3. Prozesstag im Wehrhahn-Prozess – Landgericht Düsseldorf, 2. Februar 2018

Der dritte Tag der Hauptverhandlung teilte sich in drei Themenblöcke auf: die Fortsetzung der Befragung durch das Gericht bzw. weitere Vorhalte aus dem Ermittlungsverfahren, die Befragung des Angeklagten durch die Staatsanwaltschaft sowie erste Fragen der Vertretungen der Nebenklagen.

Am Anfang des dritten Prozesstages im Düsseldorfer Wehrhahn-Prozess standen zunächst weitere Fragen des Vorsitzenden Richters Rainer Drees an den Angeklagten. Hierzu führte das Gericht außerdem Foto-Aufnahmen diverser Gegenstände in das Verfahren ein, die bei Hausdurchsuchungen beim Angeklagten beschlagnahmt worden waren. Die Fotos zeigten dabei zum einen legale Waffen, Waffenattrappen und Bauteile von Waffen, wie beispielsweise eine leere Übungshandgranate, Teile einer englischen MP und einen Handgranaten-Ring. Nach den Gründen für den Besitz der Waffen und Waffenteile gefragt, machte Ralf S. drei verschiedene Angaben. Es habe sich teilweise um „Sammlerstücke“ gehandelt, die legal zu erwerben seien. Außerdem will er sie für Ausbildungstrainings als Attrappen benötigt haben. Schließlich habe er sie in seinem Fundus gehabt, um sie als Requisiten an Theater- oder Filmproduktionsgesellschaften für deren Ausstattung verleihen zu können. Zu einem Verleih sei es aber nie gekommen. Das sei „halt nur so eine Idee“ gewesen, so der Angeklagte.

Die vorgehaltenen Abbildungen der Asservate aus den Hausdurchsuchungen zeigten zum anderen Aufnäher, Armbinden, Fahnen und Tonträger. Hierzu gab S. an: Die gezeigten Gegenstände mit Hakenkreuz-Symbolik seien ausschließlich für den Theater- und Filmverleih bestimmt gewesen. Die Tonträger (u.a. von den RechtsRock-Gruppen „Kraftschlag“, „Störkraft“ und „Sturmwehr“), allesamt aus dem Hause eines „Freien Tonträger Vertriebs“, hätte ihm jemand zum Weiterverkauf als Kommissionsware vorbeigebracht.

Alle anderen in der Hauptverhandlung gezeigten Aufnäher, Aufkleber, Fahnen, die bei S. sichergestellt worden sind, beschrieb Ralf S. als Teil seines breiten Angebotes. Er habe „querbeet“ bestellt, habe alles Mögliche an Aufnähern, Fahnen oder Stickern in seinem Laden gehabt, darunter offenbar auch die vom Gericht gezeigten „Ku Klux Klan“-Fahnen, „Nationales Infotelefon Rheinland“-Aufkleber, „White Power“- sowie „Hammer und Schwert“-Abzeichen. S. bezeichnete diese einschlägig rechts einzuordnenden Symbolträger in der Befragung wiederholt als Teil einer Gesamtpalette von Angeboten aus verschiedensten Szene-Hintergründen. Zum Verkauf angeboten habe er die Sachen aber nicht, zumal sein Laden quasi nie geöffnet und auch nicht als Verkaufsladen gedacht gewesen sei. Wozu er sie dann überhaupt bestellt hatte, blieb trotz Nachfrage unklar.

Die Inaugenscheinnahme der Asservate umfasste des Weiteren auch mehrere, von Ralf S. selbst gefertigte Flyer – teilweise handgeschrieben. Inhaltlich richteten sich diese gegen „Kinderschänder“, „Kommunisten“ (gemeint habe er, so S. auf Nachfrage, die Mitarbeiter*innen des im Stadtteil mit einem Büro ansässigen Transportunternehmens „Sägewerk“), „Junkies“ und „Drogendealer“. Seine Botschaft: „Ausweise mögen käuflich sein, Rasse und Stolz nicht“.

Schließlich hielt Richter Drees dem Angeklagten zwei Papiere vor, die sich mit den technischen Hintergründen von Sprengsätzen beschäftigen: eine Betriebsanleitung, genannt „Technische Informationen“, für einen elektronischen Zünder der Firma „Dynamit Nobel“ sowie die Kopie einer „Zentralen Dienstvorschrift“ (ZDV 3/17) der Bundeswehr zum Thema Handgranaten. Wie diese beiden Papiere in seine Wohnung bzw. in seinen Laden gekommen seien, konnte S. nicht erklären. Er habe sie erst in den Prozessakten gesehen. Und es hätten ja schließlich sehr viele Leute Zugang zum Laden und zur Wohnung gehabt.

 

Anschließend konfrontierte Richter Drees den Angeklagten mit dem Brief eines Rechtsanwaltes aus dem Jahr 2005. Aus dem Schreiben ging hervor, dass S. offenbar einen Anwalt damit beauftragt hatte, den Besitzer oder Vermieter einer Lagerhalle, die S. genutzt hatte, zur Herausgabe verschiedener Gegenstände aufzufordern. Allem Anschein nach hatte der Vermieter bzw. Besitzer der Lagerhalle S. den Zugang zu seinen Sachen zuvor verwehrt. Zu dem Schreiben des Anwaltes gehörte auch die nun vom Gericht vorgehaltene Liste von Gegenständen, die S. mit anwaltlicher Unterstützung zurückgefordert habe: darunter auch zwei Schweißgeräte. Der Vorsitzende Richter kam mit diesem Vorhalt auf S.' Aussage zurück: Auf Fragen nach der Herstellung der handgeschweißten Wehrhahn-Bombe hatte S. mehrfach ausgesagt, dass er kein Schweißgerät besessen habe und auch nicht damit hätte umgehen können. Auf Nachfrage, warum auf der Liste nun aber die beiden Schweißgeräte auftauchten, gab S. jetzt an: Er habe die Liste etwas aufgestockt, also diverse Gegenstände auf die Liste gesetzt, die es überhaupt nicht gegeben habe. Tatsächlich habe sich nie ein Schweißgerät in der Halle befunden. Zudem sei der Vorfall Jahre nach dem Anschlag gewesen.

 

Weitere Fragen hatte Richter Drees zu einem Artikel aus dem „Ratinger Anzeiger“ (WZ) vom 6. Januar 2004. Hier wurde unter dem Titel „Waffen der Angreifer kennen“ über ein vom Arbeitsamt finanziertes Seminar berichtet, das von Ralf S. zusammen mit anderen gestaltet wurde. Thematisch ging es darum, wie sich – beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit als Personenschützer – Sprengfallen rechtzeitig erkennen lassen, bevor sie Schaden anrichten können. Offenbar ging es dem Vorsitzenden Richter bei der Einführung dieses Artikels als Beweismittel um die Frage, ob S. als Leiter des Seminars, bei dem er anderen das Erkennen von Sprengfallen habe beibringen wollen, die Attrappen selbst gebaut habe und diese Fertigkeit nicht eben auch ein Wissen über die Bauweise von Sprengfallen voraussetzt. S. bestand in seiner Antwort darauf: Die „Sprengfalle“ in der Übung sei nur eine billige Attrappe gewesen. Weniger einsilbig betonte S. in diesem Zusammenhang aber wiederholt, dass er auf einem der WZ-Fotos zusammen mit einer „Araberin“ und einem „Afrikaner“ zu sehen sei: „So bin ich wirklich.“

 

Noch vor der Mittagspause erteilte der Vorsitzende Richter Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück das Wort für seine Fragen an den Angeklagten. Herrenbrück thematisierte im Folgenden vor allem diejenigen Angaben des Angeklagten, die sich bis zu diesem Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren und nun in der Hauptverhandlung erneut als widersprüchlich dargestellt hatten, beispielsweise zum Verlauf des Tattages. Bei der Befragung durch Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück wurde der Angeklagte auffallend laut und ungehalten, polterte gegen die Fragen des Oberstaatsanwalts an. Seine Verteidiger*innen sprangen ihm zur Seite, bremsten ihren Mandanten wiederholt mit „Stop“ und wiesen Fragen der Staatsanwaltschaft zurück. Der Ton seitens der Anklagebank war mit einem Mal barsch und brachte erstmals eine nicht zu überhörende Schärfe in die Verhandlung.

 

Oberstaatsanwalt Herrenbrück stellte im weiteren Verlauf eine Reihe konkreter Fragen, etwa ob Ralf S. für den VS gearbeitet habe oder Geld vom VS bekommen hätte. S. antwortete mit den bereits aus dem 1. Prozesstag bekannten Worten: „Negativ. Nein“. Er habe sich aber durchaus selbst angeboten und mit Tipps und Hinweisen unterstützend gewirkt, quasi im Sinne von „Bürger helfen der Polizei“. Eine „offizielle Zusammenarbeit“ habe es aber nicht gegeben.

Ähnlich konkret bohrte Herrenbrück zu den widersprüchlichen Angaben nach, dass S. sich am Tattag mit einer Frau getroffen haben wolle: Ob er sich mit der namentlich nicht bekannten, vermeintlichen Auftraggeberin für einen Detektiv-Job („fuhr einen Chevi“) um 13.30 Uhr auf der Worringer Straße nun getroffen habe, oder nicht. Und ob es bei diesem Treffen – falls es stattgefunden habe – eine Neuverabredung zu einem weiteren Treffen, am selben Tag um 16 Uhr, gekommen sei. Auch hier blieb Ralf S. zunächst vage, sprach dann aber davon, dass es durchaus möglich sei, dass er sich nie mit ihr getroffen habe. Er habe sich nur telefonisch mit ihr verabredet. Sie sei aber nicht gekommen.

 

Anmerkung: Dieser 16-Uhr-Termin ist insofern relevant für den Prozess, als dass der Angeklagte angegeben hatte, dieser sei der Grund gewesen, wieso er nach dem Anschlag überhaupt auf die Straße gegangen sei. Aufgrund des Hubschrauberlärms habe er zuvor seinen Funkscanner angeschaltet, um über den Polizeifunk zu erfahren, was passiert sei. In den Stunden nach der Tat war der Hintergrund der Detonation auf dem S-Bahnhof Wehrhahn noch völlig unbekannt. Dennoch soll S. – so die Anklage – in einem Telefonat eine halbe Stunde nach dem Anschlag seiner Bekannten L. seine Befürchtung mitgeteilt haben, festgenommen zu werden. Den Inhalt des Telefonats streitet S. ab, und eine Telekommunikationsüberwachung gab es erst ab dem 31. Juli 2000. Es verbliebe also die Zeugin L., um über den Inhalt des Telefonats zu berichten.

 

Der Funkscanner interessierte Ralf Herrenbrück besonders. Bei der Hausdurchsuchung bei S. sei kein Scanner gefunden worden, so Herrenbrück. Aus den Prozessakten präsentierte er zudem ein Schriftstück, aus dem hervorging, dass S. Wochen vor dem Anschlag einen Kellereinbruch zur Anzeige gebracht hatte. Auf der Liste der gestohlenen Gegenstände sei auch ein Funkscanner aufgeführt. Hierauf gab S. an: Es habe nie einen Kellereinbruch gegeben. Er habe den Einbruch nur vorgetäuscht, um Geld von der Versicherung zu bekommen. Der Scanner habe sich in seiner Wohnung befunden, und er habe ihn wie angegeben genutzt.

 

Nach der Befragung durch den Oberstaatsanwalt waren dann die Nebenklagevertreter*innen an der Reihe, den Angeklagten zu befragen. Drei von vier Nebenklagevertreter*innen befragten den Angeklagten. Der vierte hatte sich an diesem Tag von einer Kollegin vertreten lassen, von seinem Fragerecht werde er ggf. zu einem späteren Zeitpunkt persönlich Gebrauch machen.

Eine Nebenklagevertretung führte einen weiteren Auszug aus der Telefonüberwachung in das Verfahren ein. Erneut wurde die Tonaufnahme eines Telefonats von Ralf S. eingespielt. Hier erging S. sich im Gespräch mit einer Verwandten erneut in übelsten rassistischen Beschimpfungen und Vernichtungsfantasien. In der weiteren Befragung wurde S. auch noch einmal auf einen Vorhalt aus dem letzten Prozesstag angesprochen: das Telefonat, in dem er den Neonazi-Code „88“ („Heil Hitler“) benutzt hatte. Was er damit gemeint habe, wollte die Nebenklagevertreterin vom Angeklagten wissen, vorhaltend, dass es sich dabei um den bekannten Zahlencode handelt. S. antwortete lapidar, dass im Jahr 88 sein Vater verstorben sei. Ansonsten würde er mit dieser Zahl nichts verbinden.

 

Eine weitere Frage der Nebenklage thematisierte, dass der Polizeiunterstützer, Privatdetektiv und ehemalige Soldat Ralf S. am Tattag offenbar nicht sofort auf die Straße gegangen sei, als er die Hubschrauber gehört und den Polizeifunk abgehört habe. Da hätte es doch eine Art „Jagdinstinkt“ geben müssen. Und wieso habe es kein Interesse beim Privatdetektiv S. nach dem Anschlag gegeben, an der Aufklärung mitzuwirken? Die Antwort des Angeklagten auf den ersten Teil fiel ausweichend aus. Zur Frage der Aufklärung antwortete er , dass ihm „das mit der osteuropäischen Kriminalität“ – so sei auf der Straße gesprochen worden – zu „heikel“ gewesen sei.

 

Mit dem dritten Prozesstag hat die Strafkammer die Einlassungen und Befragungen des Angeklagten zur Sache vorerst abgeschlossen. Das Gericht kann sich aber auch weiterhin jederzeit mit weiteren Fragen an den Angeklagten wenden. Auch kann der vierte Nebenklagevertreter, der sich am dritten Prozesstag hat vertreten lassen, seine Fragen an den Angeklagten stellen. Für den vierten Prozesstag am 5. Februar 2018 (Beginn 9.30 Uhr) sind nun aber zunächst die ersten Zeuginnen und Zeugen vorgeladen: Zwei Polizeibeamte, die S. vernommen hatten, sowie eine Mitarbeiterin der JVA Castrop-Rauxel.

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