16. Prozesstag im Wehrhahn-Prozess – Landgericht Düsseldorf, 5. April 2018

Am 16. Prozesstag wurden sechs Zeug*innen befragt und die Aussagen des nicht auffindbaren Zeugen Benjamin W. verlesen. Bei der ersten Zeugin – Sonja K., die aktuelle Lebensgefährtin von Ralf S. – interessierten sich Gericht und Staatsanwaltschaft zum einen dafür, was ihr Ralf S. berichtet hatte, nachdem er im Oktober 2016 realisiert hatte, dass erneut gegen ihn ermittelt wurde. Zum anderen wurde sie zu einer Autofahrt mit Ralf S. am 21. Oktober 2016 von Ratingen nach Düsseldorf befragt, am Tag, nachdem die „EK Furche“ Ralf S. erstmals mit den Ermittlungen gegen ihn konfrontiert hatte. Als zweite Zeugin erschien die Bäckereiverkäufern Angelika G., eine Kollegin von Doreen Sch. (Lebensgefährtin von Ralf S. zum Tatzeitpunkt). Sch. hatte vor Gericht ausgesagt, Angelika G. im Februar 2017 von ihrer Erinnerung an die Bombe berichtet zu haben. Als nächster Zeuge wurde Sven G. aufgerufen, ihm folgte Sascha G. Beide standen 2001 unter Verdacht, scharfe Schusswaffen von Ralf S. gekauft zu haben. Daran, dass sie das tatsächlich getan hatten – wie damals von einem neonazistischen Bekannten behauptet –, scheint es seitens der Ermittler*innen und der Anklagebehörde erhebliche Zweifel zu geben. Als fünfte Zeugin folgte Johanna T. (Name geändert), die um 1996/1997 „so was in der Art wie eine Beziehung“ mit Ralf S. hatte und auch noch im Jahr 2000 mit ihm in Kontakt stand. Letzte Zeugin am 16. Prozesstag war Silke P., eine langjährige Bekannte von Ralf S.

Die Zeugin Sonja K. (47)

 

Die derzeitige Lebenspartnerin des Angeklagten gab an, nicht berufstätig zu sein. Sie sei noch verheiratet, wäre aber nach der Trennung von ihrem Ehemann zu Ralf S. nach Ratingen-Tiefenbroich in den Alten Kirchweg gezogen. Da die Wohnung ihres Freundes sehr klein sei, habe sie kürzlich eine eigene Wohnung angemietet, die aber nur zum Abstellen ihrer Möbel vorgesehen sei. Ebenso wie S. würde sie von Hartz IV leben. Man sei oft mit den Hunden unterwegs gewesen, Ralf S. habe sich häufig in einer sozialen Einrichtung aufgehalten, weil er dort einen Computer habe nutzen können, um beispielsweise über das Internet Angelegenheiten bezüglich seiner Kinder zu klären. Sie habe ihn in ihrer Jugend auf der Hauptschule in Ratingen-Lintorf kennengelernt, seine und ihre Eltern hätten einander ebenfalls gekannt. In seiner Jugend sei er viel „mit den Pfadfindern“ unterwegs gewesen. Nach der Schulzeit habe sie ihn aus den Augen verloren. Seit 2016 hätten sie wieder Kontakt miteinander gehabt, daraus sei dann eine Beziehung erwachsen. Ralf S. sei ein „lustiger Typ“.

Sie habe damals mal gelesen, so die Zeugin K., dass Ralf S. zeitweise bezüglich des Wehrhahn-Anschlags in Verdacht geraten war. Mit dem Anschlag sei sie danach aber erst wieder konfrontiert worden, nachdem Ralf S. im Oktober 2016 eine Nachricht von einem Patrick [gemeint ist der Zeuge Patrick E., siehe 7. Prozesstag] bekommen habe. Patrick, ein ehemaliger Kumpel von S., habe diesem ein Foto seiner Zeugenvorladung geschickt. Kurz danach sei der Staatsschutz in Ratingen-Tiefenbroich bei ihnen vorbeigekommen.

Auf Frage gab Sonja K. an, dass sie Ralf S. einmal gefragt hätte, ob er etwas mit dem Anschlag zu tun gehabt hätte. Das habe er verneint, womit das Thema für sie erledigt gewesen sei. Bei der Ansprache von Ralf S. durch den Düsseldorfer Staatsschutz vor dessen Wohnung sei sie erst etwas später hinzugekommen, habe sich dann aber nach einigen Minuten ins Auto zurückgezogen, da sie ohnehin kaum etwas von dem verstanden habe, was da besprochen worden wäre. S. habe ihr anschließend erzählt, dass ihn der Staatsschutz zum Mitkommen habe bewegen wollen, was er aber angelehnt hätte. Anschließend sei man mit den Hunden in den Wald gefahren und habe nicht weiter über die Sache gesprochen, auch später nicht. Dabei blieb Sonja K. auch, trotz mehrfacher Ermahnung des Vorsitzenden. Dieser machte der Zeugin deutlich, dass es schwer zu glauben sei, dass sie nicht nachgefragt bzw. S. nichts berichtet und sich auch nicht aufgeregt hätte, so unmittelbar nach dem Kontakt mit den Ermittlungsbeamten. K. erläuterte, das es schwierig sei, „sein Vertrauen zu bekommen“. S. habe „schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht“, u.a. mit Ex-Freundinnen und seiner Ex-Frau. Sie habe deswegen nicht nachgefragt. K.: „Wenn er mir sagt, er war das nicht, dann glaube ich ihm das. Ansonsten wäre ich nicht mehr mit ihm zusammen. Wenn wir darüber gesprochen hätten, würde ich Ihnen das sagen.“ Es sei bis zur Festnahme definitiv nicht mehr über den Vorwurf gesprochen worden. Nach der Festnahme sei sie von Bekannten und Freunden von S. kontaktiert worden, die wissen wollten, was los sei. Sie selber hätte ebenfalls ihr bekannte Personen kontaktiert und sie gefragt, ob sie helfen könnten. Sven Skoda wäre nicht darunter gewesen, den würde sie nur aus der Zeitung kennen. Sie habe niemanden – mit Blick auf etwaige Zeug*innen-Aussagen – instruiert und auch keine Anweisungen von Ralf S. erhalten, dieses zu tun.

Befragt nach der politischen Einstellung von Ralf S. und nach seiner Position zum Thema „Ausländer“ gab K. an, dass „Ausländer“ immer mal wieder Thema gewesen seien, beispielsweise beim Gang zur „Tafel“. Da gäbe es ja immer mehr „Ausländer“ und immer weniger „Deutsche“. Aber S. habe auch Flüchtlingen aus der Nachbarschaft geholfen, beispielsweise beim Verfassen von Briefen an Ämter. Zudem habe er Flüchtlingskindern Spielzeug geschenkt.

Von der Staatsanwaltschaft wurde die Zeugin darauf angesprochen, dass sie ja gemeinsam mit Ralf S. mit dem Auto nach Düsseldorf gefahren sei, einen Tag nach dem Gespräch mit den polizeilichen Ermittlern vor ihrer Haustür in Ratingen-Tiefenbroich. Sie hätten in Düsseldorf in der Karlstraße geparkt, unweit einer Autowerkstatt auf der Charlottenstraße [gemeint ist „M.L. Autotechnik“], die früher einmal vom verurteilten Waffen- und Sprengstoffhändler Herbert L. [siehe Bericht zum 13. Prozesstag sowie den NRZ-Artikel von Frank Christiansen vom 2. April 2018] betrieben worden war. Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück wollte nun von der Zeugin wissen, was Ralf S. dort gewollt habe. Die Zeugin bekundete, dass sie darüber nichts wisse, der Grund ihres Aufenthalts in Düsseldorf sei nicht irgendeine Werkstatt, sondern eine „andere Sache“ gewesen, weswegen man schon häufiger nach Düsseldorf gefahren sei, weil es so etwas in Ratingen nicht geben würde. [Gemeint waren Sex-Shops/Porno-Kinos]. Letztendlich sei es dazu an diesem Abend aber nicht gekommen. Wieso, wisse sie nicht mehr. Nach mehrmaligem Nachhaken und dem Hinweis auf die Innenraumüberwachung im Auto und das Abhören des Handys von Ralf S. räumte Sonja K. ein, dass Ralf S. an der Werkstatt angehalten habe. Er habe von einem „ehemaligen Kumpel“ bzw. „Bekannten“ gesprochen, der aber wohl schon länger weg sei. An eine im Auftrag von S. von ihr an eine Mobilfunknummer der Autowerkstatt abgesetzte WhatsApp-Nachricht könne sie sich aber nicht erinnern. Laut Vorhalt der Anklage hatte diese den folgenden Inhalt: „Ralf S[...] hier. Immer noch in der selben Hand, der Laden? War eben mal da. Gruß Ralf S[...]“. Aus einem vom Gericht eingeführten Mitschnitt aus der Innenraumüberwachung des PKW ging hervor, dass ihr dieser Text – verbunden mit der Bitte um Rückruf – von S. diktiert worden war, damit sie ihn als Textnachricht auf dem Handy von Ralf S. schrieb, während dieser das Auto fuhr.

Nach dem Abspielen des Mitschnitts bekundete K. auf Frage des Vorsitzenden, sich nicht an dieses Gespräch erinnern zu können. Darauf gab Richter Rainer Drees seine Frage an den Angeklagten weiter. Dieser berichtete, dass er vor Jahren einmal für die Parkhausbewachung auf der Charlottenstraße [direkt neben der Autowerkstatt] zuständig gewesen sei und bei der Autowerkstatt – sowohl bei Herbert L. als auch beim späteren Inhaber – Sonderkonditionen bei der Reparatur seines Auto gehabt hätte. Am besagten Abend seien er und Sonja K. nach Düsseldorf gefahren, um ins Pornokino zu gehen. Auf dem Rückweg sei ihm eingefallen, dass er ja mal kurz eine fällige Autoreparatur klären könnte. Es sei aber niemand da gewesen, weswegen er eine WhatsApp-Nachricht geschickt hätte. Die Autowerkstatt hätte sich dann später bei ihm zurückgemeldet. Sonderkonditionen seien ihm aber nicht angeboten worden, weswegen es auch nicht zu einem Auftrag gekommen sei. Dass Herbert L. mal etwas mit TNT zu tun gehabt hätte, habe er erst kurz zuvor von Kurt N. von der EK Furche erfahren. Er habe 2002 nicht einmal mitbekommen, dass L. verhaftet worden sei. Das habe er erst später erfahren, nachdem L. wieder auf freiem Fuß gewesen sei. Es sei „Ewigkeiten“ her, seitdem er letztmalig Kontakt zu L. gehabt hätte.

 

Die Zeugin Angelika G. (59)

 

Als nächste Zeugin war Angelika G. an der Reihe. Ihr soll Doreen Sch. im Februar 2017 berichtet haben, dass sie in der Wohnung ihres damaligen Freundes Ralf S. die Wehrhahn-Bombe gesehen habe. Angelika G. gab an, überhaupt nicht zu wissen, worum es im laufenden Verfahren ginge. Der Vorsitzende erläuterte es ihr knapp. Auf Frage gab die Zeugin an, dass ihr an jenem Tag im Februar 2017 aufgefallen sei, dass es ihrer Arbeitskollegin Doreen Sch. nicht gut gegangen sei. Auf ihre Frage hin, was denn los sei, habe Sch. berichtet, dass sie glaube, vor längerer Zeit eine Bombe in der Wohnung ihres Ex-Freundes gesehen zu haben. Sch. habe sie gefragt, ob sie deswegen zur Polizei gehen solle. Das habe sie (Angelika G.) bejaht. Mehr wisse sie nicht.

 

Der Zeuge Sven G. (37)

 

Der Eigenangaben zufolge bis 2001 in der rechten Szene aktive Düsseldorfer Sven G. (Berufsangabe „selbstständig“) erschien in Begleitung eines Rechtsanwalts zu seiner Zeugenaussage. Er bekundete, „eigentlich gar nichts“ zur Aufklärung beitragen zu können. Er habe Ralf S. nur drei- bis viermal gesehen und sei nie in dessen Militaria-Laden gewesen. Kennengelernt habe er ihn im rechtsorientierten Schallplattenladen „Power Station“ – Inhaber Bernd Buse – in Düsseldorf-Bilk. Da er gehört habe, dass S. Jobs zu vergeben habe, hätte er ihm gegenüber Interesse geäußert, bei ihm zu arbeiten. Dazu sei es aber dann nicht gekommen.

Befragt nach einem „Benjamin W.“ gab Sven G. an, dass er diesen kennen würde. Er sei mal mit ihm befreundet gewesen, bis sich herausgestellt habe, dass W. ein „komischer Typ“ und „hinterlistiger linker Vogel“ sei. W. habe wahrheitswidrig behauptet, dass er – Sven G. – und einige seiner Bekannten bei Ralf S. scharfe Waffen gekauft hätten. Das habe ihnen Hausdurchsuchungen beschert. Gefunden worden sei nichts. Ihm sei auch nicht bekannt, dass Ralf S. über Waffen verfügt hätte. Benjamin W. habe er zuletzt 2001 gesehen.

 

Der Zeuge Sascha G. (41)

 

Der Berufskraftfahrer Sascha G. gab an, Ralf S. überhaupt nicht zu kennen, er habe ihn auch nur einmal vor 18 Jahren bei einer polizeilichen Vernehmung im Polizeipräsidium gesehen. Benjamin W. habe er damals flüchtig von „Fortuna Düsseldorf“-Spielen gekannt. W. habe ihn wahrheitswidrig beschuldigt, eine Waffe von S. gekauft zu haben. Er habe keine Telefonnummer von W. gehabt, habe diesen also nicht fragen können, wieso er das behaupten würde. Zu W. habe er danach auch kein Kontakt mehr gehabt.

 

Die Zeugin Johanna T. (Name geändert)

Die Zeugin gab an, Ralf S. um 1996 kennengelernt zu haben. Sie habe sich gut mit ihm verstanden. Er sei zwar etwas chaotisch und unordentlich, aber immer sehr nett zu ihr gewesen. Es habe sich temporär eine Freundschaft bzw. „so was in der Art wie eine Beziehung“ entwickelt. Während sie aber auf ihre Clique orientiert gewesen sei, habe sie Ralf S. eher als „Einzelgänger“ wahrgenommen.

Die Frage des Vorsitzenden, ob sie mal einer rechten Clique, der „Frankenplatz-Clique“ angehört habe, bejahte die Zeugin. Sie relativierte allerdings die politische Verortung dieser Clique als „rechts“. Das ließe sich nicht so eindeutig sagen, so die Zeugin. Man habe aber den Ruf gehabt, rechts zu sein. Eigentlich habe man aber eher rumgehangen und Bier getrunken. [Anmerkung: Bei der Frankenplatz-Clique handelte es sich um einen Zusammenhang rechter Jugendlicher und junger Erwachsener, die Mitte der 1990er Jahre (bis etwa Sommer 1997) häufig auf dem Frankenplatz – an der Roßstraße, Tannenstraße, Frankenstraße und Kanonierstraße im Stadtteil Derendorf gelegen – anzutreffen waren und in diesem Gebiet ihre Spuren hinterließen, was bis zu Angriffen auf ihnen nicht genehme Personen reichte. Es bestanden enge Kontakte zu organisierten Neonazis, die die Clique mit neonazistischem Propagandamaterial versorgten und versuchten, sie in ihre politische Arbeit einzubinden.] In dieser Zeit habe sie auch Sven Skoda kennengelernt, der ab und zu vor Ort, aber kein fester Bestandteil der Clique gewesen sei.
In der Wohnung von Ralf S. auf der Gerresheimer Straße 13 und in seinem Militaria-Laden sei sie nie gewesen, so die Zeugin. Dass Ralf S. nach dem Anschlag in Verdacht gekommen war, habe sie mitbekommen. Schließlich sei die Polizei deswegen am 23. August 2000 bei ihr gewesen. Danach habe sie Ralf S. nur noch ein einziges Mal getroffen. Er habe sie nicht bezüglich ihrer Zeuginnen-Aussage instruiert. Sie habe ihn gefragt, ob er etwas mit dem Anschlag zu tun habe. Das habe er verneint. Von Seiten der Staatsanwaltschaft wurde – nicht zuletzt auf Grundlage der mitgeschnittenen Telefonate zwischen E. und S. – bezweifelt, dass es nur noch zu einem einzigen Treffen der beiden nach dem Anschlag gekommen sei. Aufgeklärt werden konnte das aber nicht.

 

Verlesung der Aussagen von Benjamin W.

 

Nach der Entlassung der Zeugin T. wurden Auszüge aus polizeilichen Aussagen von Benjamin W. aus den Jahren 2001 und 2016 verlesen. W., so der Vorsitzende, sei trotz eines offenen Haftbefehls aktuell nicht auffindbar. In den polizeilichen Aussagen des angeblich 2001 aus der neonazistischen Szene Ausgestiegenen ist viel die Rede von vermeintlichen Waffenverkäufen durch Ralf S., wobei die Beschreibungen der jeweiligen Situationen sehr detailliert ausfielen. W. sei von Ralf S. „so etwas wie am Wehrhahn, gleiche Vorrichtung“ angeboten worden, um Konflikte mit „Ausländern“ zu klären. Am 27. Juli 2000 [dem Tag des Sprengstoff-Anschlage] habe er (Benjamin W.) gemeinsam mit Sven Sch. gegen 15.30 Uhr Ralf S. in dessen Militaria-Laden besucht. Ralf S. habe sie euphorisch mit den Worten begrüßt: „Schade, dass ihr nicht zehn Minuten früher da wart, hier hat es richtig geknallt“. Anschließend habe Ralf S. eine Waffe an Sven Sch. übergeben, die dieser bestellt habe.

[Anmerkung: Die o.g. Aussagen von Benjamin W. werden offenbar von der Staatsanwaltschaft als völlig unglaubwürdig gewertet. Dennoch müssen sie zur Bewertung durch das Gericht in das Gerichtsverfahren eingeführt werden. Zu Benjamin W. siehe auch den Bericht von nsu-watch-nrw über die Sitzung des NSU-PUA NRW vom 17. Februar 2017.

 

Die Zeugin Silke P. (47)

 

Als letzte Zeugin wurde am 16. Verhandlungstag die Inklusionshelferin Silke P. befragt. Sie gab an, keine konkreten Angaben zum Sachverhalt machen, sehr wohl aber etwas zu Ralf S. sagen zu können. Sie könne sich nicht vorstellen, „dass er das gemacht hat“. Sie würde ihn anders kennen als die Medien ihn darstellen würden. Kennengelernt habe sie ihn, als sie nach der Trennung von ihrem Freund eine Wohnung oder ein Zimmer gesucht habe. Ralf S., der damals mit Doreen Sch. zusammen gewesen sei, habe „ein paar Jahre vor dem Anschlag“ ein Zimmer in seiner Wohnung auf der Gerresheimer Straße [gemeint gewesen sein dürfte die Hausnummer 37] gegenüber einer Schule inseriert, das sie sich angeschaut habe. S. sei ein Messi und die Wohnung voller Gerümpel gewesen, weswegen sie das Zimmer auch nicht genommen habe und vorübergehend zu ihren Eltern gezogen sei – und später dann (1999) auf die Ackerstraße. Sie habe keine Erinnerung daran, ob sie mal in seiner späteren Wohnung in der Gerresheimer Straße 13 gewesen sei. Das Haus käme ihr aber bekannt vor, es könne durchaus sein, dass sie es mal betreten habe.

Danach befragt, ob sie ein Verhältnis mit Ralf S. gehabt habe, gab die Zeugin an, dass sie kein Interesse an kurzen Affären gehabt hätte. S. hingegen habe „nichts anbrennen lassen“ und sei „kein Kind von Traurigkeit“ gewesen, er habe es immer wieder bei ihr versucht. Ein einziges Mal – und darauf sei sie alles andere als stolz – sei es zu „Intimitäten“ kommen, aber nicht zu mehr. Sie habe ein „freundschaftliches Verhältnis“ zu S. gehabt. Dass er zeitweise als Wehrhahn-Verdächtiger galt, habe sie mitbekommen. Nachdem S. dann irgendwann eine neue Freundin gehabt hätte [gemeint sein dürfte seine spätere Ehefrau Kathrin], habe sie ihn aus den Augen verloren. Jahre später – nachdem er bereits wieder getrennt gewesen sei – habe sie über Facebook wieder Kontakt zu ihm aufgenommen, da habe er in Ratingen gewohnt. Es sei aber nur ein sehr loser Kontakt entstanden. Letztmals vor seiner Festnahme Anfang 2017 habe sie S. um 2011 gesehen, da habe er „den Nikolaus“ für ihre Tochter „gemacht“ und dieser damit einen „Herzenswunsch erfüllt“. Nach seiner Festnahme habe sie sich um einen Kontakt zu Sonja K. bemüht, weil sie sich auf dem Laufenden halten wollte. K. habe sich bei ihr zurückgemeldet.

 

Ralf S. habe sie nie als „rechtsradikal“ wahrgenommen, so die Zeugin P. Das von den Medien transportierte Bild von ihm, würde nicht stimmen. Bei S. habe es sich eher um „viel Gerede um nichts“ gehandelt. Er sei lustig und habe nie Alkohol getrunken. Sie würde ihn als „liebenswerten Spinner“ bezeichnen, der „auf eine positive Art und Weise verrückt“ sei. Seine Begeisterung für Militaria und „Survival-Kram“ ginge „weit über das Normale hinaus“. Nach Äußerungen gegen „Ausländer“ befragt, gab P. an, fast nie mit ihm über Politik diskutiert zu haben, das sei nicht ihr Thema. Sie habe gewisse Äußerungen vom ihm nie ernst genommen. Und schließlich habe ja jeder schon mal über „Ausländer“ hergezogen: „Ich bin ganz weit links und ganz weit davon entfernt, was gegen Ausländer und Flüchtlinge zu haben, aber selbst ich habe schon mal das Wort Kanake benutzt.“

 

Nach dem Militaria-Laden befragt, gab S. an, dass dieser „nicht großartig anders“ als seine Wohnung ausgesehen habe. Sie habe dort viel „Militaria-Kram“ und „Survival-Zeugs“ gesehen. Und kartonweise bedruckte „Schulterklappen“. An Waffennachbildungen habe sie keine Erinnerung.

 

Auf die Frage, ob sie mit Ralf S. über den Anschlag gesprochen habe, gab P. an, dass sie mal zu ihm gesagt habe: „Ich dachte, du hast ein Alibi.“ Er habe mit „Ja“ geantwortet, dann aber das Thema gewechselt. Für sie sei es offensichtlich, dass er in Verdacht geraten sei, da ihm nachgesagt worden sei, „rechtsradikal“ zu sein. Aufgrund seiner Kleidung und seines Auftretens sei viel über ihn geredet worden, und es sei zu Unrecht behauptet worden, er liefe mit seinem Hund Patrouille. „Bei mir sagt ja auch niemand, ich gehe Patrouille, wenn ich mit meinem Hund rausgehe“, so P.

 

Von Seiten des Gerichts wurden der Zeugin Mitschnitte eines nach dem Anschlag abgehörten Telefonats mit Ralf S. vorgehalten. Darin sagte sie u.a., bezogen auf den Anschlag: „Als ich das gehört habe im Radio, habe ich direkt an dich gedacht.“ Das sei aber damals, so P. vor Gericht, nicht ernst gemeint gewesen. Als der Bereich der Wehrhahn-Brücke großräumig abgesperrt und ihr von einer Explosion berichtet worden sei, sei ihr erster Gedanke gewesen: „Was hat der Ralf da wieder gemacht...“. Schließlich sei auch sie nicht unbeeinflusst gewesen von den Klischees und Zuschreibungen, die es in Bezug auf S. gegeben habe. Das sei aber eher eine „scherzhafte Überlegung“ gewesen. Und sie habe keineswegs gedacht: „Das war der Ralf.“

Als Ralf S. ihr am Telefon gesagt habe, er werde verdächtigt, weil er „mal einen Lehrgang gemacht“ habe – „Bomben bauen, Bomben erkennen“ –, habe sie das unter dessen Militär-Spleen verbucht. Sie habe nicht einmal gewusst, dass er tatsächlich mal bei der Bundeswehr gewesen sei.

 

In dem Telefongespräch hatte P. zudem zu Ralf S. gesagt: „Du passt ja auch gut in das Bild, wie man sich so einen Täter vorstellt.“ S. hätte den Verdacht gegen ihn auch nicht ernst genommen, er habe sich keinerlei Sorgen gemacht. Auch das hätte ihr bestätigt, dass er nichts zu befürchten gehabt habe.

Auf Nachfrage der Nebenklage, wie sie denn unterscheiden könne, was sie ihm glauben und was sie ihm nicht glauben könne bzw. wann er übertreibe und wann nicht, antwortete P., dass S. bei „alltäglichen Dingen“ nichts übertreiben würde.

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