die Grenzöffnung durch Merkel, die ehemalige FDJ-Funktionärin für Agitation und Propaganda, war ein klarer Verstoß gegen die Verfassung.“ Der VR rügt ihn und fordert ihn auf, „die Form zu wahren“. Der RA bittet zu erläutern, was formal falsch gewesen sei. Der VR erwidert, er erläutere gar nichts und entziehe dem RA im Zweifel das Wort. Der RA beendet seine Ausführungen mit der Aussage: „Was Herr U. gesagt hat über vieles, was in diesem Lande abgeht, kann man zusammenfassen mit: Das war eine halbe Stunde Volkes Stimme.“
Es folgt die 3. Video-Aufnahme: Vernehmung Paul-Ludwig U. auf dem Polizeirevier Mosbach vom 9. Februar 2020, 14:30-14:51 Uhr.
U. erklärt, Teutonico habe angeboten, die Runde könnte beim zweiten Treffen [der letztendliche verschobene erste Anlauf in Minden, zu dem S. aus Termingründen absagte] eine Videokonferenz mit ihm machen oder sich ohne ihn treffen. „Dann haben alle einheitlich gesagt, das macht online überhaupt keinen Sinn, wenn dann persönlich. Und ohne ihn schon mal gar nicht, weil er die ganze Zeit sagt, bei dem Treffen wird er für alle klar und deutlich diese Pläne [offenlegen], die er schon lange mit Tony und Frank bespricht.“
[U. kommt wieder auf den Waffenkauf zu sprechen.] Er, U., habe gefordert, niemand sollte allein mit den 50.000 Euro zur Übergabe fahren. Für Werner S. sei klar gewesen, dass er auf jeden Fall mitfahren müsse. U. habe dann mit Frank, Teutonico und Tony Blicke ausgetauscht und gesagt: „Teutonico, du fährst mit. Ich würde gerne Frank dabei haben, ich und Steffen, und zwar bewaffnet.“ Das habe er seiner Rolle in der Gruppe entsprechend gesagt. „Teutonico hat direkt gesagt, ja du bist sowieso klar, dass du mitkommst.“
„Das ist Kollateralschaden, das ist Krieg, da ist das so.“
Der Beamte fragt, wie die Gruppe reagiert habe, als Teutonico seine Ziele benannt habe. U. erwidert, der Sergeant at Arms habe eingewandt, als Patrioten könnten sie schlecht Dinge tun, bei denen sie Reaktionen in Kauf nähmen, bei denen „unsere Leute draufgehen“. Frank H. und er, U., hätten dagegengehalten: „Das ist Kollateralschaden, das ist Krieg, da ist das so.“ Der Sergeant habe entgegnet, es gehe „um unsere Germanen, die sich nicht wehren können“, und es sei eine längere Debatte entstanden. Teutonico habe gesagt: „Das ist nicht unser Thema. Wir sind der erste Dominostein. Und wie Paul schon sagte, wenn der erste [Stein] fällt, fallen die anderen auch.“ Frank habe gesagt, er kenne genug, die nur darauf warten würden, „dass einer den ersten Schritt macht“. Er selbst, U., kenne auch genug [Personen, die auf eine solche Aktion warteten], wenn auch nicht gerade solche wie Thorsten W.
Die Beamtin fragt nach: „Und da haben dann alle zugestimmt?“ U. antwortet, der Sergeant, Steffen, Tony und Markus hätten dann gesagt, sie wären dabei. Tony habe aber gesagt, er habe zwei junge Söhne und seine Frau und wolle sie in Sicherheit wissen, wenn der Tag X kommt.“ Er, U., habe dann gesagt: „Wir kämpfen dann gegen unsere eigenen Spezialeinheiten.“
Die Beamtin hakt ein: „Wer hat es ‚Krieg‘ genannt?“ Teutonico sei das gewesen, so U. Er selbst habe seit der Hummelgautsche gewusst, dass Angriffe auf Moscheen in Planung seien. „Es soll dadurch tatsächlich ein Bürgerkrieg provoziert werden.“ Irgendwann sei dann das Militär das Oberkommando, und nicht mehr die Kanzlerin. Dann kämen auch noch die Amis und Russen, auf jeden Fall aber die Russen. Er verweist auf das Recht zum Widerstand im Grundgesetz. Das sei jetzt nicht seine Meinung, sondern die von Anwälten, die gesagt hätten, dieses Recht auf Widerstand sei eigentlich schon seit 2015 aufgrund erheblicher Rechtsverletzungen gegeben. In einem solchem Fall wären die Bundespolizei und das Militär verpflichtet, jeden, der sich auf sein Widerstandsrecht beruft und den Verhältnissen angemessen reagiert, zu schützen.
100 Mann, 150 oder 300, 400 Mann töten
U. geht dann auf die Moscheen ein, die Ziel sein sollten. Er habe die blaue Moschee in Hamburg vorgeschlagen, oder die große in Köln. Jemand habe aber argumentiert: „Da kommen wir nicht weg.“ Also habe man über kleinere Moscheen nachgedacht. Ideal wären Moscheen mit Bezug zu Ditib und Erdogan. „Wenn du da einmarschierst, dann hast du hier vier Millionen Türken auf der Straße, aber nicht mit Wattebäuschchen“. Man wolle „auf jeden Fall die Türken provozieren, weil die haben ihren Stolz. Und es müssen Imame sein, die einen Stand haben. Der Imam in Mosbach ist angesehen, Bielefeld… kleine Moscheen eben.“ Wenn man da reingehen würde und „60, 70, 80, 90, 100 Mann“ töten würde und dieses ein zweites und drittes Mal wiederhole („150 oder 300, 400 Mann), „dann geht es hier los mit den Türken und Arabern.“
Ob man im Chat den Ablauf besprochen habe, will die Beamtin wissen. U. gibt an, man habe erst den Ort klären und eine Woche lang auskundschaften wollen. „Wo ist die Polizei, das nächste SEK, die nächste Hubschrauberstaffel, die nächste Autobahn?“ Er habe für Landstraßen als Fluchtwege plädiert.
Beim Treffen sei auch gefragt worden, wer welche Waffe wolle. „Tony wollte eine Kurz- und Langwaffe, Steffen Kurzwaffe, Frank Kurzwaffe. Teutonico wollte eine Maschinenpistole Ungefähr sechs Kurzwaffen plus drei Uzis, Langwaffen. Beim Sergeant of Arms lag ein einsatzfähiges K98 [Wehrmachts-Karabiner] zuhause. Frank habe zusätzlich zur Kurzwaffe auch eine Langwaffe gewollt, und man habe sich auf die Uzis verständigt, weil er, U., gesagt habe: „Auf 80 Meter machst du da alles weg.“
Auch U. berichtet, Thorsten W. habe 5.000 Euro zugesagt
Die Beamtin fragt nach den Waffenwünschen von Wolf [Wolfgang W.] und Thorsten W. U. antwortet, Wolfgang W. sei „voll dabei“, er habe eine Langwaffe und eine Kurzwaffe bestellt und habe zugesagt, Kachelwesten [gemeint sind vermutlich schusssichere Westen] mitzubringen. Er, U., sei bei den Gesprächen davon ausgegangen, dass alle sich gegenseitig kennen würden. Aber als Teutonico gesprochen habe, sei Ulf [R.] blass geworden. „Ich glaube, der hat die ganze Zeit gedacht, wenn ich das gewusst hätte, wäre ich zuhause geblieben.“
Dann sei es ums Geld gegangen. Er, U., habe gesagt: „Ich kann zwar agieren, aber ich kann nicht zahlen.“ Fast alle anderen hätten etwas zugesagt. „Der öffentliche Dienst aus Hamm [Thorsten W.] hat gesagt, er gibt 5.000 Euro, aber kann nicht mehr machen, wegen öffentlicher Dienst.“ Definitive Zusagen hätten außerdem Teutonico, Frank, Tony, der Seargent at Arms und Wolf gemacht. Teutonico habe gesagt, Ralf N. würde ja wohl auch noch 5.000 geben, das würde U. noch klären, und er selbst würde dann ggf. auch noch was oben drauf packen, damit wären die nötigen 50.000 Euro komplett.
Erneut ein Corona-Verdachtsfall in der JVA Stuttgart
Damit endet das Video. Der VR verkündet, der Senat habe in der vergangenen Sitzungspause erfahren, dass es in der JVA Stuttgart einen Corona-Verdachtsfall bei einem Mitarbeiter gebe, der heute Morgen Kontakt zu drei der Inhaftierten gehabt habe. Als Werner S. das hört, zieht er seine Schutzmaske ein paar Zentimeter weg vom Gesicht und hält sie so, bis der Prozesstag endet. Der VR gibt bekannt, er telefoniere noch am Abend gegen 19 Uhr mit dem Chef des Stuttgarter Gesundheitsamts und entscheide dann gegebenenfalls, den morgigen Verhandlungstermin aufzuheben. [Dieses geschah dann auch.]
RA Siebers, Verteidigung von Werner S., fragt angesichts der möglichen Absage des morgigen Verhandlungstages, ob es ausreiche, die USB-Sticks [für die Dateien mit den überwachten Telefonaten] beim nächsten Termin mitzubringen, der ja durch die Absage erst nach den Ferien in drei Wochen sein könnte. Der VR antwortet, man schicke die Sticks besser per Post an den Senat, dann reiche er sie ans LKA weiter. RA Hörtling, Verteidigung von Thorsten W., fragt, ob man dann das verbleibende Video von U.s Vernehmung in drei Wochen erst anhöre. Der VR antwortet, wenn der Termin morgen ausfalle, dann wäre das so.
Der Verhandlungstag endet um 17.01 Uhr.