Zunächst aber meldete sich Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück mit einer Erklärung zu Wort, die den vorausgegangenen Prozesstag betraf. Hier hatte das Gericht unter anderem den Sachverständigen Thomas Enke zum Selbstelaborat der Rohrbombe gehört. Herrenbrück führte nun zu Beginn des Prozesstages aus, dass er unter Berücksichtigung der Verdienste des Sachverständigen Thomas Enke dennoch darauf hinweisen müsse, dass es Enke aufgrund unzureichender Aktengrundlage nicht möglich gewesen sei, sämtliche Gutachten in seine Bewertung der Herkunft des Sprengkörpers einzubeziehen. Enke hatte beim 6. Prozesstag aus seiner persönlichen Erfahrung eine (süd)osteuropäische Herkunft favorisiert. Herrenbrück wies nun darauf hin, dass die Einschätzung der Wehrtechnischen Dienststelle Meppen, dass es sich wahrscheinlich um einen Stahl nach Euro-Norm handeln würde, damit keineswegs widerlegt sei. Hierzu sei eine weitere Abklärung nötig. Herrenbrück gab darum die Beweisanregung zu Protokoll, dass das Gericht die Gutachter selbst hören möge. Die Gutachten im Selbstleseverfahren oder als Verlesung in den Prozess einzuführen, sei seiner Meinung nach nicht ausreichend. Außerdem gab Herrenbrück die Beweisanregung, die Zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr (ZdV) zum Gebrauch von Handgranaten im Gericht in Augenschein zu nehmen.
Der Zeuge Sven Sch.
Der erste Zeuge an diesem Tag, Sven Sch. (37, Düsseldorf ) bekundete, Ralf S. 1998/1999 „auf einem Treffen“ oder „im Laden“ kennengelernt zu haben und etwa ein Jahr für ihn gearbeitet zu haben. Ralf S. sei für die Firma SGS im Bereich Objektschutz und parallel als SDS selbstständig gewesen. Er selbst (Sven Sch.) habe ohne Vertrag für SDS gearbeitet. „Dienstbesprechungen“ hätten er und S. entweder im Laden oder auch mal bei einem Kaffee in der Altstadt durchgeführt. In der Freizeit habe man mal zusammen einen „Liederabend“ besucht. Im August 2000 habe er den Kontakt abgebrochen, da Ralf S. ihm 1.500,- DM für seine Arbeit schuldig geblieben sei. Zuletzt habe er an jenem Abend für S. gearbeitet, als dieser im Jahr 2000 „festgenommen“ worden sei.
Er sei damals in der „rechten Szene“ gewesen, so Sch. In einer Skinhead-Clique, „aber nicht so wie die in Garath“, die auch Leute angegriffen hätten und auf „Streifzug“ gegangen wären. Er und die etwa gleichaltrigen Leute aus seinem „Freundeskreis“ aus Bilk und Stadtmitte hätten sich mehr für Alkohol und Musik interessiert und „keinen Ärger“ haben wollen. Alle hätten ungefähr die „gleiche Haltung“ gehabt, manche seien „etwas extremer“ drauf gewesen. Auf Nachfrage gab er an, dass er eine WP-Tättowierung habe, das stünde für „White Power“. Ralf S. habe nicht zur Clique gehört. Teil der Gruppe sei auch eine Frau gewesen. Von Sven Skoda habe er sich ferngehalten, das sei ihm „zu gefährlich“ gewesen. Er habe „Spaß haben und Musik hören“ und nicht „vermummt auf Demos rumlaufen“ wollen. Zur Clique habe auch Christian N. gezählt, genannt „Barsch“. Später auch André, genannt „Gonzo“. Der habe auch „ein bis zwei Monate“ bei ihm gewohnt. Und auf einem „Liederabend Eintrittskarten kontrolliert“. Auf die Frage, ob Christian und André Kontakt zu Ralf S. gehabt hätte, antworte Sven Sch. mit „eigentlich gar nicht“.
Er selbst habe sich in der Zeit nach dem Anschlag aus der Szene zurückgezogen, da seine Freundin ein Kind erwartet habe. Das hätte nun mal Vorrang gehabt. Er sei auch enttäuscht von der Szene gewesen, da entgegen aller Bekundungen Drogen konsumiert worden seien. Außerdem sei der Druck auf die Szene gewachsen. Mit dem Anschlag habe er auch nichts zu tun haben wollen.
Er habe nicht mitbekommen, so Sch., ob Ralf S. „eine Bombe gebaut“ habe. S. habe auch nie davon gesprochen, dass er sich mit Sprengstoff auskennen würde. Auch habe er (Sch.) nicht gewusst, dass sich gegenüber dem Militaria-Laden Seminarräume einer Sprachschule befunden hätten. Ralf S. habe ihm mal vor dem Anschlag erzählt, „Jugos“ hätten ihm Anfang 2000 eine Handgranate verkaufen wollen, was er aber abgelehnt habe.
Er, Sch., habe sich mit Ralf S. oft über „Drogendealer“ und „Junkies“ unterhalten, das sei in der Gegend S-Bahnhof Wehrhahn – in der auch er damals mal gewohnt habe – „akut“ gewesen. Er habe mit den Leuten im Gegensatz zu S. aber keine Probleme gehabt. S. habe damals Fotos gemacht und an die Polizei weitergegeben. S. habe die Leute auch „angesprochen“, dass sie das „unterlassen“ mögen. Einer bestimmten Nationalität habe man die Drogenszene aber nicht zugeordnet. Ralf S. habe mal auf der Ackerstraße gewohnt und von seiner Wohnung aus auf die Drogenszene auf dem Worringer Platz gucken können.
Ralf S. sei „kein Freund von Ausländern“ gewesen, „egal ob Türke oder Schwarzer“. Damals sei „keiner von den Jungs einen Döner essen gegangen“.
Auf den Vorhalt, er habe einst angegeben, S. über einen „Ferenc“ kennengelernt zu haben, bestätigte Sch. dieses. Dieser Ferenc S. habe aber nicht wirklich zu seiner Gruppe gehört, und er habe sich mit ihm auch hauptsächlich „nach der Zeit“ mit S. getroffen. Es habe damals neben erwähnter Skinhead-Gruppe und den „Garather Jungs“ noch weitere Leute gegeben, die zu Lemmer und dessen „Handlanger“ Zobel gehört hätten. [Anmerkung: Gemeint sind der ehemalige RechtsRock-Unternehmer Torsten Lemmer und der ehemalige JN-Funktionär Jan Zobel, die sich damals u.a. um eine Anbindung rechter „Jugendlicher“ bemühten.] Diese, so Sch. hätten zwar viel geredet, es sei aber nichts dabei „rumgekommen“. Er habe gehört, dass Lemmer seinen „Laden“ irgendwann mal an Ferenc S. überschrieben hätte. Heute sei Ferenc S. nicht mehr politisch unterwegs, er habe noch gestern mit ihm gesprochen. Mit „Gonzo“ (André M.) sei er noch bei Facebook befreundet.
Die Frage, ob es damals in der Szene Thema gewesen sei, wer den Wehrhahn-Anschlag begangen haben könnte, bejahte Sch. Man habe aber nichts gewusst und darum nur spekulieren können. Er selbst würde Ralf S. vom Intellekt her den Anschlag nicht zutrauen, „selbst wenn er gewollt hätte“. Überhaupt habe damals niemand den Eindruck gemacht, das nötige Know-how für einen solchen Anschlag zu haben. Es habe sich auch niemand mit der Tat gebrüstet.
Er sei, so Sch., am Tattag nach seiner Nachtschicht bei seiner Freundin in Düsseldorf-Bilk gewesen und habe geschlafen. Gegen 15 Uhr habe seine Mutter angerufen und von einer Explosion berichtet. Er habe dann vergeblich versucht, Ralf S. anzurufen.
In einer früheren Vernehmung, vorgehalten vom Gericht, hatte Sch. angegeben, Ralf S. habe rumgeblödelt auf die Frage, ob er der Täter gewesen sei, sei dann aber ernst geworden und habe gesagt: „Ich war das nicht“. Sch. soll damals angegeben haben: „Ich war unsicher, ob er das war oder nicht. Er tickt manchmal nicht ganz richtig.“ Vor Gericht konnte sich Sch. daran nicht mehr erinnern. Er gab an, Ralf S. sei „von der Art her sehr paranoid“, lange Planungen wären aber nicht sein Ding, eher „Kurzschlusshandlungen“, also spontane Reaktionen.
Einmal habe ihm S. Fotos von Bisswunden gezeigt, die sein Hund seiner Freundin D. zugefügt hatte. Ralf S. habe das „damals witzig“ gefunden: „Das war schon fast normal bei ihm.“
Auf Frage des Vorsitzenden bestätigte Sch., einen „Benjamin W.“ zu kennen. Der habe damals behauptet, „wir hätten Pistolen bei S. gekauft. Quatsch!“.
Auf die Frage zum Verhältnis von Lemmer und S. zueinander, antwortete Sch.: „Ralf hielt den für einen Clown“, und Lemmer habe Ralf S. für einen „Psycho“ gehalten. Die Szene habe damals sowohl bei Lemmer als auch bei Ralf S. eingekauft. S. habe in seinem Laden Outdoor-Zubehör („nichts Illegales“) angeboten, „wie in einem NATO-Shop“. Da er gute Preise gemacht habe und „von der Gesinnung her ähnlich“ gewesen sei, habe man eben bei ihm eingekauft.
Der Vorsitzende Richter sprach Sch. auch auf eine ehemalige Freundin von Ralf S. an. Hintergrund dieses Themas war, dass Hinweise und Aussagen vorliegen, dass S. diese Frau überwacht, bedroht, gestalked bzw. Personen auf sie angesetzt hatte, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte. Sch. bestätigte, dass es da „wohl Ärger gegeben“ habe, Näheres wisse er aber nicht. Es sei aber „nichts in Auftrag gegeben“ worden, es hätten auch keine „gezielten Patrouillen“ stattgefunden. Man sei da „mit den Hunden, aber nicht gezielt“ lang gegangen. Auf Nachfrage räumte er ein, dass S. „leicht eifersüchtig“ sei.
S. und er seien auch häufiger mit den Hunden (Bullterrier und Rottweiler) im Gebiet Gerresheimer Straße/Ackerstraße/Wehrhahn unterwegs gewesen. Meistens mit schwarzen Bomberjacken, Tarnhosen und schwarzen Springerstiefeln. Schwarze Ledermäntel habe man nie getragen. Er kenne auch niemanden, der so ausgesehen habe.
In der Neonazi-Szene habe auch die Bezeichnung „S. und seine Krakenarmee“ kursiert.
S. habe ihm mal erzählt, so Sch., dass er was in Erddepots im Wald vergraben hätte, von scharfen Waffen sei aber nie die Rede gewesen.
Man habe damals – „im kompletten Stadtgebiet“ und auch im Bereich Gerresheimer Straße – Aufkleber verklebt. Sowohl Rudolf-Heß-Aufkleber als auch Aufkleber mit der Parole „Deutschland muss in Düsseldorf wieder erkennbar sein“. Der eine wäre aus dem Hause S., der andere aus dem Hause Lemmer gewesen.
„Sheriff von Flingern“ sei der Spitzname von S. gewesen, so Sch. Er wisse aber nicht mehr, ob S. diesen Namen auch selbst benutzt bzw. wer ihn in die Welt gesetzt habe. Bei einer früheren polizeilichen Vernehmung hatte Sch. ausgesagt, dass sich S. selber so bezeichnet hatte. S. habe „aufräumen wollen in seinem Gebiet mit schwarzen Drogendealern und Junkies. Er hasste Ausländer, Schwule und Juden.“ Und weiter: „Alles, was er in seinem Viertel hasste, wollte er weg haben.“ S. habe entsprechende „Ansagen gemacht“. Er und sein Hund „Spike“ seien im Viertel bekannt gewesen.
Seinen Militaria-Laden habe S. mit Trittfallen gegen unbefugtes Betreten gesichert, berichtete Sch. Zur finanziellen Situation von S. befragt, gab Sch. an, diese sei „eher schlecht“ gewesen, von Schulden sei ihm aber nichts bekannt.
Auf Frage des Oberstaatsanwalts gab Sch. an, er sei fast täglich nachmittags zum Laden gegangen, nachdem er ausgeschlafen habe. Vormittags sei er nur selten dort gewesen. Er habe sich bestimmt auch mal gegenüber dem Laden aufgehalten, sich dort aber „nicht positioniert“. Er habe überhaupt nicht gewusst, dass dort eine Sprachschule sei. Ralf S. habe sich nie zum Thema Sprachschulen geäußert.
Der Zeuge Patrick E.
Der nächste Zeuge, Patrick E. (46, Düsseldorf), kam in Begleitung eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand. Er habe Ralf S. Anfang 2000 kennengelernt. 1999/2000 – auch zum Zeitpunkt des Anschlags – sei er mit der Tätowiererin L. liiert gewesen. S. sei oft in deren Laden gewesen. Er würde S. eher als „Bekannten“ und nicht als „Freund“ bezeichnen. Später sei er, E., weg gezogen in den Rhein-Kreis Neuss und habe lange Zeit keinen Kontakt zu Ralf S. gehabt. 2000 sei er städtischer Bauhelfer gewesen. Von einer damaligen „Affäre“ zwischen seiner damaligen Freundin und Ralf S. wisse er nichts.
Nachdem Ralf S. 2000 in Verdacht geriet, habe er ihm Herrn Spormann von der Königsallee als Rechtsanwalt besorgt, so Patrick E. Später habe ihm S. mal berichtet, er sei von allen Vorwürfen „freigesprochen“ worden. Erst 2015 habe es dann wieder Kontakt gegeben. Ralf S. habe ihn „vollgeheult“. Es sei um dessen Ex-Frau und um familiäre Dinge gegangen.
Auf Nachfrage räumte E. ein, Ralf S. informiert zu haben (obwohl er gebeten worden war, dies nicht zu tun), nachdem die Polizei ihn Ende 2016 erstmals aufgesucht habe. Ralf S. sei „ausgeflippt“, weil nun alles wieder neu losginge.
S. sei damals als Rechter bekannt gewesen, so E. Dem sei „alles auf dem Sack“ gegangen: „Ausländer, Junkies, Penner, was weiß ich.“ Auf seine eigene politische Haltung angesprochen, antwortete E., er habe zwar „gewisse Ansichten“, würde sich aber nicht als rechts bezeichnen. Auf Nachfrage bestätigte er, damals mit S. Musik-CDs getauscht zu haben, „Böhse Onkelz und so.“
Es habe nach dem Anschlag das Gerücht gegeben, so Patrick E., „die Russen seien es gewesen“. Das könnte aber auch von Ralf S. gekommen sein – in Verbindung mit einem Gerücht über einen Container mit Handgranaten am Bahnhof in Gleisnähe. Die Polizei hätten sich damals – so das Gerücht – nicht getraut, die Leute festzunehmen.
Aus der von den Ermittlungsbehörden mitgeschnittenen Kommunikation zwischen Patrick E. und Ralf S., aus der vom Gericht Auszüge präsentiert wurden, ging hervor, dass E. offenbar alles andere als kooperationsbereit gegenüber den Ermittlungsbehörden war. Ralf S. wiederum war im Monat vor seiner Inhaftierung sehr daran interessiert, von E. auf dem Laufenden gehalten zu werden. Ob letztendlich über die erste Ansprache hinaus noch eine Zeugenvernehmung im Polizeipräsidium stattfand, wurde nicht klar. Umso deutlicher wurde aber, dass die beiden ideologisch nicht weit auseinander sind. E. schickte S. am 27. Januar 2017 [Anmerkung: Der 27. Januar ist der internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust] via WhatsApp ein Bild des Eingangstors des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, in Kombination mit dem Merkel-Zitat „Wir schaffen das“. Ralf S. antwortete mit „Der ist gut.“
Der Zeuge Christian N.
Auch der nächste Zeuge, Christian N. (37, Düsseldorf) hatte einen Zeugenbeistand mitgebracht. Und seine „Ansgar Aryan“-Mütze, durch die er sich unmissverständlich als Neonazi zu erkennen gab. Mit Unterstützung des Vorsitzenden Richters konnte er sich auch an seinen Spitznamen erinnern: „Barsch“. Er bestätigte zudem, dass er damals der „rechten Szene“ nahe gestanden habe. Er wisse nicht mehr, was er am Tattag gemacht habe. Er habe auch mit seinen Kumpels nicht darüber gesprochen, wer den Anschlag verübt haben könnte. Ralf S. würde er nur flüchtig kennen und habe auch nie für ihn gearbeitet. Er habe ihn seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Den Militaria-Laden würde er kennen, dort habe er mal was gekauft.
Dem Zeugen wurde ein abgehörtes Telefonat vorgespielt, in dem der Anrufer Ralf S. aufgeregt davon berichtete, dass die Polizei bei ihm gewesen sei und dass er ihn dringend sprechen müsse. Daraufhin forderte Ralf S. den Anrufer auf, in seinen Laden zu kommen. Ja, das sei er gewesen, so Christian N. Er habe S. über sein Gespräch mit der Polizei berichtet.
Nach nur zehn Minuten hatte niemand mehr Fragen an den Zeugen, und er wurde entlassen.
Der Zeuge Sven Skoda
Mit Spannung wurde am 7. Prozesstag der Zeuge Sven Skoda (39, Düsseldorf) erwartet. Der seit Mitte der neunziger Jahre in der Neonazi-Szene aktive Skoda wurde vor Gericht von Rechtsanwältin Kerstin Rüber als Zeugenbeistand begleitet. Rüber war auch im ersten Koblenzer „Aktionsbüro Mittelrhein“-Prozess involviert, als Verteidigerin. Der extrem rechte Düsseldorfer Rechtsanwalt Björn Clemens verfolgte Skodas Aussage ebenso als Zuhörer wie der Dortmunder Neonazi-Kader Michael Brück („Die Rechte“).
Als Berufsbezeichnung gab Skoda „Software-Ingenieur“ an. Mit der Wehrhahn-Sache habe er nichts zu tun. Er kenne Ralf S. seit 1995/1996/1997, genau wisse er es nicht mehr. Damals habe man sich bei Spaziergängen mit ihren Hunden kennengelernt. Man habe auch nicht weit voneinander entfernt gewohnt. Möglicherweise habe S. ihn als im Stadtteil politisch aktiven Menschen erkannt und angesprochen. Er sei damals von Linken geoutet worden und im Stadtteil bekannt gewesen wie ein bunter Hund. Der Kontakt zwischen ihnen sei unterschiedlich intensiv gewesen. Er habe dann aber 2014 den Kontakt zu Ralf S. abgebrochen, nach S.‘ Verhaftung zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe. S. habe ihn aus der Haft heraus – direkt und auch indirekt über S.‘ damalige Freundin – angesprochen und ihn um Geld gebeten, um das Bußgeld zu begleichen. Er, Skoda, habe das „völlig quer“ gefunden. Denn er sei gerade erst selbst aus der Untersuchungshaft entlassen worden und hätte es nicht eingesehen, dass er jemandem Geld leihen solle für die Auslösung aus einer Ersatzfreiheitsstrafe, die er selbst zu verantworten habe, weil er sich vorher nicht um seine eigene Sache gekümmert habe. Außerdem habe er nicht angenommen, dass Ralf S. ihm das Geld jemals zurückzahlen würde. Eine Freundschaft hätten sie nicht gehabt. Für ihn sei Ralf S. „sehr ungewöhnlich in der Art, sein Leben zu führen“. Dabei sei er aber „durchaus unterhaltsam“. In Fragen der politischen Haltungen gäbe es zwischen ihnen keine Schnittmengen. Er selbst „begreife die Bundesrepublik nicht als etwas Positives“, Ralf S. habe sich als ehemaliger Bundeswehrsoldat aber positiv zur „BRD“ gestellt, da seien sie also nicht zusammengekommen. Ralf S. habe vor allem „auf Stammtischniveau“ gemeckert. Er habe ihn auch nicht einbezogen in die politischen Planungen. Auf Nachfrage des Oberstaatsanwalts äußerte Skoda, dass er sich auch nicht daran erinnern könne, mit Ralf S. zusammen jemals Flyer oder Aufkleber verteilt oder verklebt zu haben. Der Laden von Ralf S. sei auch kein Treffpunkt gewesen. Wegen ihm, Skoda, sei der Stadtteil natürlich „politisiert“ gewesen, und der Laden sei darum auch angegriffen worden. Das hätte ihn als Treffpunkt disqualifiziert. Außerdem hätte der Laden keine Öffnungszeiten gehabt, und es sei darin auch nicht genug Platz gewesen. Für das Jahr des Anschlags könne er nicht mehr einordnen, wie die politische Haltung von Ralf S. ausgesehen habe. Hier sei ihm unklar, was er aus der Presse wisse oder von früheren Befragungen. Aber S. hätte wohl etwas gegen „Ausländer“ gehabt. Sein Leben habe er in diesem Zusammenhang aber durchaus „pragmatisch aufgestellt“, hätte seine Homepage etwa von einem Inder erstellen lassen. Zur Frage, ob Ralf S. Mitglied einer Partei gewesen sei, könne er nur angeben, was er aus der Presse wisse: dass S. eine Mitgliedschaft in der DVU angetragen worden sein soll – allerdings sei die DVU so etwas wie ein „Buchclub“. Wenn man dort einmal etwas bestelle, sei man schon so gut wie Mitglied.
Ergänzt von einzelnen Fragen von Seiten der Richterin befragte der Vorsitzende Richter den Zeugen Skoda im weiteren Verlauf der Vernehmung zu weiteren Einzelaspekten: Was S. ihm etwa über seine Zeit bei der Bundeswehr erzählt habe? Skoda schilderte den Eindruck, dass S. sehr enttäuscht darüber gewesen sei, nicht bei der Bundeswehr bleiben zu können. Er, Skoda, könne die Vorgesetzten aber verstehen – Ralf S. sei schwer kontrollierbar. Ob S. eine Ausbildung mit Sprengmitteln habe, könne Skoda nicht sagen. Handgranaten könne jeder werfen, die damaligen Fähigkeiten von Ralf S. könne er heute nicht mehr einschätzen.
Weiter widmete sich das Gericht dem Tattag. Er habe, so Skoda, von dem Anschlag erfahren, als er abends nach Hause gekommen und den Fernseher angeschaltet habe. Sofort habe er gedacht, dass es „richtig Alarm“ geben würde, wenn bei ihm um die Ecke so etwas passiere. Er habe damals auf der Birkenstraße gewohnt. Und bei der hohen „Ausländerquote“ im Stadtteil seien „rein statistisch gesehen“ bestimmt auch Ausländer betroffen. Dass Ralf S. beschuldigt werden könnte, habe er sich sehr bald gedacht. Dessen Wohnung sei schließlich genauso weit vom Tatort entfernt gelegen gewesen, wie seine eigene bei seinen Eltern auf der Birkenstraße. Davon, dass Ralf S. tatsächlich beschuldigt wurde, habe er spätestens bei der ersten Hausdurchsuchung bei S. erfahren. Hier habe S. sich sicher an ihn gewandt für einen Ratschlag und Erfahrungsaustausch, auch wenn er das nicht mehr mit Sicherheit sagen könne. Denn er, Skoda, sei jemand, „der Hausdurchsuchungen nicht nur aus dem Fernsehen kennt“. Ralf S. habe mit ihm auch über die Beschuldigung gesprochen. Aber es hätte ihn nicht gewundert, dass S. verdächtigt worden sei. So wie S. herum gelaufen sei, hätte er – wenn er Polizist gewesen sei – ihn auch verdächtigt. Ob S. ihm erzählt habe, was er am Tattag, am 27. Juli 2000, gemacht habe, könne er nicht mehr sagen. Er gehe aber davon aus, dass er es ihm erzählt habe, denn es sei „lebensfremd“, dass Ralf S. mit ihm nicht darüber gesprochen habe. Über den Anschlag selbst habe S. allerdings „sehr, sehr oft“ mit ihm gesprochen, vor allem darüber, dass die Beschuldigungen gegen ihn sein Leben verändert hätten. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob Ralf S. sich durch das Ermittlungsverfahren gegen ihn aufgewertet gefühlt habe, gab Skoda an, dass S. ihm von Internet-Seiten, Presse-Artikeln von „Linksextremen“ und der „Links-Partei“ erzählt habe, in denen sein Name ausgeschrieben worden sei.
Skoda gab außerdem an, dass er sich nicht erinnern könne, mit Ralf S. jemals darüber gesprochen zu haben, wer den Anschlag verübt haben könnte. Er wisse nur, dass wohl auch „osteuropäische Zusammenhänge“ in Betracht gezogen worden seien in den Ermittlungen. Er habe mit Ralf S. nicht darüber gesprochen, ob er, Skoda, verdächtigt worden sei. Auf die Frage, ob er mit anderen „politischen Menschen“ in seinem Umfeld über mögliche Motive des Anschlages gesprochen habe, wies Sven Skoda auf die „Pressemitteilung“ hin, die er damals herausgegeben habe. Er halte es auch heute noch für ausgeschlossen, dass es ein „rechtsextremes“ Motiv gewesen sei. Dass Ralf S. häufig einen Spruch von Rudolf Heß zitiert habe, wisse er. Hier habe S. vor allem das Ende zitiert [Anmerkung: „... der-einst stehe ich vor dem Richterstuhl des Ewigen, ihm werde ich mich verantworten, und ich weiß: Er spricht mich frei!“]. Auf die spätere Rückfrage des Oberstaatsanwalts, was das Zitat für den Beschuldigten bedeutet habe und was es ihm, Skoda, bedeute, wies der Zeuge darauf hin, dass er schon berichtet habe, dass Ralf S. das Heß-Zitat sehr häufig bemüht habe. Für ihn selbst sehe er aber nicht, was seine Haltung zu dem Zitat mit dem Verfahren gegen Ralf S. zu tun habe. Auf die Fragen des Vorsitzenden Richters nach Skodas Kontakten zu weiteren Personen, antwortete Skoda jeweils mit „Nein“ bzw. abweisend: Torsten Lemmer spiele in seinem Leben keine Rolle, auch wenn er ihn kenne. Ob Ralf S. mit ihm in Kontakt stand, wisse er nicht. Der Name Norman B. [Anmerkung: Neonazi vom Niederrhein, der 1999/2000 in Düsseldorf lebte und dann nach Bayern verzog] sage ihm nichts. Wer Christian N. sei, wisse er nicht. Von Herbert L. wisse er, dass er ein Automechaniker gewesen sei, den Ralf S. mehrfach erwähnt habe. Einen „Pierre“ habe er auch nicht gekannt.
Auch die Oberstaatsanwaltschaft befragte Skoda zur rechten Szene in Düsseldorf, wollte etwa wissen, wie groß sie nach Einschätzung des Zeugen um 2000 herum gewesen sei. Dieser gab an, dass es sich um „vielleicht 80“ Personen gehandelt habe. Ob er in der Szene mit Spitzeln gerechnet habe und wie er über Ralf S. gedacht habe in diesem Punkt? Ralf S. hätte er grundsätzlich vertraut. Er hätte ihm erzählt, dass ihm angeboten worden sei, seinen Führerschein schneller zurückzubekommen, wenn er ihn (Skoda) „rumfahren“ würde. Das hätte S. aber abgelehnt. Skoda sei sich aber sicher gewesen, dass sein Festnetztelefon abgehört würde. Schließlich sei hier das „Nationale Infotelefon“ zu erreichen gewesen. Richter Drees wollte später hierzu auch noch wissen, was der Zeuge darüber denke, dass seine damalige Freundin für einen Geheimdienst die Szene ausgehorcht haben könnte. Hierzu berichtete Skoda, dass er mit ihr jüngst erst darüber gesprochen habe, weil er davon gelesen habe. Er habe das aber für „Humor“ gehalten. Seine damalige Freundin sei sehr hübsch und charmant. Sie sei damals zu ihm, der kein festes Einkommen hatte, nach Düsseldorf gezogen. Dass da damals Verwunderung darüber aufgekommen sei, warum sie zu ihm gezogen sei, könne er vor diesem Hintergrund verstehen.
Schon in der Befragung durch den Vorsitzenden Richter, im weiteren Verlauf auch durch Oberstaatsanwalt Herrenbrück, kam die Sprache auch auf die Frage, ob Sven Skoda von dem Angeklagten um ein Alibi gebeten worden sei. Skoda stritt dies ab. S. habe ihn nie um ein Alibi gebeten. Spätestens, wenn S. ihn um ein Alibi gebeten hätte, hätte er seine Meinung, dass S. nicht der Täter gewesen sein könne, geändert. Die Frage, warum die spätere Beziehung von Ralf S., Corinna D., behaupten könne, von Ralf S. um ein Alibi gebeten worden zu sein, könne er nicht beantworten. Er wisse nur, dass jemand wie Ralf S. die Tat nicht verstecken könne. Mit Corinna D. habe es in diesem Zusammenhang auch eine Aussprache gegeben wegen des „Missverständnisses“. Kurz um seinen Geburtstag herum habe Corinna D. sich per E-Mail bei ihm gemeldet und erläutert, was mit ihrer Aussage zum Thema „Alibi“ gewesen sei. Skoda gab auf Rückfrage des Vorsitzenden Richters an, dass er diese E-Mail-Korrespondenz dem Gericht zur Verfügung stellen würde, sofern er sie noch hätte. Zuletzt hätte er über einen Text-Messenger mit Corinna D. im Kontakt gestanden, das müsse zum Prozess-Auftakt gewesen sein, bevor er die Ladung für diesen Gerichtstermin erhalten habe. In der Zeit, als Ralf S. seine Ersatzfreiheitsstrafe abgesessen habe, hätte er etwa alle zwei Wochen Kontakt zu Corinna D. gehabt. In der Zeit nach deren Trennung von S. hätte er sich mit ihr auch über Bedrohungen durch Ralf S. unterhalten, er wisse von „Auseinandersetzungen“ und gegenseitigen Anzeigen.
Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück befragte Sven Skoda schließlich auch zum Inhalt der Telefonate, die dieser mit dem derzeit Angeklagten am Tag des Anschlags geführt habe. Ein Vorhalt zu den Telefonverbindungen, die Ralf S. am Tattag angerufen hatte, zeigte, dass dieser mehrfach mit Sven Skoda telefoniert hatte. Skoda gab hierzu jeweils an, dass er keinerlei Erinnerungen an den Inhalt dieser Telefongespräche habe.
Die Verteidigung stellte dem Zeugen nur wenige Fragen. Rechtsanwalt Heuvens fragte danach, ob die damalige Freundin des Angeklagten, Corinna D., für Ralf S. Unterlagen sortiert und sie diesem in die JVA Castrop Rauxel gebracht habe. Das wisse er nicht, gab Skoda an, äußerte aber, dass Corinna D. aufgeräumter gewesen sei als Ralf S., und dass die Sortiererei wohl keinen Sinn gemacht hätte, wenn D. ihrem damaligen Freund nicht etwas in die JVA gebracht hätte. Rechtsanwältin Karaman befragte Sven Skoda dazu, ob er bei seinen eigenen Vernehmungen im August 2017 einer Form von „Stimmungsmache“ oder einem „Aufwiegeln“ durch die Ermittlungsbehörden begegnet sei oder ob andere Zeuginnen und Zeugen ihm von so etwas berichtet hätten. Zu anderen Zeugen, so Skoda, habe er keinen Kontakt. Er selbst habe die Befragungen als unangenehm empfunden, eine konkrete Zielrichtung der Befragung habe er aber nicht wahrgenommen.
Die Nebenklage stellte abschließend noch eine Frage zum äußerlichen Auftreten von Ralf S., insbesondere dazu, ob dem Zeugen aufgefallen sei, dass Ralf S. in Militärklamotten gekleidet gewesen sei, die mit Handgranaten-Splinten dekoriert gewesen seien. Der Zeuge meinte, ihm sei hierzu nichts aufgefallen.