Der 20. Hauptverhandlungstag am 24. April 2018
Auf den Hauptverhandlungstag am 24. April wird in diesem Bericht nur sehr kurz eingegangen. Ralf S. wurde vom Oberstaatsanwalt noch einmal zu vielen Details befragt. Beispielsweise, wieso dieser am Tattag um die Mittagszeit auf der Worringer Straße hin und her gelaufen sei, zu seiner Bundeswehrzeit, zu seinen Sprengstoffkenntnissen, zum Fund eines Werbeflyers für einen elektronischen Sprengzünder in seiner Privatwohnung, zu etwaigen Schweißkenntnissen und zum etwaigen Bezug des Kölner Anzeigenblattes „Marktplatz“. In einem Exemplar dieser Zeitung war der Sprengsatz eingewickelt. Ralf S. ließ sich mehr oder weniger ausführlich zu den einzelnen Punkten ein, wiederholte aber im Wesentlichen bereits zuvor Gesagtes oder gab an, sich nicht mehr erinnern zu können. Von besonderer Relevanz für das Gerichtsverfahren könnte ein von Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück thematisiertes schwarzes Fahrzeug sein, das zur Tatzeit in der Nähe des S-Bahnhof-Zugangs Ackerstraße stand und das von Ralf S. in einem der abgehörten Telefonate erwähnt wurde. Näheres hierzu siehe den Bericht zum 22. Prozesstag.
Der 21. Hauptverhandlungstag am 27. April 2018
Die Zeugin Irina K., im Sommer 2000 Sprachschülerin im Gebäude Gerresheimer Straße 54, gab mit Unterstützung einer Dolmetscherin an, nur durch einen Zufall am 27. Juli 2000 nicht zur angegriffenen Gruppe gehört zu haben, da sie und ihr Mann aufgrund einer privaten Möbelanlieferung an diesem Tag nicht zum Unterricht hätten kommen können. Sie wären immer über den S-Bahnhof Wehrhahn mit der S-Bahn-Linie 6 an- und abgereist. An den Militarialaden („Messerladen“) schräg gegenüber dem Sprachschulgebäude, in dessen Erdgeschoss sich ein Matratzengeschäft befunden habe, könne sie sich noch gut erinnern, so K. Sie habe sich auch einmal die Auslagen im Schaufenster angeschaut. Oft aber hätten schwarz gekleidete kurzhaarige Männer vor dem Laden gestanden. Diese hätten eine Art „Ziviluniform“ bzw. Flecktarn getragen, schwarze Stiefel und militärisch wirkende Mützen. Auch einen schwarzen Schäferhund habe sie gesehen. Mitschüler*innen hätten erzählt, sie hätten weitere Hunde im Laden gesehen. Einmal – etwa eine Woche vor der Explosion – sei ihr und ihrem Mann aus den Reihen dieser Männer etwas Unfreundliches zugerufen worden, irgendwas mit „Ausländer“. Sie hätten eigentlich in den Laden reingehen wollen, hätten dann aber davon Abstand genommen und fortan soweit möglich einen Bogen um diesen gemacht. Die Männer hätten feindselig gewirkt, aber nie direkt vor dem Zugang zu den Seminarräumen der Sprachschule gestanden. Nach dem Anschlag habe das aufgehört, irgendwann sei auch der Laden geschlossen worden. Es sei ihr „logisch“ erschienen, dass zwischen dem Anschlag und dem Schließen des Ladens ein Zusammenhang bestehen würde.
Der zweite Zeuge an diesem Prozesstag, Thomas Z. (Name geändert), war zuvor nie polizeilich zum Wehrhahn-Anschlag vernommen worden. Zu einer gerichtlichen Zeugenvernehmung wurde er geladen, weil sein früherer Kollege, Ole T., am 19. Prozesstag als Zeuge ausgesagt hatte, dass Z. – und dann auch er selbst – Ralf S. am 27. Juli 2000 mittags auf der Worringer Straße „nervös“ auf und ablaufen gesehen hätten (siehe Bericht 19. Prozesstag). Z. konnte sich vor Gericht an das damalige Geschehen erinnern. Er habe Ralf S. nur vom Sehen aus der Nachbarschaft gekannt, man habe sich flüchtig gegrüßt, sich aber nie wirklich miteinander unterhalten. Einmal habe er, Z., sich im Militarialaden Schuhe zeigen lassen, diese aber dann doch nicht gekauft. Sein damaliger Kollege und Lebensgefährte T. habe hin und wieder mit Ralf S. geredet, aber auch keinen näheren Kontakt zu ihm gehabt. Z. bekundete, T. seine Beobachtung vom hin und her laufenden Ralf S. mitgeteilt zu haben, er wisse aber nicht mehr, wann er das getan habe. Möglicherweise sei T. an diesem Tag überhaupt nicht vor Ort gewesen, das wisse er aber nicht mehr. Er habe, so Z., kein Interesse gehabt, die Polizei zu informieren, das habe dann T. gemacht – anonym. T. habe dann offenbar der Polizei das erzählt, was er – Z. – gesehen und erzählt habe. T. habe „da viel Energie reingesteckt“.
Als nächster war am 24. April der promovierte Chemiker Hubertus S. an der Reihe, der als Sachverständiger das Sprengsatz-Gutachten des Mannesmann-Forschungsinstituts (MFI) erläutern sollte. An der Erstellung des Gutachtens war er jedoch nicht selbst beteiligt gewesen. Aus gesundheitlichen Gründen war es jedoch nicht möglich, den eigentlichen Verfasser zu befragen. S. erklärte, welche Verfahren zur Untersuchung der Bestandteile des Sprengsatzes bzw. der hiervon übrig gebliebenen Reste angewendet worden waren. Nach Analyse der chemischen Zusammensetzung des Werkstoffes der Bombenbehälterwand sei wegen des Kohlenstoff- und Mangan-Anteils festgestellt worden, dass es sich um einen GOST-Norm-zertifizierten Stahl handeln müsste. Danach stamme der Stahl offenbar aus Osteuropa, vermutlich aus Russland oder Bulgarien. Die eingefüllten Metallsplitter seien aber teilweise auch anderer Herkunft gewesen. Außen am stark korrodierten Rohr seien längs und quer angebrachte Sägeschnitte festgestellt worden, offenkundig, um Sollbruchstellen zu schaffen (Fragmentierung). Die Schweißnaht am Einfüllstutzen für den Zünder sei unprofessionell gefertigt worden. Man habe Lunker (Hohlräume) festgestellt, die auf eine falsche Wärmebehandlung schließen ließen. Ein professioneller Schweißer würde eine solche Schweißarbeit abwertend und umgangssprachlich als „gebraten“ bezeichnen. Sie sei aber funktional völlig ausreichend gewesen. Auf Nachfrage der Anklage gab der Sachverständige an, das zweite Gutachten der „Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition“ (WTD 91) in Meppen nicht zu kennen. In diesem war abweichend zum MFI-Gutachten festgestellt worden, dass der Bombenbehälter, also das Rohr, aus einem Stahl nach EURO-Norm gefertigt worden sei. Diesen Widerspruch aufzulösen, sah sich der Sachverständige vor Gericht nicht in der Lage, versprach aber, sich das WTD 91-Gutachten nach Erhalt anzuschauen und sich dazu später zu äußern. Er betonte noch einmal, dass für das MFI-Gutachten bei der Stahlbestimmung der Kohlenstoff- und der Mangan-Anteil ausschlaggebend gewesen seien. EURO-Norm-Stähle mit den festgestellten Kohlenstoff- und Mangan-Anteilen würde es nicht geben.
Als nächster Zeuge wurde der zur Zeit in der JVA Moabit wegen Computerbetrugs einsitzende Benjamin W. (38) befragt. Er gab an, nicht zu wissen, worum es im Prozess überhaupt gehe. Dies wurde ihm erklärt. W. gab auf Frage an, damals der rechten Szene in Düsseldorf angehört zu haben. Der Name des Angeklagten würde ihm irgendwas sagen, er habe aber nichts Konkretes erinnerlich. Der Zeuge gab an, 2016 einen Schlaganfall erlitten zu haben, in dessen Folge er vieles vergessen habe. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er 2001 der Polizei berichtet habe, dass Ralf S. ihm kurz zuvor eine Schusswaffe und einen Sprengsatz zum Kauf angeboten und anderen Neonazis Schusswaffen verkauft habe, antwortete W., er habe daran keine Erinnerung mehr. Daraufhin wurden Auszügen aus seiner damaligen Vernehmung verlesen (siehe Bericht 16. Prozesstag). Zudem wurde eine Aussage von W. verlesen, in der dieser angegeben hatte, wegen seines „Ausstiegs“ 2001 von einer großen Gruppe auswärtiger Neonazis mit Messern angegriffen worden zu sein und trotz erfolgreicher Gegenwehr Messerschnitte im Gesicht davon getragen zu haben. Ein rechtsmedizinisches Gutachten hatte damals nach einer Untersuchung der Verletzungen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt von W.s Angaben formuliert und eine Selbstverletzung als möglich erachtet.
Anmerkung: Die Ralf S. belastenden Behauptungen von W. sind offenbar nicht Bestandteil der Anklage, da auch die Staatsanwaltschaft seinen Angaben keinen Glauben zu schenken scheint. Offenbar wurde W. nur aus Gründen der Vollständigkeit geladen, ohne Prozessrelevantes von seiner gerichtlichen Aussage zu erwarten.
In knapp 20 Minuten gab nach der Mittagspause der forensische Psychiater Dr. Sven-Uwe Kutscher zum Abschluss des 21. Prozesstages dem Gericht sein Sachverständigen-Gutachten in mündlichem Vortrag zur Kenntnis. Bereits am 11. Prozesstag am 5. März 2018 hatte der Psychiater eine erste vorläufige Auskunft über die Untersuchung und Befragung des Angeklagten gegeben. Kutscher hatte Ralf S. während dessen Untersuchungshaft in sechs Explorations-Sitzungen befragt und ihn in verschiedenen Testverfahren zu Intelligenz sowie psychischer Disposition und Situation untersucht. An diesen ersten Zwischenbericht anknüpfend fasste Dr. Kutscher am 21. Prozesstag seine Bewertung des Angeklagten erneut zusammen, diesmal ergänzt um seine Beobachtungen zum Verhalten von Ralf S. während der Gerichtsverhandlung. In das Gutachten flossen außerdem die Äußerungen des Angeklagten ein, wie er sie etwa in den von den Ermittlungsbehörden überwachten und aufgezeichneten Telefonaten gemacht hatte. Diese Telefonate wurden teilweise durch Abspielen als Tondokument in den Prozess eingeführt.
Während der gesamten Hauptverhandlung sei Ralf S. „wach, bewusstseinsklar und konzentriert“ gewesen, habe nicht abwesend gewirkt und sei nicht durch grundlegende „Brüche“ in seinem Verhalten aufgefallen. Gelegentliche emotionale Aufwallungen habe er durch Unterstützung seiner Verteidiger*innen in gebührendem Maße wieder herunterpegeln können. Insbesondere gäbe es für ihn, den Gutachter, aus dem Verhalten von Ralf S. während der Verhandlung keinerlei Hinweise auf eine „inhaltliche Denkstörung“ oder eine „psychotische Störung“. Die von Ralf S. geäußerten Inhalte, die in den Bereich verschwörungstheoretischer Denkmuster fielen, habe der Angeklagte auch bereits in der Untersuchung durch den Psychiater formuliert. Demnach habe er etwa die Befürchtung geäußert, dass man sich mit der Anklage gegen ihn verschworen habe und er vielleicht eines Tages so ende wie „Mundlos und Böhnhardt“ [Anmerkung: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrundes“, NSU, waren am 4. November 2011 erschossen in einem Wohnmobil in Eisenach aufgefunden worden]. Insgesamt gesehen habe der forensische Psychiater jedoch nicht den Eindruck, dass bei Ralf S. diesbezüglich eine psychotische oder affektive Störung vorliege.
Mit Blick auf die Biographie des Angeklagten seien Entwicklungsstörungen in Kindheit und Jugend von Ralf S. zwar nicht ausschließbar, Hinweise hierfür lägen jedoch nicht vor. Es seien für diese Lebensperiode keine „gravierenden belastenden Störungen“ beschreibbar, auch nicht hinsichtlich des „Außenseitertums“. Nach Angaben des Angeklagten habe dieser nie Beratungsangebote zur psychischen Gesundheit wahrgenommen. Es bestünden keine Hinweise auf Diagnosen nach einschlägigen klinischen Klassifikations-Manualen (der ICD 10 bzw. der DSM V), die (psychische) Krankheiten beschreiben und einordnen.
Dieser Befund träfe auch für die weitere Biografie des Angeklagten zu. Es gäbe zwar gewisse Hinweis auf psychische „Akzentuierungen“. Diese seien aber nicht in „krankheitswürdiger“ Ausformung zu beobachten bzw. zu beschreiben. Dr. Kutscher nannte hier in seinem Gutachten-Vortrag insbesondere das Stalking-Verhalten des Angeklagten, wie es in den Zeuginnen-Aussagen der ehemaligen Beziehungspartnerinnen zu ihren Erlebnissen nach Trennung von Ralf S. zur Sprache gekommen sei – in Verbindung mit problematischem Konfliktlösungs-Verhalten und einer nachtragenden Haltung. In diesem Zusammenhang formulierte der Gutachter ein weiteres Mal seine Explorations- und Beobachtungs-Erkenntnisse zu den narzisstischen Persönlichkeits-Teilen des Angeklagten: den Tendenzen, sich selbst zu überhöhen, andere zu manipulieren sowie Negativ-Wahrnehmungen und Situationen des Misserfolgs durch „Abspaltung“ zu verdrängen und nicht wahrhaben zu wollen. Für letzteres spräche etwa die überzeugt geäußerte Selbstwahrnehmung des Angeklagten, über ausreichende finanzielle Ressourcen zu verfügen, im Grunde aber mittellos zu sein. Die Verwahrlosung der persönlichen Umgebung (Wohnung und Laden) gehörten ebenfalls in dieses Bild.
Auch auf die Äußerungen des Angeklagten gegenüber verschiedenen Gesprächspartner*innen am Telefon ging der Sachverständige ein. Ralf S.‘ Telefongespräche waren in den ersten Wochen nach dem Anschlag von den Ermittlungsbehörden der Ermittlungskommission „EK Acker“ abgehört worden. Auch seit der Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen den Angeklagten im Sommer 2014 durch die „EK Furche“ wurden Ralf S.‘ Telefon-Kontakte überwacht – bis zu seiner Festnahme am 31. Januar 2017. Verschiedentlich waren Tondokumente dieser Telefonkommunikationsüberwachung (TKÜ) durch Abspielen in den Prozess eingeführt worden, sodass der forensische Psychiater sie in seine Bewertung einfließen lassen konnte. Hier habe der Angeklagte, so Dr. Kutscher, wiederholt und mitunter in drastischem Ausmaß seine „ausländerfeindliche“ Haltung zum Ausdruck gebracht – auch in jüngerer Zeit. Auch sei diese durchaus von antisemitischen Haltungsmustern geprägt. Aus medizinisch-psychiatrischer Sicht seien Äußerungen, wie die aus den TKÜ-Mitschnitten gehörten, jedoch keine Einstellungen oder Haltungen „pathologischen Stiles“. Es handele sich vielmehr um politische Grundeinstellungen.
Die TKÜ-Mitschnitte hätten darüber hinaus, so Dr. Kutscher schließlich, über den Angeklagten gezeigt, dass dieser in der Art und Weise, wie er über den Anschlag gesprochen habe, durchaus über intakte Erinnerungsleistungen und Realitätswahrnehmungen verfüge – Punkte, die auch generell für eine Tatvorbereitung eines Anschlages eine erhebliche Rolle spielten.
Abschließend fasste der sachverständige Gutachter zusammen: Für den Fall, dass der Angeklagte der Tat für schuldig befunden würde, sei er in strafrechtlichem Sinne voll verantwortlich. Es seien weder Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen (§ 20 StGB) noch eine verminderte Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bei Begehung der Tat anzunehmen. Strafmildernde Gründe seien dementsprechend nicht herzuleiten. In der Folge greife auch § 63 StGB nicht [der StGB-Paragraph sieht hier als Rechtsfolge einer begangenen Straftat die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus als freiheitsentziehende Maßregel vor – auch mit präventivem Charakter].
Auf Bitte des Vorsitzenden Richters wird Dr. Kutscher auch im weiteren Verlauf des Prozesses für die Beantwortung von Nachfragen bereitstehen.
Der 22. Hauptverhandlungstag am 3. Mai 2018
Als erster von zwei Zeugen wurde am 3. Mai Udo P. vom Landeskriminalamt (LKA) NRW befragt. Die Strafkammer war insbesondere am Thema Sprengzünder in Verbindung mit dem bei Ralf S. Anfang August 2000 bei einer Hausdurchsuchung gefundenen Werbeflyer eines elektronischen Sprengzünders der Firma „Dynamit Nobel“ interessiert. Udo P. erläuterte die Funktionsweise verschiedener Bauarten von Sprengzündern und deren Handhabung. Letztendlich ergab sich für nicht sachverständige Zuhörer*innen, dass der auf dem Werbeflyer angepriesene elektronische Sprengzünder auch ohne elektronisches Zündgerät einsatzbereit und kabellos aktivierbar wäre, sofern ein bestimmtes elektronisches Bauteil (Chip) am Sprengzünder überbrückt würde. Dieses Bauteil diene der Sicherheit. Es bewirke, dass eine Detonation erst nach dem Empfang eines zuvor exklusiv definiertes elektronisches Signal eingeleitet werde. Bei einer Überbrückung dieses Bauteils würde eine 9-Volt-Blockbatterie und eine herkömmliche Funkfernsteuerung zur Aktivierung ausreichen – bei gleichzeitiger Erhöhung der Anfälligkeit für Störungen durch äußere Einflüsse. Allerdings gab der Experte an, dass der betreffende Chip bei elektronischen Sprengzündern eigentlich innen und nicht außen verbaut und damit nicht ohne weiteres überbrückbar sei. Nach Vorhalt der Aussage eines anderen sachverständigen Zeugen, der das Gegenteil behauptet hatte, relativierte er diese Einschätzung. Möglicherweise sei das Bauteil bei dem betreffenden Modell außen angebracht und damit frei zugänglich.
Der nächste Zeuge, Dennis L. (Name geändert), wohnte zum Tatzeitpunkt auf der Ackerstraße und hatte wenige Minuten vor der Detonation den S-Bahnhof Wehrhahn durch den Eingangstunnel an der Ackerstraße betreten. Bereits zuvor hatte er gegen 14.20 Uhr von seiner Wohnung aus einen vor der Ackerstraße 53 (schräg gegenüber des Tunnelzugangs) abgestellten PKW stehen gesehen – eine schwarze viertürige Limousine. In dieser hätten über die gesamte Zeit seiner etwa 40-minütigen Beobachtung zwei Männer gesessen, auch noch, als er kurz vor 15 Uhr den S-Bahnhof betrat. Dies alles hatte der Zeuge 2000 der Polizei berichtet. Seine damalige Aussage wurden vor Gericht per Vorhalt bzw. Verlesung eingeführt, da sich der Zeuge („ich hatte 2002 bis 2004 eine ziemlich starke Drogenphase“) an nichts mehr erinnern konnte, auch nicht daran, damals knapp dem Tod entronnen zu sein, weil er wenige Minuten vor dem Anschlag den späteren Tatort passiert hatte. Was der Zeuge aus seiner Erinnerung heraus jedoch angab: Zu Ralf S. habe er nie Kontakt gehabt, er kenne ihn überhaupt nicht.
Anmerkung: Von Seiten der polizeilichen Ermittler*innen konnten zu dem schwarzen Kfz keine weiteren Erkenntnisse recherchiert werden. Die Spur wurde 2000 offenbar recht zeitnah zu den Akten gelegt. Dennoch ist das Fahrzeug von Bedeutung für die Anklage. Laut Staatsanwaltschaft wurde es nur von einem einzigen Zeugen beschrieben: von Dennis L. Ralf S. erwähnt es aber in einem seiner Telefongespräche, das von den Ermittler*innen abgehört wurde, wie am 20. Hauptverhandlungstag in die Beweisaufnahme eingeführt wurde. Ralf S. will sich jedoch am Tattag überhaupt nicht in der Nähe des S-Bahnhof-Zugangs Ackerstraße aufgehalten haben. Am 20. Prozesstag danach befragt, woher er die Information mit dem schwarzen Auto gehabt hätte, gab er an, daran keine Erinnerung mehr zu haben, er habe das wohl von irgendwem berichtet bekommen. Den Zeugen Dennis L. kenne er nicht.
Als letzter Zeuge war am 3. Mai 2018 der Justizbeamte Uwe P., Inspektor für Sicherheit und Ordnung in der JVA Castrop-Rauxel, in der Ralf S. 2014 für einige Monate einsaß, erschienen.
P. berichtete, dass der Häftling Andreas L. (siehe Bericht 8. Prozesstag) aufgeregt in sein Büro in der JVA gekommen sei, um etwas zu besprechen. L. habe dann berichtet, dass Ralf S. ihm erzählt hätte, einen Rohrbombenanschlag in Düsseldorf verübt zu haben. Er (P.) habe sich das alles berichten lassen und dann ein Fax an die Polizei geschickt. Wieso in diesem Fax vom Düsseldorfer Flughafen und nicht vom S-Bahnhof Wehrhahn als Anschlagsort die Rede war, sei ihm unklar. Möglicherweise sei ihm das mit den Flughafen von einer Mitarbeiterin, mit der Andreas L. ebenfalls gesprochen hatte, so berichtet worden und er habe es einfach übernommen. Er habe dann L. noch einmal handschriftlich zusammenfassen lassen, was geschehen sei, und das Ergebnis ebenso weitergeleitet. Ralf S., der eine 168-tägige Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen gehabt hätte, habe er nie kennengelernt.
Auf Frage des Oberstaatsanwalts gab der Zeuge an, dass Andreas L. keinerlei Gegenleistungen für seine Angaben verlangt und auch keinerlei Vergünstigungen bekommen habe.
Zum Abschluss des 22. Prozesstages wurden Videos in die Beweisaufnahme eingeführt, in denen durch Abgehen von drei Wegstrecken in zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten (gemächlich sowie zügig, aber ohne zu rennen) dokumentiert wurde, wie lange es nötig ist, diese zu begehen. Alle drei Strecken führten zur Privatwohnung des Angeklagten zum Zeitpunkt des Anschlags. Zum einen die Wegstrecke vom S-Bahn-Tunnel-Eingang Ackerstraße, zum zweiten von einem Lichtschaltkasten gegenüber der Gerresheimer Straße 69 (von der Anklage als Ort der Fernzündung angenommen, siehe Bericht 15. Prozesstag) und zum dritten vom damaligen Tattoo-Laden der Zeugin L., von dem aus der Angeklagte am Nachmittag des Tattags nach Hause gegangen sein will, um dort dann um 15.07 Uhr ein Festnetztelefonat abzusetzen. Daraus ergab sich – ohne dass dies noch einmal explizit festgestellt wurde –, dass es Ralf S. möglich gewesen wäre, innerhalb des Zeitfensters von etwa vier Minuten nach der Detonation bei zügiger Gangart vom Lichtschaltkasten aus in seine Wohnung zu gelangen, um dort dann ein Festnetz-Telefonat zu führen. Es ergab sich aber auch, dass es zeitlich möglich ist, dass er zum Tatzeitpunkt noch in dem Tattoo-Laden war.