Prozessbegleitung durch die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus begleitet den Prozess gegen die rechtsterroristische „Gruppe S“, der am 13. April 2021 am Oberlandesgericht Stuttgart beginnt und für vorerst 31 Prozesstage angesetzt ist. Angeklagt sind zwölf Männer, die als „Gruppe S“ unter anderem Anschläge auf Muslim:innen und politische Gegner:innen geplant haben sollen und damit „bürgerkriegsähnliche Zustände“ hervorrufen wollten.
Auf dieser Seite werden Berichte zu den Prozesstagen veröffentlicht. Damit soll der Prozess gegen die „Gruppe S“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und auf die Gefährlichkeit von rechtsterroristischen Strukturen und Netzwerken hingewiesen werden.

 

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Prozesstag 9: Stachelte Paul-Ludwig U. die „Gruppe S“ an?

Am Mittwoch, 9. Juni 2021, wurden im Prozess gegen die rechtsterroristische „Gruppe S“ erneut Videosequenzen aus der Vernehmung von Paul-Ludwig U. vom 16. und 17. April 2020 gezeigt. Er berichtete u.a., er sei auf dem Weg zu einer Demonstration mit einer CO2-Waffe erwischt worden. Thema der Vernehmung war auch die Gießener Gruppe ESLR um Johnny L., die ebenso sich laut U. in Berlin mit der „Gruppe S“ vernetzt haben soll. Der Angeklagte Thomas N. brach an diesem neunten Prozesstag sein Schweigen und warf U. in Rage vor, diese habe die Anschläge erst ins Gespräch gebracht, für deren Planung die Gruppe nun vor Gericht sitze. Im Verhör konnte U. nicht erklären, warum Ralf N. ihn, einen Mitgliedsanwärter, als sein Sprachrohr und das der „Bruderschaft Deutschland“ nach Minden geschickt haben soll. U. berichtete zudem, drei oder vier KSK-Soldaten seien in den Chats der Gruppe gewesen. Und er entlastete erneut Ulf R., der in Minden völlig überfordert und nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sei. Dafür belastete er Thorsten W. erneut schwer, der in seiner Aussage vor Gericht alles abgestritten hatte. Am Ende des Tages schilderte U., warum er aus der „Gruppe S“ geflogen sei: Man habe ihn als Verräter verdächtigt und unter dem Vorwand, er habe Thomas N.s Lebensgefährtin bestohlen, aus den Chats entfernt.

Die Verhandlung beginnt um 9:12 Uhr. Die Rechtsanwälte (RA) Hörtling und Hofstätter fehlen. Der Vorsitzende Richter (VR) erteilt RA Herzogenrath-Amelung das Wort für eine Erklärung zum letzten Prozesstag. RA Herzogenrath-Amelung, Anwalt von Frank H., hält es für erwähnenswert, dass während des „angeblichen Gründungstreffens“ der „Gruppe S“ an der Hummelgautsche, Passant*innen in dessen Nähe gekommen seien. Die Anwesenden hätten auch ein Gruppenfoto von sich gemacht. Beides sei nicht besonders intelligent, wenn man kriminelle Aktivitäten planen wolle. Außerdem sollten laut Akten 14  Personen am Treffen teilgenommen haben, in Wirklichkeit seien es aber mehr gewesen. Er fragt, warum nicht alle identifizierten Teilnehmer*innen auf der Anklagebank sitzen würden, und fordert, die restlichen Personen zumindest als Zeug*innen zu laden. Gegen eine Gründung der Gruppierung an der Hummelgautsche spreche, dass gekommen sei, wer Lust gehabt habe, während andere verhindert gewesen seien. Es habe Alkohol in Mengen gegeben, was die Äußerungen auf dem Treffen beeinflusst haben dürfte. RA Herzogenrath-Amelung betont, sein Mandant sei als sehr zurückhaltend und vorsichtig beschrieben worden.

 

RA Mandic: Prepper bereiten sich auf Naturkatastrophen vor

 

RA Mandic, Verteidiger von Michael B., erklärt, U. habe in der Vernehmung selbst gesagt, dass es kein richtiges Gründungstreffen gegeben habe. U. habe zudem gesagt, einige der Anwesenden seien Prepper, die sich auf einen Tag X vorbereiteten. Dabei gehe es eigentlich um die Vorbereitungen auf Situationen wie Naturkatastrophen, doch U. habe das „auf kriegerische Auseinandersetzungen verengt“. Allein schon die Auswahl der Hummelgautsche als Ort spreche eher für ein Prepper-Klientel. U. habe im Verhör den konspirativen Charakter des Treffens betont, beispielsweise mit der Aussage, alle seien wie auf Kommando verstummt, als eine Gruppe Pfadfinder aufgetaucht sei. Werner S. und andere Angeklagte hätten als Reaktion auf diesen Teil des Vernehmungsvideos gelacht. Insbesondere die mögliche Borderline-Erkrankung U.s sei hier wichtig, da Psychotherapeuten die Erkrankung mit Fehlwahrnehmung, Fehlinterpretationen und falschen Bezichtigungen in Verbindung brächten. Es gehe hier nicht um Psychosen, sondern die instabile Persönlichkeit an sich bringe solche Aussagen hervor. „Der Wert seiner Persönlichkeit war eng daran geknüpft, dass er sich als Retter vor den Rechtsterroristen aufspielt“, dabei habe er selbst diese Themen maßgeblich vorangetrieben. Der Angeklagte Michael B. sei zwar an der Hummelgautsche gewesen, habe dort aber nicht über Terroranschläge gesprochen. Der Vernehmungsbeamte habe U. immer wieder auf Widersprüche oder uneindeutige Aussagen wie „man müsste mehr machen“ hingewiesen. Dass man „mehr machen müsste“, dächten zwar viele im Land, aber das müsse nicht gleich Terroranschläge meinen.

 

RA Miksch: U. versteht unter „Aktive“ fälschlicherweise „Terror-Freiwillige“

 

Als nächster ergreift RA Miksch, Verteidiger von Marcel W., das Wort und erklärt, es sei bei U.s Aussagen „unklar, was wirklich geschah, und was er den Angeklagten unterstellt“. U. habe gesagt: „Aktive heißt, dass das welche sind, die bereit sind, mehr zu tun, als nur zu reden, bereit sind, Anschläge zu begehen“. Das Wort „Aktive“ würde von U. mit „Terror-Freiwillige“ übersetzt, das heiße aber im alltäglichen Sprachgebrauch „tausend andere Sachen“, beispielsweise Flugblätter zu verteilen. U. habe auch gesagt, dass er in Einzelgesprächen mit Marcel W. und Frank H. erfahren habe, sie wüssten, was unter „Aktive“ zu verstehen sei. Aber im Verhör habe U. keinerlei Angaben über explizite Äußerungen von H. und W. gemacht, sondern sei einfach davon ausgegangen, dass die beiden schon gewusst hätten, was mit „aktiv“ gemeint sei.

Außerdem habe man sich an der Hummelgautsche ja zuerst einmal kennenlernen wollen, das spreche gegen das Ziel, Anschläge zu begehen: Wenn man sich noch nicht kenne, würde sich niemand als anschlagswillig „outen“. Das sei „dermaßen unglaubwürdig“, und U. habe hier sicherlich „einiges dazugedichtet“. Die Anschlagspläne auf Moscheen, Habeck und Hofreiter sollten in einem Einzelgespräch angesprochen worden sein. „Sollte das gefallen sein, können alle anderen der Anwesenden das wegen des Einzelgesprächs nicht mitbekommen haben.“

 

Fortsetzung des Verhörs mit U. am 16. April 2020

 

Nachdem alle die Gelegenheit hatten, sich zum zuletzt gezeigten Video zu äußern, spielt der VR nun das nächste vor. Es ist der vierte Abschnitt des Verhörs mit U. vom 16. April 2020. Es geht um den Themenkomplex der Berliner Demonstration im Oktober 2019. Dafür übernimmt wieder der zweite Beamte (B2).

U.: Erklärt auf Nachfrage kurz, wie er sich in der Pause die Zeit vertrieben hat. Er könne sich noch immer ausreichend konzentrieren.

B2: „Wann war das Treffen?“

U.: „3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit.“

B2: „Was war der Grund für das Treffen?“

U.: Er sei am 2. Oktober nach Gießen zu Johnny L. gefahren und habe dort Peter P. – einen ehemaligen Bergwachts-Kollegen U.s – getroffen. Zu dritt sei man am nächsten Tag nach Berlin gefahren. U. und L. hätten sich vorher über Chatgruppen angefreundet und seien auch schon zwei Wochen vor Berlin zusammen auf einer Demonstration von Dominik R. im Mönchengladbach gewesen.

 

Mit einer CO2-Waffe im Gepäck erwischt

 

U.: Bei der Anfahrt nach Gießen [um von dort aus dann am nächsten Tag zur Demonstration in Berlin weiterzureisen] sei er am Heidelberger Bahnhof im Rahmen einer Personenkontrolle von der Polizei mit einer CO2-Waffe erwischt worden. Er sei von Mosbach aus gegen 6 oder 7 Uhr morgens losgefahren und um halb 10 Uhr in Heidelberg angekommen. In der S-Bahn habe er schon bemerkt, dass drei Bundespolizisten am Bahnsteig gestanden und offenbar suchend durch die Bahnfenster geblickt hätten. Er sei von einem der Beamten angehalten worden für eine Personenkontrolle. Dem habe er auf Nachfrage direkt gesagt, dass er die Waffe im Rucksack habe. Er sei unter Zeitdruck gewesen, denn seine Bahn habe schon in 15 Minuten abfahren sollen. Darum habe U. dem Beamten erklärt: „Ich fahre zu einem Treffen von Rechtsradikalen, das LKA ist informiert und das ZK10 in Gießen [die dortige Polizeiabteilung für Staatsschutz]. Ich muss aber jetzt den Zug erwischen, ich muss zu diesem Treffen, das ist wichtig.“ Er habe die Korrespondenz mit dem LKA auf Gmail gezeigt, sich aber nicht als Spitzel bezeichnet. Der Beamte habe U.s Waffe eingesteckt und gesagt, man prüfe kurz, ob die Adresse auf seinem Ausweis noch aktuell sei. Falls ja, könne er gleich weiterfahren und bekomme dann Post. Er bräuchte, um die Waffe zu führen, einen kleinen Waffenschein. Deshalb habe er sich durch das Tragen der Waffe im Rucksack strafbar gemacht. Die Polizei habe U. dann ziehen lassen, und er sei mit dem Zug nach Gießen gefahren. Eine Bekannte von Johnny L. habe ihn in dessen Auto am Bahnhof abgeholt, da L. selbst damals eine Führerscheinsperre wegen Alkohols und Drogen gehabt habe.

 

Gemeinsam mit der „ESLR“-Gruppe aus Gießen zur Berlin-Demo

 

Bei Johnny L. In Hungen angekommen habe dessen Frau ihn herzlich begrüßt. L. und U. hätten eine Flasche Whiskey zusammen geleert. Gegen 5:00 Uhr morgens seien dann Peter P. und andere aus L.s Gruppe gekommen, und man sei nach Berlin gefahren, wo sie gegen 12:00 Uhr angekommen seien und in der Nähe des Innenministeriums geparkt hätten. Dann habe man sich am Hauptbahnhof zur Demonstration getroffen. „Es war geplant im Vorfeld, dass Teutonico, Tony E., ich und Marion G. uns treffen.“ Teutonico habe L. schon gekannt. U. sei als Gast der Gruppe „Ehre, Stolz, Loyal, Respekt“ (ESLR) aus Gießen angereist. Sie und die Leute um Teutonico seien die ersten Demonstranten am Bahnhof gewesen. Teutonico habe U. gesagt, der Personenschützer vom BKA gehöre auch „zu uns“. Marion G. sei dann auch dazugekommen, und man habe sich unterhalten. „Im Vordergrund steht für Teutonico und Tony E.: Es ging nicht um den Inhalt der Demonstration, sondern darum, neue Kontakte aufzubauen und alte Kontakte zu pflegen. Das war immer der Grund, warum die zu Demonstrationen gefahren sind.“

B2: Ob U. gewusst habe, dass Teutonico und Tony E. sich bei der Demonstration mit Johnny L. treffen wollten?

U.: Bejaht.

 

In Berlin sollen sich ESLR, „Bruderschaft Deutschland“ und „Gruppe S“ vernetzt haben

 

B2: Ob die beiden gezielt neue Kontakte geknüpft hätten?

U.: Tony E. habe kurz vor der Demonstration in Berlin U.s Kontakt zur „Bruderschaft Deutschland“ (BSD) ermöglicht. E. habe Ralf N. [einer der BSD-Chefs] U. mit den Worten empfohlen: „Auf den kannst du dich verlassen.“ U. habe N., der mit vielen Leuten von der „Bruderschaft“ angereist sei, bei der Demonstration in Berlin angesprochen, U. habe sich ihm vorgestellt. N. habe schon Bescheid („von Tony“) gewusst und letztendlich gesagt: „Wir bleiben in Kontakt.“ Zur Zusammensetzung der Demonstration erinnert sich U.: „Da war die High Society der rechten Szene sehr stark vertreten.“ Teutonico und Tony E. hätten Kontakte gepflegt. U. habe gesagt, er würde nicht mit ihnen laufen, sondern mit ESLR, weil er als deren Gast gekommen sei. Er habe auf der Demo auch einen Hoody der ESLR getragen und sei die ganze Demonstration mit der Gießener Gruppe gegangen. Johnny L. habe er den Gefallen getan, mit zwei jüngeren Mitgliedern der Gruppe aus Gießen zu laufen, „damit denen nichts passiert“. Vor der Demonstration seien U., Teutonico und Tony E. gemeinsam im Bahnhof auf die Toilette gegangen. Auf dem Rückweg sei Teutonico kontrolliert worden. „Der hatte diese Handschuhe an“. [Quarzsand-Handschuhe.] U. Und Tony E. draußen gewartet, bis Teutonicos wieder aufgetaucht sei. Das habe „locker eine dreiviertel Stunde“ gedauert. Tony E. habe dann gesagt, es sei „sehr loyal“ von U., so lange mit ihm dort zu warten. Teutonico sei schließlich herausgekommen und habe gesagt, er habe eine Anzeige bekommen. Dann sei der Marsch losgegangen. U. habe während der Demonstration Sichtkontakt zu Johnny L. gehalten. „Es waren ja auch viele von der Antifa da.“ Bis 17 oder 18 Uhr sei man auf der Demonstration mitgelaufen. Dann habe man das Gruppenfoto [am Brandenburger Tor] gemacht und sei dann mit der S-Bahn zurück zu den Autos gefahren, um mit denen nach Hause zu kommen.

 

Johnny L. laut U. Administrator eines rechten Chats

 

B2: „Wer hatte die Idee zum Treffen?“

U.: Das sei Johnny L. gewesen. L. sei auch in den Chatgruppen „Heimat“, „8.2.“ und „Last Man Standing“ gewesen. Letztere habe L. selbst gegründet; „das ist seine Gruppe“.

B2: Ob Teutonico Johnny L. gekannt habe?

U.: Bejaht. „Sie hatten sich mal gestritten“, da habe es eine Uneinigkeit gegeben. L. sei dann aus einer Gruppe raus, „die es schon vor meiner Zeit gab“. U. habe sich dann für L. eingesetzt. „Da sie L. kannten, wurde er in die Gruppe 8.2. hinzugefügt.“ Zwei Wochen vor dem Treffen am 8. Februar habe Teutonico L. plötzlich entfernt. U. habe Teutonico dann angerufen, was da los sei, und der habe erwidert: „Ist alles schon geklärt.“

B2: „Wo ist Ihre Gruppe mit Teutonico zusammengetroffen?“

U.: Nach einigen Rednern, unter anderem Dominik R. und Carsten J., habe die „L.-Gruppe“ an einem Pavillon gesessen und etwas getrunken und gegessen. U. sei dann zu Teutonico und Tony E. gegangen, 50 Meter weiter hätten Ralf N. und seine „Bruderschaft“ gestanden.

Werner S. und sein rechtes Netzwerk

B2: „War das ein zufälliges Zusammentreffen?“

U.: Er habe gesagt, man könne quatschen. „Ich fahre als Gast mit der Gießener Gruppe, ich werde da nicht mit euch laufen. Aber wir sehen uns vorher, dann reden wir mal.“ Das sei kein offizielles Zusammentreffen beider Gruppen gewesen. Beide hätten sich schon vor U.s Zeit gekannt. Sie hätten sich in Berlin eigentlich treffen wollen, aber Teutonico sei „von einem Handschlag zum anderen gegangen“ und habe viele Leute gekannt. [Werner S. lacht und schüttelt den Kopf.] Frank H. sei ebenfalls dort gewesen.

B2: Ob es in Chatgruppen einen offiziellen Aufruf zur Teilnahme am Berliner Aufmarsch gegeben habe?

U.: Bejaht, sowohl für Marion G.s Gruppen als auch für die von Werner S. Tony E. und Werner S. hätten dazu aufgerufen, Fahrgemeinschaften zu gründen.

 

Wer war am 3. Oktober 2019 in Berlin?

 

B2: „Die spannende Frage für uns: Wer hat teilgenommen?“

U.: Zählt auf: Johnny L. und die Gießener Gruppe. L.s Frau Claudia und sein Sohn. Die blonde Frau, die ihn am Heidelberger Bahnhof abgeholt habe. Und Peter P. [U.s ehemaliger Bergwachkollege]. Und Klaus J. aus Hundshausen. Die anderen würden ihm gerade nicht mehr einfallen, die habe er aber alle schon in anderen Verhören benannt. Von der Gruppe Teutonico seinen Teutonico selbst, Tony E., Frank H., Sergeant at Arms [Marcel W.], Ralf N. und noch drei oder vier weitere Personen, die U. bereits benannt habe, nach Berlin gekommen. Sie alle hätten fast identische Freundeslisten auf Facebook gehabt.

B2: Fordert U. auf, Fotos durchzuschauen und zu sagen, ob er die Person auf der Demonstration in Berlin gesehen habe.

U.: Auf Bild 1 erkennt U. ein „Vikings“-Mitglied [vermutlich Steffen B., der tatsächlich vor Ort war], von dem er gehört habe, dass er vor Ort gewesen sei, den er aber selbst nicht gesehen habe, ebenso wie Nr. 5 [Stefan K., der ebenfalls an der Demo teilnahm]. Tony E., Frank H., Werner S. und der „Sergeant“ [Marcel W.] seien vor Ort gewesen. Die Personen mit den Nummern 2 [Michael B.], 6 [Markus K.], 7 [Thomas N.], 8 [vermutlich Ulf R.], 12 [Wolfgang W.] und 13 [vermutlich Thorsten W.] habe er nicht gesehen.

B2: „Wer war noch eingeladen, kam aber nicht?“

U.: Am 3. Oktober seien alle bekannten Gruppen dagewesen.

B2: Zeigt U. weitere Fotos von 22 „relevanten Personen“, die nicht zu den Beschuldigten gehören würden.

U.: Davon seien nur Marion G. (Nr. 9) und Ralf N. (Nr. 16) dort gewesen. Oliver K., der auf dem Foto Nr. 10 abgebildet sei, habe er in Berlin nicht gesehen. Unsicher ist er sich bei Nr. 11, einer Person von der „Bruderschaft“ mit einem Tattoo am Hinterkopf, die in Berlin sehr martialisch in Richtung Antifa aufgetreten sei. [Vermutlich ist Kai K. aus Düsseldorf gemeint]. Auf Bild 12 erkennt er Richard L. [nach Kai K und Ralf N die dritte Person im Düsseldorfer BSD-Führungstrio], den er aber in Berlin nicht gesehen habe.

B2: Bittet, eine der „relevanten Personen“ mit einer Person auf einem Gruppenfoto zu vergleichen. [vermutlich einer der Hamburger, die beim Mindener Treffen verhindert gewesen sein sollen] Ob das dieselbe Person sei?

U.: Das könnte sein.

 

Werner S., Tony E. und Ralf N.: ein vertrauter Kreis?

 

B2: „Hatte Ralf N. direkten Kontakt zu Teutonico?“

U.: Bejaht.

B2: „Und worüber haben sie gesprochen?“

U.: Das habe er nicht gehört, weil er 50 Meter weit weg gestanden habe.

B2.: Wie lange das Gespräch gedauert habe?

U.: Schätzt ungefähr 5 bis 10 Minuten. Sie hätten dabei vertraut gewirkt.

B2: Woran U. diese Vertrautheit festmache?

U.: An der Begrüßung mit Umarmungen links und rechts. So habe Ralf N. auch Tony E. begrüßt. Der müsse Ralf N. näher kennen, schließlich habe E. ein gutes Wort für ihn (U.) bei N. eingelegt. Nur dadurch sei U. überhaupt „so schnell da reingekommen“, die müssten sich also schon länger kennen.

B2: „Wer hat die Anreise der Gruppe S. geplant?“

U.: Federführend dafür seien wahrscheinlich Teutonico und Tony E. gewesen. Nur U. habe vorher übernachtet wegen der langen Anreise aus Baden-Württemberg. Als Fahrtkosten hätten alle aus Gießen 50 Euro an Peter P. gegeben, für Essen und Trinken bei Johnny L. habe er nichts bezahlen müssen.

 

U.: In Berlin wurden keine Anschläge besprochen

 

B2: Ob U. an der Organisation der Demonstration beteiligt gewesen sei?

U.: Verneint.

B2: Ob beim Aufmarsch Alkohol getrunken worden sei?

U.: Verweist auf das Whiskeytrinken von L. und sich am Vorabend. Danach habe man Bier getrunken. L. habe auch für die Fahrt Bier mitgenommen. U. habe in Berlin Bier getrunken. Von der „Gruppe S“ könne er nicht sagen, ob jemand getrunken oder Drogen konsumiert habe.

B2: „Gab es Personen, die erkennbar alkoholisiert waren?“

U.: Verneint.

B2: „Wurden in Berlin Anschlagspläne thematisiert?“

U.: Nein. Teutonico habe gesagt, sein Ziel seien neue Bekanntschaften für die Gruppe. Also weitere „Aktive“ zu finden. Nach dem Hummelgautsche-Treffen habe man sich noch einmal persönlich bei einer Aktion sehen wollen. Anschläge seien anders als an der Hummelgautsche in Berlin nicht besprochen worden. „Das waren zu viele Leute drumrum“, da habe man solche Themen nicht besprechen können.

B2: Fragt, ob man in Berlin Geld gesammelt oder über Waffen gesprochen habe.

U.: Nein, und abgesehen von den Sandhandschuhen habe niemand Waffen dabeigehabt. Die „Bruderschaft“ beispielsweise würde natürlich sofort kontrolliert [vermutlich wegen des uniformen Auftretens]. Auch in Mönchengladbach habe man nicht über Waffen oder Geld gesprochen. „Da sind zu viele Ohren.“

 

Marion G. soll sich in Berlin erneut ausgeschlossen gefühlt haben

 

B2: Fragt, ob U. weitere Einzelgespräche wahrgenommen habe.

U.: Teutonico und Tony E. hätten mit Frank H., später mit Ralf N. und anschließend mit U. gesprochen. Der mit dem Chatnamen „Ansgar“ sei auch in Berlin gewesen und hätte mit ihnen gesprochen. Außerdem Marion G., die sich „etwas aufgeregt“ hätte, da er sie alleine gelassen habe an diesem Tag, also sie alleine habe gehen müssen.

B2: Fragt, ob Personen angereist seien, aber nicht mit dem Aufmarsch gekommen seien.

U.: Verneint.

B2: „Wer war Organisator der Demonstration?“

U.: Benennt Dominik R. „und die Organisatoren aus Gladbach“. Werner S. und Johnny L. hätten mit den Organisatoren nichts zu tun gehabt. Sie seien aber „sehr eng befreundet“. Auch U. selbst sei auf Facebook mit Dominik R. befreundet. Auf dem Plakat von R. seien die „Bruderschaft“ und „ESLR“ als „wir sind dabei“ aufgeführt worden. An der Organisation selbst sei Johnny L. nicht beteiligt gewesen; er selbst U.)., E. und Teutonico ebenfalls nicht, ihnen sei es ja nur um Kontakte gegangen, nicht um „die Sache der Demonstration“.

U. [schweift ab]: Er selbst sei auch bei „Frauen für Kandel“ gewesen. Dort sei das erste offizielle Treffen mit der „Bruderschaft“ gewesen, man sei dann von der Demonstration zusammen in ein Café gegangen.

 

„Wenn wir euch sehen, töten wir euch“

 

B2: Fragt nach besonderen Vorkommnissen in Berlin.

U.: Die „Bruderschaft“ sei der Presse und der Antifa gegenüber sehr aggressiv aufgetreten und habe Parolen wie „Ein Strick, ein Pressegenick“ gerufen. U. selbst habe nicht gegen die Antifa geschimpft, sondern habe den Linken „wie die Queen“ zugewunken. Einer von „Odins Erben oder Rache oder wie auch immer“ habe ihn für diese Coolness gelobt, einige andere Rechte hätten es U. nachgemacht. Die Antifa habe sich darüber sehr aufgeregt. Ralf N. habe sehr aggressiv gerufen. „Wenn wir euch sehen, töten wir euch“ oder so ähnlich. [Die von großen Teilen der BSD skandierte Parole lautete: „Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot.“] U. habe dann kritisiert, dass die Polizei solche Leute nicht raushole, aber man habe ihm erklärt, die Polizei habe wohl keine Lust, sich für die Festnahme eines Einzelnen mit der ganzen Gruppe anzulegen.

B2: Fragt, ob aus den Gruppen um Johnny L. und Teutonico verbotene Symbole oder der Hitlergruß gezeigt worden seien?

U.: Aus Johnny L.s Gruppe habe das niemand getan, aber aus der „Bruderschaft“ sei mehrmals der Hitlergruß gezeigt worden. U. selbst habe sich zurückgehalten, da er ja für die beiden jüngeren Mitglieder verantwortlich gewesen sei. L.s Gruppe habe sich einer Aufforderung L.s entsprechend ebenfalls anständig verhalten.

B1: Reicht U. Fotos von der Demonstration und fordert ihn auf, die Personen zu benennen und Gruppierungen zuzuordnen.

U.: Erkennt einen Mann von den „Vikings“ und der „Gruppe S“, der auch zum Treffen in Minden gekommen sei. U. Bemängelt die schlechte Bildqualität. Ansonsten benennt U. Teutonico, Tony E., Thomas N. sowie eine Person der „Gruppe S“, die schon beim ersten Treffen hätte dabei sein sollen.

 

Gruppenfotos am Brandenburger Tor

 

Zum Abschluss des Punktes „Berlin-Demonstration“ legen die Beamten U. mehrere Fotos vor, aufgenommen offenbar nach der Demonstration am Brandenburger Tor. U. betont mehrfach, dass er nicht mit den Leuten um Werner S., sondern mit den Gießenern unterwegs gewesen sei, um dann festzustellen, dass er selbst auf einem der Gruppenfotos (mit ESLR-Kapuzenpullover, Sonnenbrille und einem Kaffee in der Hand) abgebildet sei.

Da die Prozessbeobachtung die Bilder nicht einsehen kann, macht es keinen Sinn, diesen Teil zu protokollieren. Letztendlich kann U. nur wenige (und keine bisher noch nicht genannten) Personen namentlich benennen. Ihm fällt jedoch auf, dass er selbst auf einem der Gruppenfotos zusammen mit Thomas N. zu sehen ist und sich nun erklären kann, wieso N. ihn schon vor dem Mindener Treffen gekannt habe. Er (U.) habe N. damals aber überhaupt nicht wahrgenommen.

Auf einem weiteren Foto (vermutlich ein Foto der laufenden Demo) erkennt U. Ralf N., Werner S., sich selbst, Peter P. von der „Gruppe Johnny L“ sowie Frank H. Bei Marcel W. ist er sich nicht sicher.

Die aufgezeichnete Vernehmung endet um 15:24 Uhr am 16. April. Am 17. April sollte es mit dem Thema Minden weitergehen. U. bestätigt noch einmal, er fühle sich noch immer wohl und könne der Vernehmung folgen. Es sei nur schwierig, all die Personen und Gruppen zuzuordnen.

 

RA Herzogenrath-Amelung: Die Berliner Demonstration ist für die Anklage irrelevant

 

Der VR gibt wieder die Möglichkeit, sich zum Video zu äußern. RA Herzogenrath-Amelung beginnt: Laut Anklage habe am 3. Oktober ein weiteres Treffen der „Gruppe S“ stattgefunden. Die Gruppierung sei aber keine, sondern nur ein Konstrukt der Staatsanwaltschaft. Anwesend seien bei der Demonstration in Berlin nur acht der mutmaßlichen Mitglieder gewesen. U. habe gesagt, über Waffen oder Geld sei nicht gesprochen worden, also sei das für das Verfahren irrelevant.

RA Berthold, Verteidiger von Michael B., bedankt sich „für die Einführung des auch entlastenden Augenscheinmaterials“. Verschiedene rechte Gruppen hätten sich in Berlin getroffen, auch einige Personen von der Hummelgautsche seien dort gewesen. Einige, einschließlich U., seien leicht bewaffnet gewesen, „aber weit weg von einem Umsturz oder Anschlagsplänen“. Sein Mandant Michael B. sei nicht bei der Demonstration gewesen.

RA Siebers, Verteidiger von Werner S., betont, U. habe gesagt: „Da gab es in Berlin noch keine Gruppe Werner S.“

 

RAin Rueber-Unkelbach: Weshalb ließ die Polizei U. ziehen, obwohl er unerlaubt eine Schusswaffe dabeihatte?

 

RAin Rueber-Unkelbach, Anwältin von Wolfgang W., sagt, sie wolle das Augenmerk auf den Anfang des Videos zum Geschehen am Heidelberger Bahnhof lenken. U. habe dort offenbart, dass er eine Umarex mit acht Schuss mit sich führte. Im Gespräch danach habe U. laut eigener Aussage den Polizisten gesagt, er sei in Erlaubnis des BKA unterwegs zu einem Treffen, und habe ihnen Mails gezeigt. Die Polizisten hätten U. die Waffe abgenommen, hätten U. dann aber weiterreisen gelassen. Und das trotz U.s bewaffneter Geiselnahme [1996]. „Das muss man erstmal hinkriegen.“ U. habe es geschafft, die Beamten für sich einzunehmen. Er habe also einerseits ein „übersteigertes, krankhaftes Geltungsbedürfnis“, andererseits aber auch die Fähigkeit, „sich in brenzligen Situationen noch so eloquent darzustellen, dass er weiterreisen kann“. U. würde es gelingen, seine Gesprächspartner zu manipulieren. Das zeige narzisstische Persönlichkeitsanteile. Das Whiskey-Ritual mit Johnny L. bezieht die RAin auf U.s Alkoholkrankheit „schon in jungen Jahren“. Er habe eine Polytoxomanie [Konsum mehrerer Drogen]. Ein Urteil wolle sie sich nicht anmaßen, darüber werde der Sachverständige Winckler mehr sagen können. Sie überlege, die Akten aus Heidelberg zum unerlaubten Waffenbesitz beiziehen zu lassen.

RA Picker, Verteidigung von Marcel W., lenkt das Augenmerk auf zwei Punkte. Erstens bezeichne sich U. selbst als Spitzel. Er fühle sich im Rahmen seiner Stellung recht wohl, das sehe man an seiner Körpersprache. Aus der Psychologie sei bekannt, dass auf Vertrauenspersonen eine Selbsterwartung laste.  Zweitens habe U. „einfach mal behauptet“, mehrmals Marcel W. eindeutig gesehen zu haben. Der könne aber gar nicht in Berlin gewesen sein. Das entsprechende Alibi werde die Verteidigung zu gegebenem Zeitpunkt führen. Auch die Anklage gehe offenbar davon aus, dass W. nicht anwesend war, sie führe ihn nämlich nicht als Demonstrationsteilnehmer auf.

RAin Schwaben, Verteidigung von Markus K., geht ebenfalls auf die Polizeikontrolle am Heidelberger Bahnhof ein und will wissen, was U. dort vorgezeigt habe. Bei dessen Vorgeschichte und dieser Straftat stehe fest, „dass das nicht einfach ein Durchgehenlassen ist“. Die kontrollierenden Beamten hätten U. seine „unglaubwürdige, dreiste Ansage“ [er müsse dringend zu einem rechtsradikalen Treffen, um Informationen zu beschaffen] nicht geglaubt, bis er die E-Mails vorgezeigt habe. Darum interessiere sie sich sehr für diese Korrespondenz und halte das für aufklärungsbedürftig. „Daraus würde sich womöglich ja auch ergeben, dass er einen Auftrag hatte, oder eben auch nicht.“

 

Thomas N. gerät in Rage und bricht sein Schweigen: U. habe versucht, die Gruppe anzustacheln

 

Plötzlich ruft Thomas N. empört in sein Mikrofon, U. sei ihm in Berlin zum zweiten Mal aufgefallen. Als er ihn in Baden-Württemberg kennengelernt habe, habe U. sich vorgestellt mit: „Ich bin derjenige, der  Moscheen in die Luft jagt und die Polizisten töten wird.“ N.s Verteidiger Sprafke versucht seinen Mandanten durch energische Gesten zu vermitteln, nichts mehr zu sagen. N. jedoch lässt sich nicht aufhalten und spricht weiter: In Berlin habe Thomas N. U. an einer Ecke getroffen, bei der Linke „Pisse auf uns runter“ geschüttet hätten. U. habe daraufhin gesagt: „Wir gehen abends vorbei und machen die [Linken] fertig.“ N.s Anwälte versuchen weiterhin, ihn zu bremsen. Der beendet seine Rede mit: „Das ist die Wahrheit! Und das hatte ich Ihnen [unklar ob der GBA oder Polizei] letztes Jahr schon gesagt. Das weiß auch die russische Seite [Was auch immer das meint. Vermutlich seinem Reichsbürger-Verschwörungsdenken entspringend]. Was soll das?“ Seine Anwälte versuchen, ihn mit Rufen zu stoppen oder zu übertönen. Der VR entzieht ihnen das Wort und will N. die Gelegenheit geben, zu Ende zu sprechen. Doch der sagt, er sei schon fertig. Daraufhin unterbricht der VR die Verhandlung von 10:46 bis 11:15 Uhr.

Nach der Pause spielt der VR den ersten Abschnitt des Vernehmungsvideos vom 17. April 2020 vor, das um 7:58 Uhr einsetzt.

B1: Belehrt U. erneut über seine Rechte. Er fragt, wie das von U. angekündigte Telefonat mit seinem Verteidiger gelaufen sei.

U.: Der habe ihm geraten, weiterhin Angaben zu machen. Wegen seiner vielen Kontakte [bezüglich der Corona-Pandemie] wolle der Verteidiger nicht kommen, halte es auch weiterhin nicht für nötig. Am Abend wolle U. ihn noch einmal anrufen und ihm vom Verhör berichten.

 

Bundeswehr-Fallschirmjägerwesten für Neonazis?

 

B1: Fragt nach dem Hummelgautsche-Teilnehmer, der U. zufolge eine Schussweste trug.

U.: Das sei Wolf [Wolfgang W.] aus Koblenz, der auch zum Treffen in Minden gekommen sei. Von dort sei U. mit ihm bis Koblenz zurückgefahren. Er habe an der Hummelgautsche eine Bundeswehr-„Kampfhose“ und -Stiefel sowie eine „Fallschirmjäger-Weste mit Spezialklappen“ getragen. Wolf sei Fallschirmjäger gewesen, und er habe gesagt, sein Sohn sei jetzt noch bei den Fallschirmjägern und könne „jederzeit an die Westen kommen“. Auf dem Foto von der Hummelgautsche sei Wolf nicht, weil er zu spät gekommen sei.

B1: Ob man zur Übung oder als Test auf solche Westen geschossen habe?

U.: An der Hummelgautsche sei nicht geschossen worden. Wolf habe aber gesagt, darin seien „extra Platten, die dann größere Kaliber“ abhalten würden.

B1: Hakt zu U.s gestriger Aussage über einen der Anwesenden an der Hummelgautsche nach, der angeblich eine Waffe dabeihatte. „Haben Sie sie gesehen oder nicht?“

U.: „Er hat gesagt, er hat die Waffe dabei.“ Die habe er vorne in seinen Kapuzenpulli gesteckt und eine Andeutung dazu gemacht. U. selbst habe die Waffe aber nicht gesehen. Jemand habe aber gesagt, „der ist dafür bekannt“, Waffen zu haben.

 

Vor Minden sollen zwei geplante Treffen geplatzt sein

 

B1: Leitet über zum Treffen in Minden. „Was war der Grund des Treffens?“

U.: Vor Minden seien zwei weitere Treffen geplant gewesen, doch beide seien wieder abgesagt worden. Das erste davon hätte bei Tony E. stattfinden sollen, das sei einen Tag vorher über die Chats und Anrufe abgesagt worden, weil Teutonico nicht habe kommen können.  Tony E. wohne „irgendwo in der Lüneburger Heide“. Dieses Treffen hätte bei Thomas N. In Minden stattfinden sollen. Der habe ihm damals angeboten, wegen der langen Anreise einen Tag vorher zu kommen.  U. sei dann bereits auf dem Weg im ICE gewesen und habe in Wuppertal die Absage per Telefon bekommen. Teutonico habe in einem 53 km langen Stau gestanden und hätte es nicht rechtzeitig geschafft. Teutonico habe angeboten, man könne ihn über Skype zuschalten, aber alle hätten abgelehnt. U. habe dann sofort das LKA über die Absage informiert, mit dem er bereits vor dem ersten Treffen gesprochen habe. Dann habe er bei Timo P., einem Freund in Hagen, übernachtet.  Der habe „mit den Gruppen nichts zu tun“. Sonntagabend sei er dann zurück nach Hause gefahren. U. wäre beim zweiten Treffen, hätte es nicht abgesagt werden müssen, nicht direkt nach Minden gefahren. Geplant gewesen sei, Kai [Kai K.], den Gründer der „Bruderschaft“, und Richard L. in Düsseldorf zu treffen und gemeinsam mit ihnen nach Minden zu fahren.  Von Ralf N. habe er Richard L.s Telefonnummer Nummer bekommen. Ralf N. habe nicht kommen können, sei aber in den Chats „Besprechungszimmer'' und „8.2.“ gewesen. U. habe dann Ralf angerufen und abgesagt. Dabei habe U. sich beschwert, da er mit seinem Hartz-IV die Tickets für die sinnlose Bahnreise habe kaufen müssen. N. Habe daraufhin Teutonico angerufen „und Luft abgelassen“. Es könne nicht sein, dass „ständig Treffen verschoben werden“. Teutonico habe N. versprochen, einen neuen Termin zu suchen. Daraufhin habe er den 8. Februar festgelegt.

 

„Bei Brot, Wein und Spielen über Krieg sprechen“

 

B1: Fragt nach dem Grund des Treffens.

U.: Der sei gewesen, dass die von Teutonico ausgewählten Leute „ganz klar über Anschläge, über Handlungen“ sprechen sollten. [Werner S. lacht.] In einem Chat habe Teutonico gesagt: „Bei diesem Treffen wird bei Wein, Brot und Spielen über Krieg gesprochen. Wer dazu nicht bereit ist, bitte fernbleiben.“ Das hätten also alle gewusst – außer Thorsten W. und Ulf R.: „Die waren auf einmal da, die hat Thomas N. selbst eingeladen. Die kannte keiner.“ Aber in der Gruppe sei allen klar gewesen, worum es gehen sollte.

B.: „Wurde konkret gesagt, dass beim Treffen Waffenkäufe oder Anschlagspläne besprochen werden sollten?“

U.: Nein, so konkret habe das niemand geschrieben. Aber Teutonico habe U. am Telefon gesagt: „Bei diesem Treffen geht es darum, endlich zu handeln.“ Er habe immer gesagt, „Es muss dieses Jahr was passieren, und es wird auch was passieren.“ Und dass er es leid sei, nur auf Demonstrationen zu gehen.

 

U., das Sprachrohr von Ralf N. und seiner „Bruderschaft Deutschland“

 

B1: Fragt, ob U. vor dem Treffen mit anderen darüber gesprochen habe?

U.: „Es wurde [in den Chats und Telefonaten] natürlich nicht gesagt, wir sprechen über Geld und Waffen“, das sei erst in Minden konkretisiert geworden. Aber bei dem Satz [über Wein, Brot und Spiele] sei das klar gewesen. Auch mit Thomas N. habe U. darüber gesprochen. Ralf N. habe am 8. Februar wieder nicht gekonnt. U. habe sich erneut als dessen Sprachrohr angeboten, was N. angenommen hätte: „Super, dann müssten Kai und Richard nicht kommen. Es reicht ja, wenn du da bist.“ Ralf N. habe Teutonico und Tony E. dann darüber informiert, dass U. in seinem Auftrag zum Treffen komme.

B1: Fragt, warum das Treffen ausgerechnet in Minden stattfinden sollte?

U.: Das wisse er nicht. Thomas N. habe sich darüber geärgert, dass sogar er selbst als Gastgeber erst eine Woche vorher erfahren habe, dass das Treffen bei ihm stattfinden würde. Die anderen hätten erst ein oder zwei Tage vorher den Ort erfahren.

 

Werner S. und Tony E.: Doppelspitze oder Anführer und rechte Hand?

 

B1: „Wer war für das Treffen verantwortlich?“

U.: „Teutonico und Tony E.“

B1: „Stehen Teutonico und E. auf einer Stufe?“

U.: Es habe keinen Konkurrenzkampf oder Machtkampf gegeben. Teutonico sei klar der Kopf gewesen und E. seine rechte Hand. Über Probleme hätten die beiden sich telefonisch ausgetauscht.

B1: „Wenn Teutonico etwas gesagt hat, war das das bindende Wort?“

U.: Teutonico habe nicht wie ein Diktator über alle bestimmt, sondern die anderen mit einbezogen. Beispielsweise beim Angebot, das Mindener Treffen auch ohne ihn zu veranstalten. Teutonico habe aber nicht immer allen alle Informationen gegeben, beispielsweise wann und wo ein Treffen geplant gewesen sei.

B1: Hakt nach, ob E. und S. eine Doppelspitze bilden würden.

U.: Wiederholt, Tony E. sei Teutonicos rechte Hand.

B1: Er sehe einen Widerspruch zwischen „rechte Hand“ und „auf Augenhöhe“.

U.: Rechte Hand bedeute für ihn Stellvertreter. „Es gab immer einen Austausch zwischen den Beiden, auch ohne uns. Die waren immer auf Augenhöhe.“

 

Wurden nach Minden KSK-Soldaten eingeladen?

 

B1: „Wer hat die Leute nach Minden eingeladen?

U.: Das habe Teutonico getan. U. habe nicht gewusst, wer eingeladen gewesen sei. In der Gruppe „8.2.“ seien mehr Personen gewesen, als zum Treffen gekommen seien. 16 seien eingeladen worden, 13 seien aber nur gekommen.

B1: Legt U. eine Liste der Beschuldigten vor und fragt, wer beim Treffen in Minden gewesen sei.

U.: Bestätigt 12 von 13 Personen, nur zum Bild von Michael B. kann er nichts sagen. [Er war nicht da.]

B1: „Wer war eingeladen, aber kam nicht?“

U.: Für den 8. Februar sei ein ehemaliger Fremdenlegionär mit Diplomatenstatus angekündigt gewesen. Und der ehemalige Personenschützer, den er in Berlin gesehen habe. Und einer von drei oder vier angeblichen ehemaligen KSK-Soldaten aus der Gruppe „Der harte Kern“ [Chatgruppe von Marion G.]. Der habe aber aus persönlichen Gründen nicht kommen können.

B1: „Haben Sie die jemals persönlich gesehen?“

U.: Den Hamburger Personenschützer habe er ja in Berlin gesehen, aber nicht gesprochen. Einem der KSK-Soldaten habe Teutonico geschrieben: „Du wärst interessant für uns, lass uns mal über PN sprechen.“

B1: Fragt, ob diese drei über die Ziele der „Gruppe S“ Bescheid gewusst hätte. Und wenn ja, ob sich U. 100-prozentig sicher sei.

U.: „Ja.“ [ohne das näher zu belegen.]

B1: „Haben diese Männer die Ziele der ‚Gruppe S‘ aktiv unterstützt?“

U.: Das wisse er nicht.

B1: Reicht ihm (offenbar 22 Fotos) und sagt U., er soll die drei Personen darauf suchen.

U.: Auf ihm vorgelegten erkenne er nur (Nr. 4) „den aus Hamburg“ [vermutlich ist der angebliche ehemalige Personenschützer gemeint] wieder, ansonsten niemanden. Und die „Nummer 6“ käme ihm bekannt vor.

Merkt an, dass er in geposteten KSK-Einsatzvideos niemanden habe erkennen können wegen der Kampfmontur.

 

Die „BRD GmbH“

 

B1: „Haben Sie sich an der Organisation des Treffens beteiligt?“

U.: Nein, er habe nur deswegen früher vom Ort des Treffens erfahren, weil er sein Zugticket früh kaufen wollte.

B1. „Sie waren schon einen Tag vorher da.“ Was U. dort getan habe?

U.: Er habe am Vorabend gesagt, dass es „ans Eingemachte gehen“ würde. Man habe auch über Reichsbürger und die „BRD GmbH“ [Verschwörungsmythos] gesprochen.

B1: „Wurde während des Treffens Alkohol getrunken?“

U.: Teutonico und Tony E. hätten gesagt, vor und während des Treffens sollte kein Alkohol getrunken werden. Erst danach in der Kneipe habe man zum Essen etwas getrunken.

B1: Erkundigt sich, ob U. selbst in Minden Alkohol getrunken habe.

U.: Er habe sich am Abend zuvor mit den anderen Anwesenden mit Met und Bier „weggeschossen“. Da er die Nacht zuvor wenig geschlafen habe und schon früh sehr betrunken gewesen sei, habe er sich schon gegen 20 Uhr schlafen gelegt.

 

Wurde in Minden schon am Vorabend über Anschläge gesprochen?

 

B1: Fragt, ob U. sich mit Markus K. über Anschläge unterhalten habe?

U.: „Nein, aber ich habe gesagt: Wir wissen, morgen kommen die Fakten auf den Tisch.“ Teutonico habe angekündigt, er würde in Minden „preisgeben, was er geplant hat“. [Werner S. schüttelt den Kopf.]

B1: Ob Markus K. gesagt habe, ob er sich an etwas beteiligen wolle?

U.: K. habe sich vor allem für Reichsbürgertum interessiert. U. habe ihn gewarnt, dass das die anderen mit Blick auf die der Anschläge – das Wort sei so gefallen – nicht interessieren dürfte. Man habe gewusst, „dass es um Anschläge geht, aber nicht, um was konkret“. U. habe Markus K. in Minden das erste Mal gesehen.

B1: „Haben Sie mit Herrn K. über Waffen- oder Geldbeschaffung gesprochen?“

U.: „Nein.“

B1: „Welche Erwartungen an das Treffen haben Sie geäußert?“

 

„Schatz, es kann sein, dass mal der Tag kommt, an dem ich abends nicht mehr nach Hause komme.“

 

U.: „Ich habe natürlich, wie auch in den meisten Chats, um nicht aufzufallen, gesagt: Für mich ist klar, wir kriegen morgen gesagt, um was es geht. Mir soll‘s recht sein, ich bin bereit zu sterben.“ Thomas N. habe dann gesagt, er auch, das habe er seiner Frau auch schon gesagt: „Schatz, du weißt ja, es kann sein, dass mal der Tag kommt, an dem ich abends nicht mehr nach Hause komme.“

B1: Welche hohen Erwartungen K. an das Treffen gehabt habe?

U.: K. habe ihm, U., einen Zettel [vermutlich ein Flyer mit Reichsbürger-Bezug] gegeben. Und K. habe auch gesagt, dass Teutonico endlich sagen würde, worum es gehen sollte.

B1: „Hatten N. und K. auch eigene Vorschläge für das Treffen?“

U.: „Nein.“ Weil ihm das mit den Reichsbürgern „auf die Nerven ging“, habe er gesagt, man sollte einfach abwarten, morgen werde man ja alles erfahren.

 

Probe-Bruderschaftler U. und seine Prokura

 

B1: „Wurde an diesem Vorabend auch über die ‚Bruderschaft‘ gesprochen?“

U.: Bejaht. Markus K. habe gesagt: „Paul, ganz ehrlich, nichts gegen dich, das zeichnet dich ja aus, dass du in seinem [Ralf N.s] Namen sprichst. Aber du bist nur auf Probe [in der ‚Bruderschaft‘].“

B1: „Haben Sie mit Herrn. N. über Ihre Position innerhalb der ‚Bruderschaft‘ gesprochen?“

U.: Er habe Thomas N. gesagt, er habe den Auftrag von Ralf N., für die „Bruderschaft Deutschland“ in Absprache mit Kai zu sprechen. Auch in Sachen Vereinigung der Gruppen „Wodans Erben“, „Vikings“ und die „Bruderschaft Deutschland“. Diese Vollmacht habe Ralf N. auch Teutonico und Tony E. bestätigt.

B1: Fragt, mit welcher Kompetenz Ralf N. U. ausgestattet habe bzw. was U. in N.s Namen hätte zusagen dürfen.

U.: Er habe von N. „völlig freie Handlungsfähigkeit“ zugesagt bekommen, obwohl er nur Probemitglied gewesen sei. „Abgesegnet“ auch von Kai, Richard L. und Peter O.

B1: Fragt, ob das auch Unterstützungszusagen der „Bruderschaft“ an die „Gruppe S“ beinhaltet hätte. Beispielsweise finanzielle Unterstützung.

U.: Bestätigt da. Sein „Freibrief“ habe auch beinhaltet, zuzusagen, dass Ralf N. bei „Hit- und Run“-Aktionen dabei sei, also rein in die Moschee und wieder raus. Darüber, was ansteht, habe N. ja vorher mit Teutonico gesprochen. N. habe ihm zugesichert: „Du kannst frei in meinem Namen für mich sprechen.“ Das habe U. getan und gesagt: „Ralf N. ist dabei bei den Anschlägen.“ In dessen Namen habe er auch die 5.000 Euro [für Waffenkäufe] zugesagt. Ralf N. habe ihm den „Freibrief“ am Telefon und per Chat erteilt.

B2: Fragt, ob weitere Personen der „Bruderschaft“ bekannt seien, die dabei gewesen wären.

U.: „Nein“

 

Die „Sektion Süddeutschland“ soll verärgert über U.s Macht gewesen sein

 

U.: Berichtet, dass er die Info mit seiner Vollmacht an Teutonico und Tony E. weitergegeben hätte. Und auch an die „Sektion Süd“, deren Führung – Patrick M., Präsident der „Sektion Süddeutschland“ und sein Stellvertreter „Stöpsel“ [Stefan M.] – ziemlich „angepisst“ gewesen seien, dass er als Probemitglied für die „Bruderschaft“ sprechen dürfe, hätten das aber akzeptiert.

B1: Die „Bruderschaft Sektion Süddeutschland“ habe also vom Treffen in Minden gewusst?

U.: Bejaht. „Von mir und Ralf N.“ Der „Sektion Süd“-Führung sei das Stattfinden des Mindener Treffens also bekannt gewesen. Auch um was es dort ginge. Beim nächstfolgenden Süd-Treffen habe „Stöpsel“ die Runde informiert, dass der Paul am 8.2. nicht wie geplant mit zum C18-Konzert nach Frankreich käme, sondern als Beauftragter von Ralf N. zu einem Treffen müsste, also entschuldigt sei.

B1: Fragt, ob Ralf N. U. irgendwelche Aufträge erteilt habe.

U.: N. habe ihm „absolute Prokura“ ohne Einschränkungen gegeben.

B1: „Warum waren ausgerechnet Sie als Probemitglied dafür ausgewählt?“

U.: Seine Vorgeschichte [21 Jahre Haftstrafe] und dass Tony E. ihn Ralf N. wärmstens empfohlen habe, seien „perfekte Türöffner“ gewesen. Für einige vollwertige Mitglieder der „Sektion Süd“ sei es aber seltsam gewesen, dass U. Ralf N. persönlich kenne: „Einige sind seit Jahren Mitglieder und haben den noch nicht einmal gesehen“, U. als Anwärter hingegen schon. U. selbst habe sich auch darüber gewundert angesichts der strengen Hierarchie in solchen Rocker-ähnlichen Clubs.

 

Warum sollte die „Bruderschaft“ ein Probemitglied als Sprecher zum Treffen schicken?

 

B1: Ihm falle es auch schwer, das nachzuvollziehen. „Könnte das gewesen sein, um Sie zu testen, wie Sie damit umgehen?“

U.: „Kann sein, kann ich mir aber nicht vorstellen“, wegen der Reaktionen von Teutonico und Tony E. Und auch von Stöpsel und Patrick N.

B1: Würde ein Prospect von den Hells Angels zu einem wichtigen Treffen geschickt, würden sich dort alle totlachen. [Einige der Angeklagten nicken, lachen und zucken mit den Schultern.] „Und Sie waren da so anerkannt?“

U.: Tony E. habe ihm geraten, U. solle nicht für die „Bruderschaft“, sondern nur im Namen von Ralf N. sprechen.

B1: Es habe also in Minden eine Diskussion um U.s Sprecherrolle gegeben, also ob U. für sich selbst und Ralf N., nicht aber für die „Bruderschaft“ spreche?

U.: Bestätigt das. Seine Vollmacht sei ja auch von Kai [K.], Richard L. und Peter O. abgesegnet worden. Am 16. [Februar 2020] habe er zum großen Stammtisch der „Bruderschaft Deutschland“ in Düsseldorf fahren sollen. Peter O. hätte organisiert, dass ihn wer von der „Bruderschaft“ vom Düsseldorfer Hauptbahnhof abgeholt. „Und dann so 20 Minuten mit dem Auto.“ Am Rande des Stammtisches habe Ralf N. dann mit ihm unter vier Augen sprechen und detailliert erfahren wollen, was in Minden besprochen worden sei und was U. in seinem Namen zugesagt habe. „Ich habe ja in der High Society der Bruderschaft gehangen.“ U. erwähnt zudem, dass er in der Woche vor dem Stammtisch nach Essen habe fahren wollen, um dort am „Spaziergang“ der „Steeler Jungs“ teilzunehmen und bei einem Essener Aktivisten der „Bruderschaft“ zu wohnen. Auch dass U. zum Stammtisch eingeladen war, habe die „Sektion Süddeutschland“ nicht verstanden.

 

„Nach der Geiselnahme von einem Polizisten bist du sowieso der Held“

 

B1: Fragt, ob U. „so tief drin“ war, um als Probemitglied die Interessen und Positionen der „Bruderschaft“ vertreten zu können.

U.: Ziel der „Bruderschaft“ sei gewesen, „sich entsprechend gewisser Bedingungen zu vereinigen“ mit „Wodans Erben“, den „Vikings“, „Odins Rache“ und „diesen ganzen bekannten Gruppen“.

B1: Woher U. das gewusst habe?

U.: Stöpsel habe ihm das gesagt. Ralf N. habe über einen sicheren Kanal mit Patrick M. und Stöpsel über das Ziel der Vereinigung gesprochen. Dass U. das habe umsetzen sollen, sei für Patrick N. „ein Schlag ins Gesicht“ gewesen. Bis vor dem Treffen sei U.s Verhältnis zu Patrick N. „super“ gewesen, ab da aber sei ihre normale Kommunikation „sehr distanziert“ geworden. Auch ein Beamter der Polizei, der sich auf die „Bruderschaft“ spezialisiert habe, habe nicht verstanden, wie U. ohne richtige Mitgliedschaft so eng in Kontakt mit der Führungsriege stehen konnte.

B1: Das könne er sich eventuell damit erklären, dass U. durch seine lange Haftstrafe hohes Ansehen genieße.

U.: Stimmt zu, ein anderer Grund falle ihm auch nicht ein. Teutonico habe an der Hummelgautsche gesagt: „Respekt vor diesem Mann! Dass du nach 21 Jahren Haft noch so bist, wie du bist.“ Und: „Nach der Geiselnahme von einem Polizisten bist du sowieso der Held.“

 U. erwähnt noch, dass die „Bruderschaft“ „offiziell“ 400 Mitglieder habe, „insgesamt“ seien es 750 Leute.

 

„Es war die Rolle seines Lebens“

 

Nach Ende dieses Videoabschnitts erteilt der VR wieder reihum das Wort für Stellungnahmen. RA Herzogenrath-Amelung beginnt: Es sei auffällig, wie U. seine eigene Bedeutung betone, er führe das auf dessen Ego zurück. „Es war die Rolle seines Lebens.“

RA Berthold fügt hinzu, dass „U. sich geradezu berauscht an seiner Kompetenz.“ Das sei für U. das Wichtigste. Zum Angeklagten Michael B. mit seinen „angeblichen Waffenbau-Fähigkeiten“ habe U. nichts gesagt, sie hätten offenbar bei den Planungen zu Minden keine Rolle gespielt.

RA Mandic sagt, ihm falle auf, dass U. immer wieder die Redewendung anspreche, dass bei Wein und Brot über Krieg gesprochen werden sollte. „Daran hat er besonderen Gefallen gefunden. Weil es viel mehr daraus macht, als eigentlich war.“ Bemerkenswert sei auch, dass die Hälfte der Vernehmung über die vermeintliche Prokura gesprochen worden sei. „Wir reden hier nicht über irgendwelche Konzerne, es sind lose Gruppen.“ Selbst wenn U. eine Vollmacht oder ein okay gehabt hätte, sei er ja nicht der Außenminister, der verbindliche Verträge eingehen könne. Daraus könne nichts entstehen „als ein Haufen Probleme“. Nun seien zahlreiche Leute angeklagt, „die von der Gefährlichkeit des Treffens nichts wussten“, auch nichts über Terrorpläne. Die Beteiligten hätten sich lediglich auf den vermeintlichen Tag X vorbereiten wollen: Dann, wenn es drauf ankommt, wenn die staatlichen Strukturen tatsächlich bröckeln sollten, Leute zu haben, bei denen man sich darauf verlassen könne, dass sie etwas machen. Es sei nicht darum gegangen, dass die Gruppe selbst „diesen nicht wünschenswerten Zustand befeuert“ [also einen Bürgerkrieg selbst auslösen wollte].

RA Grassl, Anwalt von Wolfgang W., sagt nur, das Video zeige U.s Störung seines Selbstbildes und Selbstwertgefühls.

 

Übernimmt U. vorgeschlagene Erklärungen der Polizei und schmückt sie dann aus?

 

RA Picker erklärt, auch in anderen Vernehmungen sei ihm schon eine Fähigkeit U.s aufgefallen: „Immer, wenn es eng wird, bestimmte logische Brüche in U.s Aussagen sind oder Zweifel auftauchen, versucht der Vernehmungsbeamte, ein bestimmtes mögliches Erklärungsmuster vorzuschlagen.“ U schließe sich dem dann jeweils an und schmücke es noch aus. „Das erklärt, dass bestimmte Dinge logisch und glaubhaft rüberkommen, in Wirklichkeit aber mutmaßlich das Gegenteil dessen sind.“

RAin Schwaben sagt, sie müsse RA Mandic widersprechen. Wenn man genauer hinhöre, gerade bezüglich Markus K., werde immer wieder gesagt, „dass Leute zusammenkämen, die sich auf einen Tag X vorbereiten“ hätten vorbereiten wollen. Das sei gerade nicht der Fall gewesen. U. rede viel darüber, dass schon am Vorabend alle gewusst hätten, worum es am Samstag gehen sollte, aber konkreter werde U. nicht. Markus K. habe über die „GmbH Deutschland“ reden wollen, und U. habe ihm davon abgeraten. U. sei nicht nur dort gewesen, um Informationen zu sammeln und weiter an die Ermittler zu geben. Er habe stattdessen „mit einer Massivität eingegriffen“, zum Beispiel, indem er Themen vorgegeben habe. Was eigentlich Thema hätte sein sollen, habe U. nicht ausgesprochen. Einerseits hätten alle angeblich gewusst, was Teutonico geplant habe, andererseits seien alle gespannt gewesen.

Die Verhandlung pausiert von 12:42 Uhr bis 13:58 Uhr.

 

Minden wurde stark observiert

 

Es geht weiter mit dem zweiten Video von U.s Vernehmung vom 17. April 2020 ab 9:21 Uhr. Darin geht es noch einmal kurz um U.s. abendliches Gespräch mit Thomas N. am 7. Februar 2020 und anschließend dann um den 8. Februar 2020 selbst.

B1: „Sie wissen ja sicherlich, dass es da relativ starke Observationsmaßnahmen gab.“

U.: Kurz vor 11 Uhr habe er sich an die Hofeinfahrt gestellt, um die nach ihm Ankommenden einzuweisen. Gegenüber von Thomas N. sei gegen 9:00 Uhr ein grüner Vectra mit Anhänger abgestellt worden. U. habe ihn genauer angeschaut und überlegt, ob darin eine Kamera sein könnte. Er habe vorher zur Polizei gesagt: „Bitte bitte lasst mich bei diesem Treffen nicht alleine.“ Man habe ihm daraufhin versichert: „Wir sind da“, aber keine Details genannt.

B1: „Sollten vor dem Treffen alle Handys eingesammelt werden?“

U.: „Ja, damit man nicht abgehört wird.“ Darin seien sich alle einig gewesen. „Die zwei von den Vikings“ hätten die Handys ins Auto gelegt.

B1: „Gab es konkrete Befürchtungen, man könnte abgehört werden, oder war das eine pauschale Vorsichtsmaßnahme?

U.: Auf der einen Seite habe man immer die Sorge gehabt, man könnte überwacht werden. Gleichzeitig habe man aber zumindest in der „Bruderschaft“ bemerkenswert offen in Chats oder in Telefonaten kommuniziert.

 

Teutonico, der Mindener Wortführer?

 

B1: „Wer hat das Treffen formal eröffnet?“

U.: „Teutonico.“

B1: „Wie hat er das gemacht?“

U.: Man habe an einem gedeckten Tisch gesessen, es habe Mettbrötchen gegeben. Teutonico habe dann allen einen guten Morgen gewünscht. „Schön, dass ihr alle da seid. Wir haben jetzt hier aber zwei Neue, von denen ich nichts weiß“. Das seien Thorsten W. und Ulf R. gewesen. Erst habe sich jeder vorgestellt, dann habe man abgestimmt, ob die beiden Neuen bleiben dürften. Teutonico, Frank H. und er selbst hätten dagegen gestimmt, die Mehrheit sei aber für deren Bleiben gewesen. Thomas N. habe gesagt, er lege für die beiden seine Hand ins Feuer.

B2: „Ist Werner S. ein guter Redner?“

U.: Bejaht.

B1: Gibt U. eine Liste der Beschuldigten. Er soll eine Sitzordnung vom Treffen zeichnen. [Was dann wohl auch geschieht. U. bestätigt alle Beschuldigten außer Michael B. als Anwesende bei dem Mindener Treffen.]

U.: An Michael B. könne er sich nicht erinnern. Weder an sein Foto noch an den Namen.

Als der Beamte U. sagt, er werde Micha genannt, erkennt er ihn doch auf einem Foto von der Hummelgautsche. Als Teilnehmer des Treffens in Minden könne er sich an ihn aber nicht erinnern.

B1: „Wurde der ganze Ablauf von einer Person bestimmt?“

U.: Beim Thema Waffenkauf hätten Frank H. und „der von den ‚Vikings‘“ geredet. Beim Thema Geld Teutonico. Bei der „kurzen Prepper-Einlage“ Ulf R.

B1: Ob es beim Treffen eine Hierarchie gegeben habe?

U.: Ja, Teutonico sei „ganz oben“ gewesen, in Absprache mit Tony E.

B1: Teutonico habe also das Treffen moderiert und einzelne Punkte an die mit der jeweiligen Expertise abgegeben?

U.: Nickt. „Ziel des Treffens war, dass Teutonico das Treffen über seine Ziele informieren wollte“, konkret über Anschläge. S. habe gesagt, sein Vorschlag wäre, Moscheen anzugreifen, und zwar bewaffnet. „Fünf, sechs Moscheen, die etwas abgelegen sind, mit Waffengewalt anzugreifen.“ U. habe dann gesagt: „Ich halte das auch für gut“, aber man müsse eine Woche vorher die Umgebung ausspähen. Teutonico habe dann in die Runde gefragt, wer Waffen habe und wer nicht.

 

Erst der Waffenkauf, dann ein Treffen für die konkreten Anschlagspläne?

 

B1: „Sollte nochmal ein Treffen stattfinden?“

U.: Ja, alles weitere habe man erst besprechen wollen, wenn das Geld für die Waffen gesammelt worden wäre.

B1: Ob man außer Moscheen auch weitere Ziele thematisiert habe?

U.: „Asylantenheime, auch mit Waffen, aber auch mit Benzin, also Brandanschläge“. Ansonsten seien keine Ziele benannt worden.

B1: Ob man in Minden auch über die Personen gesprochen habe, die an der Hummelgautsche genannt worden seien?

U.: Verneint. Man habe sich auf Moscheen konzentriert und nur in der Pause kurz nochmal über Hofreiter und Habeck gesprochen, „aber nicht in großer Runde“.

 

„Auf nichts Rücksicht nehmen“

 

B1: Ob U. das Thema Moscheen selbst eingebracht habe?

U.: Er habe auf das reagiert, was gesagt worden sei. Moscheen seien „schon immer ein Thema gewesen“, das sei ihm nicht neu gewesen. Und: „Ich wusste auch im Vorfeld schon, dass man keine Rücksicht auf Frauen und Kinder nimmt. Ich habe da dann gesagt: ‚Wenn wir da reinmarschieren, dann dürfen wir auf nichts Rücksicht nehmen. Wenn, dann richtig.‘ Und da haben mir alle zugestimmt.“

B1: „Wurde eine konkrete Moschee genannt?“

U.: „Ich habe gesagt, Köln wäre die größte in Deutschland, aber da wäre ja innerhalb von fünf Minuten alles dicht.“ Das habe U. von sich aus gesagt, also nicht auf eine Frage reagiert. Niemand habe darauf reagiert. Teutonico habe gesagt: „Nein, es wäre besser, wenn wir Moscheen suchen, die abgelegen sind.“ Das habe U. bestätigt. Abgesehen davon habe U. zu keinen weiteren Straftaten aufgerufen, auch keine konkrete Moschee als Angriffsziel vorgeschlagen, Köln habe er ja selbst als ungeeignet bezeichnet. Bezüglich der vorgeschlagenen Anschläge hätten der Sergeant at Arms und Markus K. leichte Bedenken geäußert, so etwas könnte man nicht mal so eben schnell planen, dafür bräuchte es mehr Zeit.

 

Wer hatte dem Vorschlag zugestimmt?

 

B1: „Wie haben sich die Teilnehmer des Treffens zu dem Vorschlag geäußert?“ Er reicht U. wieder die Bilder der Beschuldigten.

U.: Steffen B. habe den Vorschlag „abgenickt“. Tony E., Frank H., Stefan K., Thomas N., Werner S., er (U.) selbst, Wolfgang W. und Thorsten W. hätten explizit zugestimmt. Marcel W. hätte eingebracht, man brauche für sowas mehr Zeit, habe dann aber auch klar zugestimmt. Markus K. habe „das so hingenommen“. Ulf R. sei „völlig überfordert“ gewesen. „Das war nicht nur mein Eindruck, auch der von Teutonico: Der ging davon aus, er geht zu einem Prepper-Treffen. Der war am Schwitzen, der war fassungslos. Der war der Einzige, bei dem ich sagen würde, der hat gedacht: In was für einem Film bin ich hier? Der hat später zugestimmt, 5.000 Euro zu geben, aus Angst. Dieser Mann gehört nicht ins Gefängnis, der hat nichts gewusst bis zu diesem Zeitpunkt. Stellenweise hat er irgendwas gesagt, der hat gestottert. Der war völlig neben der Spur. Dieser Mann hätte euch als Ermittlungsbehörden nicht zu seinem Versteck im Wald geführt, wenn er irgendwas Böses gewollt hätte. Da war nur Prepperzeug drin, ich weiß es. Dieser Mann war an dem Tag [in Minden] zur falschen Zeit am falschen Ort.“

B1: „Sie sagen, Person 4 [Frank H.] hat sofort zugestimmt. Er selbst sagt, er hat sofort abgelehnt. Was stimmt?“

U.: „Das stimmt nicht. Er war ja auch der, der gesagt hat, dass er an Waffen rankommt.“

B1: „Person 11 [Marcel W.] hat auch gesagt, sofort abgelehnt zu haben.“

U.: Person 11 habe zunächst Bedenken geäußert, letztendlich aber „klar und deutlich“ zugestimmt.

U. gibt jetzt die Bildersammlung zurückfahren

 

Moscheen als Ziele schon länger bekannt

 

B1: „An der Hummelgautsche haben Sie ja schon spekuliert, dass es um Moscheen gehen sollte.“

U.: Bestätigt das. In Gespräch mit Teutonico und Tony E. seien Moscheen bereits angesprochen worden. Die Chats hätten das aus seiner Sicht dann bestätigt.

B1: „Man hat mit einer Gegenreaktion gerechnet. Wer konkret hat das gesagt?“

U.: „Das war natürlich Teutonico. Fünf, sechs Moscheen anzugreifen, zeitgleich, um eine Gegenreaktion zu provozieren, um dann dadurch einen Bürgerkrieg zu provozieren. Das war auch immer das Thema von Teutonico, um dann die Regierung zu stürzen.“

B1: Ob das das Ziel gewesen sei oder ob man darüber nur diskutiert habe?

U.: Dass man eine Reaktion provozieren wolle, sei das Hauptziel gewesen. „Deswegen sollten die Anschläge so viele sein mit den entsprechenden Waffen, so viele Opfer wie möglich, um dann eine entsprechende Gegenreaktion der Muslime in Deutschland zu provozieren.“

B1: „Haben die anderen diese Ursache und Wirkung auch so begriffen?“

U.: Alles außer Ulf R., der sei „völlig fertig“ gewesen, als das angesprochen worden sei. Er habe das also verstanden, sei aber nicht damit klargekommen.

B1: „Und nach dem Anschlag sollte man abtauchen?“

U.: „Da gab es verschiedene Meinungen.“ Er selbst habe sich dafür ausgesprochen, abzutauchen. „Natürlich, ich kann ja nicht zurückfahren nach Mosbach.“ Marion G. habe eine Hütte im Wald, praktisch für einen Rückzug über drei, vier Wochen. Konkrete Orte seien aber nicht besprochen worden. „All das sollte erst dann beim folgenden Treffen stattfinden, wenn das Geld da ist und wenn die Waffen da sind.“

 

„Ich bin so der Typ Sprengstoffweste.“

 

B1: „Wurde Ihnen eine Aufgabe übertragen?“

U.: „Nein. Aber ich habe mir eine Aufgabe sozusagen genommen.“ Als Person 1 [Steffen B.] gesagt habe, er könne Waffen besorgen, habe er, U., vorgeschlagen, man sollte mit mehreren Personen (u.a. Werner S., Tony E., Frank H. und er selbst) bewaffnet zur Übergabe fahren. „Wäre das so gekommen, ich habe ja dem LKA Bescheid gesagt, bei dieser Waffenübergabe dann aktiv zu werden.“

B1: „Hatten Sie vor dem Treffen schon eine Aufgabe?“

U.: Er sei Administrator in verschiedenen [Chat-]Gruppen, habe aber sonst keine spezielle Aufgabe gehabt. Er habe an der Hummelgautsche gesagt: „Ich bin so der Typ Sprengstoffweste. Ich war schon im Knast, ich gehe nicht mehr rein. Ich bin bereit, bis zum Letzten zu gehen.“

B1: Legt Fotos der Beschuldigten vor und fragt, wer welche Aufgaben gehabt habe.

U. [zusammengefasst]: Steffen B.: Waffenbeschaffung, Tony E.: Organisator, Frank H.: Waffenbeschaffung, Stefan K.: Waffenbeschaffung, Markus K.: keine Aufgabe, Thomas N.: keine Aufgabe, Ulf R.: keine Aufgabe, bei Werner S. sei es ja klar, bei ihm (U.) selbst auch, Marcel W.: Schutz bei Waffenübergabe, Wolfgang W.: Ebenfalls Schutz bei Waffenübergabe [hatte U. wohl zuvor vergessen zu erwähnen], Thorsten W: keine Aufgabe über finanzielle Unterstützung.

B1: Fragt, ob die Leute überredet werden mussten, Aufgaben zu übernehmen oder ob sich alle einig gewesen seien.

U.: Frank H. und Marcel W. hätten kritische Anmerkungen zu den Plänen gehabt. Teutonicos Zeitplanung („noch in diesem Jahr“) sei ihnen wohl zu ambitioniert gewesen. W. habe gesagt, so etwas bräuchte man ein bis zwei Jahre Vorlaufzeit. Beim Vorhaben selbst sei man sich aber einig gewesen. [außer Ulf. R.]

B1: „Sie haben mehrfach gesagt, sie hätten nicht damit gerechnet, zu überleben. Was bringt Sie zu dieser Annahme?“

U.: Das sei seine Einstiegsgeschichte gewesen, bereits an der Hummelgautsche. Er habe mit Hinweis auf seine 21 Jahre Gefängnis gesagt, er gehe nicht wieder in Haft. Darum habe er gesagt: „Ich bin dabei, ich werde aktiv“, er wäre der „Typ Sprengstoffweste“. […] Wenn es eine Konfrontation mit der Polizei geben sollte, würde er so viele mitnehmen, wie es geht. „Und dann würden die mich erschießen, und dann wäre Ende.“

 

U.: Mindestens vier Mitglieder waren bereit, zu sterben

 

B1: Fordert U. auf, der Reihe nach die Beschuldigten durchzugehen und zu sagen, ob sie bereit gewesen wären, ihr Leben zu opfern.

U.: Steffen B.: „Ist bereit das zu machen, aber will weiterleben.“ Tony E.: „War bereit, das zu machen, in der Hoffnung zu überleben.“ Frank H. sei das „egal“ gewesen, Stefan K.: „War dabei, aber würde gerne überleben.“ Markus K. ebenso. Thomas N.: „Hat auch am Vorabend und auch im Vorfeld in den Chats kommuniziert, er ist bereit bis zum Letzten zu gehen; er wäre bereit, durchzuführen und zu sterben.“ Werner S.: „War bereit zu sterben“. Marcel W.: „Wollte überleben.“ Wolfgang W. sei bereit gewesen zu sterben, im Gegensatz zu Thorsten W., der nur habe Geld geben wollen.

B1: Einer der Beschuldigten habe im Verhör über U. gesagt: „Dem U. würde ich das zutrauen“, der gehöre zu „einigen Verrückten“.

U.: Die anderen versuchten, ihn so schlecht wie möglich darzustellen, weil er über sie aussage. Dagegen sprächen aber unter anderem die abgehörten Telefonate. U. habe von Anfang an auch in einer Videobotschaft an die GBA gesagt: „Ich scheiße darauf, ob ich mich da strafbar gemacht habe oder nicht.“ Wenn, dann habe er sich aber nur verbal strafbar gemacht, er habe schließlich keinen Anschlag begangen, sondern nur darüber gesprochen. „Das war von Anfang an kommuniziert mit allen beteiligten Behörden.“ Straftaten zu begehen, um an Informationen zu kommen, sei U. nur möglich gewesen, da er nicht im Auftrag der Polizei gehandelt oder V-Mann gewesen sei. „Sonst hätte ich nicht schreiben dürfen, alle Muslime gehören für mich ins Lager.“ Diese Aussagen hätten nur helfen sollen, seine Legende in der Gruppe glaubhaft zu machen. Ihm sei egal, ob die anderen ihn für verrückt hielten. Klar sollte nur sein, dass er zu denen gehören würde, die „das durchziehen“. Das habe er den Behörden immer klar kommuniziert. „Ich habe auch Chats, in denen ich strafrechtlich relevant wurde, dem BKA geschickt.“

 

Animierte U. die Gruppe zu Gewalttaten?

 

B1: „Hatten sie mal den Eindruck, dass eine andere Person sich durch Ihre Verhaltensweise animiert gefühlt hat, mitzumachen und mehr zu tun?“

U.: Sollte das so sein, hätte er es in Abwägung für das Richtige gehalten, um Schlimmeres zu verhindern. Aber die Personen seien immer noch selbst für ihre Entscheidungen verantwortlich.

B1: „Nochmal die Frage: Hatten Sie den Eindruck, jemand hat sich gedrängt gefühlt?“

U.: Verneint das. Das seien keine Leute, die „nicht zurechnungsfähig“ gewesen seien. Er habe „eine offensive Rolle gespielt“ um rauszufinden: „Sind das Facebook-Rambos, Großmäuler oder steckt da tatsächlich was dahinter?“ Wenn sich doch wer animiert gefühlt habe, sei das „nicht mein Problem, das ist sein Problem“.

B1: Leitet über zum Themenkomplex Geld und fragt, für was Geld beschafft werden sollte.

U.: Das sei für Waffen gewesen. Es sei um Handgranaten und Maschinenpistolen, Uzis gegangen.

B1: „Für andere Dinge auch?“

U.: „Nein.“

 

Wer hat welche Geldsummen zugesagt?

 

B1: U. solle auflisten, wer wie viel Geld für Waffen zugesagt habe.

U.: Bestätigt, dass die Geldsammlung für den Kauf weiterer Waffen (einige hätten schon welche gehabt) und auch Handgranaten bestimmt gewesen sei. Steffen B. habe 5.000 Euro versprochen, genauso wie Tony E., Frank H., Stefan K., Werner S., Wolfgang W. und Thorsten W. Thomas N. habe sogar 7.000 bis 10.000 Euro zugesagt. Markus K. und Marcel W. hätten gesagt, sie würden versuchen, 5.000 Euro zu geben, könnten aber erst einmal nur 4.000 bis 3.000 zusagen. U. selbst habe gesagt, er könne nichts geben, da er Hartz IV beziehe, würde dafür aber den Plan an der Waffe umsetzen. Bei Ulf R. verweist U. auf bereits Gesagtes.

B1: Ob Tony E. auch bereit gewesen wäre, mehr Geld zu geben?

U.: 5.000 Euro habe er aber definitiv zugesagt, bei mehr sei er sich nicht sicher. Er korrigiert sich und sagt, Werner S. habe 7.000 bis 10.000 Euro zugesagt.

B1: Ob alle freiwillig diese Summen zugesagt hätten, oder ob es Druck gegeben habe?

U.: Druck habe es keinen gegeben. Niemand außer ihm selbst habe nichts geben wollen, nur manche hätten keine 5.000 Euro zusammenbekommen.

 

„Ich entscheide jetzt mal für Ralf mit, dass er 5.000 Euro zahlt“

 

B1: „Wer sollte das Geld eintreiben?

U.: Das hätten Tony E. und Teutonico noch unter sich besprechen wollen.

B1: Wie man das Geld habe einsammeln wollen: Über Einzahlungen, Bargeld, Kryptowährung?

U.: Das wisse er nicht.

B1: Ob man auch von Nichtanwesenden Geld einsammeln wollte, beispielsweise von dem Personenschützer?

U.: Darüber sei nicht gesprochen worden. Er habe Teutonico in der Pause gesagt, er entscheide jetzt mal für Ralf mit, dass dieser 5.000 Euro gebe.

B1: Ralf N. habe doch gar nicht zugesagt, dass er Geld geben würde?

U.: Nein, aber Ralf N. habe ihm ja das Recht gegeben zu entscheiden.

B1: Ob die 5.000 Euro von Ralf N. selbst oder von der „Bruderschaft“ kommen sollten?

U.: Das Thema Anschläge, Beteiligung an Anschlägen und Geld habe nur Ralf N. betroffen, nicht die gesamte „Bruderschaft“.“ Über die Vereinigung von „Bruderschaft“ und anderen Gruppen sei ja zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gesprochen worden.

B1: „Haben Sie Ralf N. nach dem Treffen getroffen?“

U.: Nach dem Wochenende in Minden habe er Ralf N. nur kurz am Telefon gesagt: „Das Treffen war gut. Ich habe eine Entscheidung für dich getroffen, alles andere am 16.“

Die Videosequenz endet an dieser Stelle (Vernehmungszeit 10:30 Uhr).

 

Wer wusste von den Anschlagsplänen, wer war mit ihnen einverstanden?

 

Wieder ist Raum für Erklärungen. RA Herzogenrath-Amelung führt aus, U. habe die Fragen nach dem konkreten Ziel nicht beantwortet. Daraus schließe er, dass nur Tony E. eingeweiht gewesen sein konnte. „Dann kamen die alle sicherlich völlig blank und haben gespannt zugehört. Aber dann frage ich mich: Wo ist die terroristische Vereinigung vor dem Treffen gewesen?“ Dann argumentiert der RA, die Anschlagspläne seien unrealistisch. „Diese 12 Hanseln sollten dann fünf bis sechs Moscheen angreifen, und zwar zeitgleich, also 2 Männer pro Moschee?“ Das seien „Geschichten aus Tausendundeiner Nacht“. So hätte man sicherlich keinen Systemsturz erreicht. „Und dass da keiner unzurechnungsfähig gewesen sei, da nehme ich an, dass Herr U. sicherlich von seiner eigenen Person abgesehen hat.“

RA Ried, Anwalt von Steffen B., sagt, im Verhör hätten manche Fragen „eindeutig suggestive Anteile“ gehabt.

RA Mandic bezieht sich auf U.s Aussage, Ulf R. sitze unschuldig im Gefängnis. „Mein Mandant sitzt auch unschuldig im Gefängnis.“ U. habe seinen Mandanten Michael B. auf dem Foto erst nicht erkannt und sei sich nicht sicher gewesen, ob er in Minden gewesen sei. Er habe Michael B. auch keine Aufgaben zuordnen können und habe das bei den anderen Angeklagten auch „mal eben schnell und wenig überzeugend“ getan. In Minden sei Michael B. nicht gewesen , und dort seien laut U. ja bereits erste Anschlagsideen besprochen worden. U.s Rolle als „Psychopath, der lange gesessen hat und sich in die Luft sprengen will“, mache auch die Beamten stutzig. Außerdem vermutet RA Mandic, dass U. von Behörden eingearbeitet worden sein müsse, da er im Verhör eine rechtliche Abgrenzung zwischen V-Person und Privatperson erwähne. Daraus folgert er, dass „man ins Geschäft gekommen sein muss“.

RA Picker: Auch sein Mandant sitze unschuldig im Gefängnis, es gelte schließlich die Unschuldsvermutung bis zum Urteil.

RAin Schwaben argumentiert zur Frage, wer mit Anschlägen auf Moscheen oder Asylheime einverstanden gewesen wäre, sage U. über Markus K., der habe das „so hingenommen“ und nicht deutlich ja gesagt. Über Ulf R. sage U., dass er „am falschen Ort“ gewesen sei. Ulf R. sei der Arbeitskollege von Markus K. Das lasse einen Rückschluss darauf zu, was Markus K. gewollt habe, der weder ja noch nein gesagt habe. Etwas hinnehmen klinge nach Akzeptanz, davon gehe sie bei Markus K. nicht aus.

Die Verhandlung pausiert von 15:18 bis 15:46 Uhr. Dann spielt der VR den dritten Teil der Vernehmung von Paul-Ludwig U. vom 17. April 2020 ab, der um 10:40 Uhr beginnt.

 

U.: Thorsten W. war bereit, zur Waffe zu greifen

 

B1: Kommt zum Thema Waffen. „Wessen Vorschlag war das?“

U.: Teutonico habe das Thema eingebracht und gefragt, wer da rankommen könne.

B2: Fragte, welche Waffen U. meinte?

U.: Teutonico habe gefragt, ob jemand einen bestimmten Wunsch hätte. Es sei um Schusswaffen und Handgranaten gegangen. Werner S. habe zu Frank H. gesagt: „Von dir weiß ich ja, dass du in Tschechien etwas besorgen könntest.“ Steffen B. habe gesagt, er habe jemanden, mit dem er schon öfter Geschäfte gemacht habe. Dafür bräuchte er aber 50.000 Euro, dann könnte er über diesen Kontakt die Waffen beschaffen.

B2: Legt dazu Fotos vor und fragt, wer von den anderen Beschuldigten sich zu Waffen geäußert habe.

U.: Zählt alle auf mit Ausnahme von Michael B. Ulf R. habe „nur gezwungenermaßen“ etwas gesagt. Und Thorsten W. habe gesagt, er würde nur wenn es nötig wäre, zur Waffe greifen.

 

Pistolen, Maschinenpistolen, Langwaffen und Handgranaten

 

B1: Wer sich welche Waffe gewünscht habe?

U.: Steffen B. habe sich eine Handgranate und eine Pistole gewünscht. Tony E. habe sich eine Handgranate und eine Maschinenpistole gewünscht, Frank H. habe eine Langwaffe gewollt, „so eine Art G36“, wie U. vermutet, Stefan K. und Markus K. hätten beide eine Pistole haben wollen, Thomas N. eine Maschinenpistole, eine Pistole und eine Granate. Ulf R. habe gar nichts bestellt. Werner S. habe sich eine Maschinenpistole und eine Granate gewünscht, er selbst, U., eine Granate und eine Pistole. Marcel W. habe eine Maschinenpistole gewollt, Wolfgang W. eine Granate und eine Maschinenpistole. W. sei es zwar hauptsächlich darum gegangen, finanziell zu unterstützen. Aber wenn nötig, so habe W. es erklärt, würde der auch eine Pistole „in die Hand nehmen und bei Anschlägen mitmachen“.

B1: „Wer wollte die Waffen besorgen?“ U. solle erneut die Beschuldigten der Reihe nach durchgehen.

U.: Nennt Steffen B., Frank H., Stefan K. „in Verbindung mit Steffen B.“, Bei Michael B. ist sich U. unsicher.

 

U.: Frank H. als Plan B, sollte Steffen B.s Waffendeal nicht funktionieren

 

U.: Steffen B. habe jemanden „an der Hand“, bei dem er für 50.000 Euro die gewünschten Waffen besorgen könne. Teutonico habe B. gefragt: „Ist das sicher?“ Der habe geantwortet: „Naja, sicher ist nichts.“ Teutonico habe B. daraufhin gebeten, noch am Abend des 8. Februar Kontakt zu seinem Händler aufzunehmen. B. solle S. einen „Daumen hoch“ schicken, wenn sein Kontakt ihm zusagen könne, für die Summe die aufgelisteten Waffen zu besorgen, und einen „Daumen runter“, wenn nicht.

B2: Ob Steffen B. etwas über seinen Waffenlieferanten gesagt habe?

U.: Verneint. Teutonico habe gefragt, was wäre, wenn B.s Kontakt nein sagen würde. Da habe sich Frank H. gemeldet und gesagt: „Ich könnte zum Beispiel schon mal die Pistolen besorgen.“ Die Handgranaten, Maschinenpistolen und Langwaffen habe also Steffen B.s Händler besorgen sollen und Frank H. den Rest aus Tschechien. H. habe gesagt, er habe schon die eine oder andere Waffe mit dem Motorrad über die Grenze gebracht und sei dabei nie kontrolliert worden. Teutonico habe gefragt, ob er da mitkommen könne. Frank H. habe zugestimmt. Marcel W. habe keine Rolle bei der Waffenbeschaffung gespielt.

B1: „War das beim Treffen vor dem Einwand, dass das alles zu schnell gehen würde?“

U.: „Nein, danach.“ Das sei aber kein Widerspruch, Marcel W. habe ja nur einen Einwand gehabt, sei aber nicht gegen die Sache an sich gewesen.

Die prädestinierte Gruppe für einen Waffendeal

B1: Ob das mit dem tschechischen Waffenhändler auf U. glaubhaft gewirkt habe?

U.: Ja; Teutonico habe auch an der Hummelgautsche schon gesagt: „Der Mann kann Waffen besorgen.“ Wieder berichtet U. davon, wie er vorgeschlagen habe, wer bei B.s Waffenübergabe zum Schutz mitkommen sollte: Neben Steffen B. er selbst, Werner S., Marcel W. und Wolfgang W.

B1: „Warum genau diese Gruppe?“

U.: Sie sei „genau prädestiniert dafür“. Wolfgang W. habe ja die schusssichere Weste und sei bereit zu sterben. Bei Marcel W. habe er „einfach im Gespür“ gehabt, dass er geeignet sei. Teutonico, da der sich ja schon bereit erklärt habe, nach Tschechien zu fahren. Teutonico habe dieser Zusammensetzung dann zugestimmt, die anderen Genannten auch.

B1: Zeit und Ort hätten noch nicht festgestanden?

U.: Nein, erst habe man das Geld einsammeln wollen. Am Samstag noch hätte der „Daumen hoch oder runter“ kommen sollen. Wenn nötig würde Frank H. alle Waffen besorgen – „Das ginge, wäre aber etwas aufwändiger.“ Wenn die nötigen 50.000 Euro komplett wären, solle Teutonico ein neues Treffen anberaumen. Da wolle man dann „konkrete Pläne und Vorschläge für konkrete Anschlagsziele“ besprechen.

B1: „Ist das Ihre Vermutung, oder wurde das so gesagt?“

U.: Das sei so gesagt worden von Teutonico. [Der schüttelt den Kopf.]

 

„Die Handgranaten waren Thema, um die in Moscheen zu schmeißen“

 

B1: Wer die Handgranaten angesprochen habe?

U.: Teutonico oder Steffen B. sei das gewesen. Die anderen hätten dann zugestimmt.

B2: „Wenn man Handgranaten haben will, geht das ja auch mit einer bestimmten Aktionsform einher.“

U.: „Klar, die Handgranaten waren Thema, um die in Moscheen zu schmeißen, um so viel Personenschaden wie möglich zu provozieren.“

B2: „Wer hat diese Idee geboren?“

U.: Teutonico und Steffen B.; die anderen hätten dann ihren Senf dazugegeben. „Ich natürlich auch, ich hab dann gesagt: Klar, das ist ideal.“

B1: „Wer hat über die Tötung von Menschen mittels Handgranaten gesprochen?“

U.: Skeptisch habe sich nur Markus K. geäußert, die anderen wären mindestens nicht abgeneigt gewesen, einige klar dafür. Ulf R. sei „raus aus meiner Sicht, der hat nichts gesagt“. Thorsten W. habe zu dem Thema „keine Reaktion gezeigt“.

 

Thomas N.s Waffensammlung

 

B1: „Waren Menschen beim Treffen bewaffnet?“

U.: Thomas N. habe „jede Menge Messer und ein getuntes Luftgewehr“ zuhause. [Thomas N. lacht.]

B1: Wo die Waffen gewesen seien? Lässt U. einen Grundriss zeichnen.

U.: Von der Haustür in die Wohnung rein an der Wand hingen „grob 10, 15 verschiedene Messer“. An einer anderen Wand Streitäxte. In der Ecke sei das Luftgewehr gestanden, bei dem die Feder geändert worden sei, mit Zielfernrohr. Und eine Armbrust. „Da war alles voll.“

B1: Ob es weitere Schusswaffen gegeben habe?

U.: In N.s Haus habe er keine anderen mehr gesehen. Die Teilnehmer hätten keine Waffen mitgebracht; er selbst habe seine ja in Heidelberg abgeben müssen.

B1: „Gab es eine Order, nicht bewaffnet zu kommen?“

U.: „Nein.“

 

Terroristen und Familienväter

 

B2.: Fragt, ob für einzelne in Minden Anwesende ihre Familie eine Rolle gespielt habe bei den Anschlagsplänen.

U.: Bei Thomas N. und Wolfgang W. habe das keine Rolle gespielt. Die hätten das auch ihren Partnerinnen entsprechend kommuniziert. Markus K. „wäre nicht so gerne bis zum Letzten gegangen, er hatte ja Kinder“. Tony E. habe auch mit seiner Frau gesprochen, „dass das passieren kann“. Bei E. habe U. kurz gedacht, das dieser umschwenke wegen seiner zwei kleinen Kinder, E. habe „kurz gezuckt“. Ulf R. sei „völlig fertig“ gewesen, der habe „ein behindertes Kind“. Alle anderen hätten „keinen Bezug“ zu Familie.

B1: Frank H. und Marcel W. hätten sich zustimmend zu den Anschlagsplänen geäußert, aber wollten nicht so schnell etwas umsetzen? „Habe ich das richtig verstanden?“

U.: Ja, die beiden – insbesondere Marcel W. – hätten mindestens ein bis zwei Jahre Vorbereitungszeit gewollt („Wieso so schnell?“). Das habe Teutonico dann aber direkt abgelehnt.

B2: Ob U. denke, Marcel W. könnte das vorgeschoben haben, „weil er keine Lust hatte teilzunehmen“?

U.: Das wolle er nicht ausschließen, er argumentiert aber: „Wenn einem klar war, um was es geht bei dem Treffen, dann ist das natürlich der Sergeant at Arms der ‚Wodans Erben Germanien‘ in Begleitung seines Präsidenten.“ Vorher sei ja klar geschrieben worden, wer nicht mitmachen wolle, solle auch nicht kommen. Marcel W. habe das auf jeden Fall gewollt, egal was er [im Verhör] gesagt habe. Für Frank H. gelte das genauso. Ulf R. hingegen habe die Aktion nicht gewollt und nach U.s Vermutung aus Angst „okay“ gesagt. Alle anderen hätten nichts dagegen gesagt.

 

„Wenn einer Informationen zur Polizei gibt, dann bin ich das“

 

B1: „Sie haben sich gegen die Teilnahme von Thorsten W. und Ulf R. ausgesprochen?“

U.: Als W. gesagt habe, er arbeite beim öffentlichen Dienst, sei er misstrauisch geworden und gedacht: „Wenn einer Informationen zur Polizei gibt, dann bin ich das und nicht du.“ Außerdem sei W. ihm nicht sympathisch gewesen.

B1: „Wer hat Ihnen da beigepflichtet?“

U.: Man habe abgestimmt, ob die beiden gehen sollten. Steffen B., Stefan K., Ulf R., Marcel W. und Thorsten W. hätten sich enthalten oder rausgehalten aus der Entscheidung. Für einen Ausschluss der beiden hätten Tony E., Frank H., Werner S., er selbst und Wolfgang W. gestimmt. Klar für einen Verbleib hätten sich Thomas N. und Markus K. ausgesprochen.

B1: Zählt mit und ist verwundert über das Ergebnis: Dieser Liste nach hätten mehr für einen Ausschluss gestimmt, aber die beiden seien ja geblieben. Wie U. sich das erkläre?

U.: Sein Eindruck sei, dass mehr für Bleiben gestimmt hätten. [Evtl. meinte er, dass weniger als die Hälfte der Anwesenden für einen Ausschluss waren.]

B2: Wenn sich sogar Teutonico als Kopf gegen ihre Teilnahme ausgesprochen habe, mache es doch gar keinen Sinn, dass sie hätten bleiben dürfen...

U.: Thomas N. habe die Hand für die beiden ins Feuer gelegt. Irgendwann sei das Thema vom Tisch gewesen. U. versucht noch einmal, sich zu erinnern, da ihm das jetzt auch seltsam vorkomme, und sagt: Definitiv hätten Frank H., Teutonico und er selbst für einen Rauswurf gestimmt. [Lachen auf der Anklagebank.]

 

Todesstrafe für Verräter

 

B1: „Beim Treffen wurde gesagt: ‚Was diesen Raum verlässt, derjenige wird getötet.‘ Wer hat das gesagt und wie sollte die Tötung aussehen?“

U.: Teutonico habe das gesagt, sei aber nicht konkreter geworden. Auch in Chats habe Teutonico klar gesagt: Verrat würde mit dem Tode bestraft.

B1: „Hat Ihnen das Angst gemacht?“

U.: „Nee, ich habe 30 BKA-Beamte hinter mir gehabt.“

B1: „Hat er darüber gesprochen, dass er schon Menschen getötet hat, oder andere aus der Gruppe?“

U.: Nein, davon hätte weder Teutonico noch sonst jemand gesprochen. Es sei aber klar gewesen, „dass Verrat mit dem Tode bestraft würde und er [Teutonico] das persönlich durchführen wird“.

 

U.: Marion G. wählte die Leute für Werner S. aus

 

B1: Warum gerade Werner S. Kontakt zu den Leuten gehalten habe, die nicht zum Treffen kamen?

U.: „Weil das seine Leute waren.“ Marion G. habe diese Personen nun mal für Werner S. ausgewählt.

B1: „Worum ging es im Zwiegespräch zwischen Ihnen und Werner S.?“

U.: Das sei in der Pause gewesen. Da habe U. die 5.000 Euro von Ralf zugesagt. Und er habe dort Teutonico noch einmal erklärt, warum man die Waffenübergabe niemanden alleine machen lassen sollte. Dann habe er Werner S. angeboten, er wäre bereit, einen Anschlagsort auszukundschaften. „Natürlich immer mit dem Hintergedanken, dann habe ich sofort alles im Blick.“ So hätte er früh erfahren, wann und wo ein Anschlag geschehen soll, um es dann schnell an die Polizei weitergeben zu können. Dann habe man über einen Ort zum Untertauchen gesprochen. Alle sollten sich einen solchen Ort organisieren. Werner S. habe angedeutet, er habe in Italien oder Südtirol eine Berghütte.

B1: „Ralf N. und Werner S. stehen in Kontakt. Wie?“

U.: „Überwiegend natürlich über Telegram, über VK, über WhatsApp, auch über Telefon.“ Er sei nicht sicher, gehe aber davon aus, dass sie über sichere Leitungen gesprochen hätten. Das sei U. gegenüber zweimal angedeutet worden.

 

War Ralf N. bereit für einen Anschlag?

 

B1: „Hat Ralf N. Ihnen etwas über seine Ziele mit der Gruppe S erklärt?“

U.: Ja, dass er „bereit für alle Hit and Run-Aktionen“ sei.

B1: Was das bedeute?

U.: „Er war bereit: Rein, Anschlag, raus.“

B1: Ob Entnazifizierung im Zusammenhang mit dem Treffen Thema gewesen sei? Ein Beschuldigter habe gesagt, es sei beim Treffen vor allem um diesen Begriff aus dem Reichsbürger-Spektrum gegangen.

U.: Kurz habe man darüber gesprochen, ihm falle da Markus K. ein.

B1: Ob Frank H. über Entnazifizierung gesprochen habe?

U.: Nein, das sei Markus [K.] gewesen. „Aber das war nicht ständig Thema.“

B1: Ob es auch um Prepping gegangen sei?

U.: Darüber hätten nur Markus K. und Ulf R. kurz gesprochen. Und Marcel W. habe gesagt, „dass er vorbereitet“ sei. Auch Tony E. und andere, „um die Familie zu schützen oder nach einem Anschlag, dass man versorgt ist, also das war Thema.“

 

Die Ausreden der anderen Angeklagten

 

B1: „Hat Marcel davon gesprochen, einen Verein für alleinerziehende Mütter oder sozial schwache Familien zu gründen?“

U.: Lacht. „Nein, was für Familien? Ganz sicher nicht.“

B1: „Waren immer alle Beschuldigten im Raum anwesend, wenn die Punkte besprochen wurden?“

U.: „Ja, alle waren da. Auch die Pause habe man gemeinsam gemacht, und man sei danach auch gemeinsam wieder in den Raum zurückgegangen.

B1: „Auch Marcel W.? Haben Sie ihn rauchen sehen?“

U.: Das könne er nicht sagen. Vielleicht seien manche in der einen oder anderen Pause auch mal drinnen sitzen geblieben.

B2: „Hat irgendjemand außerhalb der offiziellen Pausen den Raum verlassen, zum Rauchen oder auf die Toilette?“

U.: „Nein. Alle waren zusammen, alle haben gehört, was gesagt worden ist.“

B1: In den Überwachungsmaßnahmen tauche das Datum 21. März immer wieder auf. „Könnte es sein, dass da Anschläge oder ein Treffen stattfinden sollten oder der Tag X?“

U.: Dazu falle ihm nichts ein. Man habe ja erst auf die Waffenzusagen gewartet und sich dann nochmal treffen wollen.

 

Was war am 21. März geplant?

 

B1: „Wissen Sie, wann der internationale Tag gegen Rassismus ist?“

U.: „Keine Ahnung. Ist das der 21. März?“ Das Datum 21. März sage ihm nichts.

B1: Es stehe der Vorwurf im Raum, dass U. [in Minden] Kinderarmbänder oder Geld gestohlen habe.

U: Streitet das ab. Als er in Minden angekommen sei, habe Thomas N.s Frau ihm Armbänder gezeigt, die Kinder selbst basteln könnten. U. kenne die schon von seinen Nichten, das habe er der Frau auch gesagt. Er vermute, dass wegen dieses Diebstahl-Vorwurfs alles so schnell gegangen sei und „er rausgezogen werden musste dank LKA“. U. erzählt erneut von dem dunklen BMW, der ihn und Wolfgang W. auf der Rückfahrt von Minden nach Koblenz verfolgt habe und der vom LKA eingesetzt worden sei. Dadurch sei er bei der „Gruppe S“ in Verdacht geraten und aus den Chats geflogen. Er habe dann angerufen, um zu erfahren, was los sei, und daraufhin von Teutonico die Nachricht auf WhatsApp bekommen: „Es gab einen Vorfall, bitte nimm keinen Kontakt mehr zu anderen Mitgliedern auf.“ Die Polizei habe U. dann gesagt: „Das Gerücht geht rum, dass Sie da was geklaut haben“. Er gehe davon aus. dass die Gruppe die Geschichte mit dem angeblichen Diebstahl erfunden habe, um ihn aus allen Chats rauszuwerfen, da ihm ein Verrat nicht nachzuweisen gewesen wäre.

Dieser Teil der Vernehmung endet um 11:51 Uhr.

 

Erklärungen der Verteidiger*innen

Erneut erteilt der VR reihum das Wort für Erklärungen. RA Mandic sagt, auch hier habe U. Michael B. nicht erkannt. Der Beamte habe ihn darauf hingewiesen, U. sollte nicht auf B. beharren, sondern weiterblättern. Bei B. habe man nun mal nichts finden können, weil er nicht dabei war. Bei den anderen habe der Beamte nachgeholfen und hätte offenbar den Eindruck gehabt, U. wisse manche Dinge nicht mehr genau. Dass U. manche in der Sitzordnung nicht mehr sicher einordnen habe können, bringt RA Mandic zu der Annahme, er könne sich auch nicht daran erinnern, was diese Personen gesagt hätten.

RA Siebers betont, U. habe gesagt, es bräuchte noch ein weiteres Treffen, um etwas Konkretes zu planen.

RAin Rueber-Unkelbach geht erneut auf die ihrer Ansicht nach „verwaschene“ Aussprache von U. ein, die sich ihrer Ansicht nach im Laufe des Tages verstärkt habe. In der Verschriftlichung in den Akten sehe man auch, dass er stellenweise nicht verständlich gesprochen habe. Und am Ende sei immer die Rede vom Beamten Herrn G. Beim LKA Stuttgart arbeite ein Herr [selber Name, beginnt allerdings mit K] in der Spionageabteilung für Extremismus. [Unterstellt offenbar, U. habe mit der Spionageabteilung zu tun gehabt]

Der VR erwidert, man könne in den Akten mühelos herausfinden, wer gemeint sei.

RA Miksch weist darauf hin, dass U. einerseits gesagt habe, man wolle fünf bis sechs Moscheen gleichzeitig angreifen, andererseits, dass mehrere Leute gemeinsam zu verschiedenen Zeitpunkten angreifen sollten.

RAin Schwaben beschreibt bezüglich ihres Mandanten Markus K. einen „seltsamen Zusammenhang“: U. zufolge habe K. bei der Frage, wer Anschläge habe begehen wollen, „weder ja noch nein gesagt“. U. habe außerdem gesagt, Markus K. habe eine Kurzwaffe haben wollen. „Gleichzeitig sagt er aber auch: Der wollte schon überleben.“ Sie bezweifle, dass das zusammenpasse.

RA Sprafke spricht die Videobotschaft an die GBA an, die U. im Verhör erwähnt habe. Der RA fordert die Vertreterin der GBA auf zu erklären, ob eine solche Videobotschaft eingegangen sei. Oberstaatsanwältin Bellay antwortet, dass sie dazu aktuell nichts sagen werde, gegebenenfalls aber zu einem späteren Zeitpunkt.

Der VR beendet die Verhandlung um 17:08 Uhr mit der Ankündigung, in der kommenden Woche die Augenscheinnahme der Vernehmung von U. abschließen und zur Vernehmung von Stefan K. vom 23. Juni kommen wolle.

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