Zur Erinnerung: In Haft soll Ralf S. sich im Juni 2014 dem Zeugen Andreas L. gegenüber gebrüstet haben, den Sprengstoffanschlag vom Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn verübt zu haben [siehe Bericht zum 8. Verhandlungstag vom 22.02.2018]. L. hatte daraufhin die JVA informiert und damit die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens gegen den schon unmittelbar nach dem Anschlag vom 27. Juli 2000 als Täter verdächtigten Ralf S. ins Rollen gebracht.
Von beiden Zeuginnen erhoffte sich das Gericht nun Auskunft darüber, was sie zu den sehr unterschiedlichen Phasen der Ermittlungsgeschichte – zum Zeitpunkt des Anschlags im Sommer 2000 und kurz vor Wiederaufnahme der Ermittlungen 2014 – über ihren damaligen Freund mitbekommen, von ihm und anderen erzählt bekommen oder selbst vom Tatzusammenhang gewusst haben. Bei den Ermittlungen 2014 bis 2017 hatten beide Zeuginnen gegenüber den Ermittler*innen der zweiten Ermittlungskommission „EK Furche“ Angaben gemacht, die zur Belastung des Beschuldigten beigetragen hatten.
Die Zeugin Doreen Sch.
Die heute 40-Jährige kam in Begleitung eines anwaltlichen Zeug*innenbeistands zur Verhandlung. Im Mittelpunkt der Befragung, die im Wesentlichen vom Vorsitzenden Richter Rainer Drees geführt wurde, standen drei Aspekte:
1. ob Ralf S. sich bereits vor der Tat gegenüber der Zeugin zu einem etwaigen Tatplan geäußert hatte;
2. über welche Indizien und Spuren die Zeugin Aussagen machen könnte und ob sie im Vorfeld der Tat etwas wahrgenommen hatte, was mit der Tat im Zusammenhang stehen könnte;
3. wie Ralf S. und sein Umfeld sich nach dem Anschlag vom 27. Juli 2000 ihr gegenüber verhalten hatten.
Daneben wurde die Zeugin als damalige Lebenspartnerin von Ralf S. zur Persönlichkeit des Angeklagten, zu seinen Haltungen und zu seinem Nahumfeld befragt.
In der Befragung knüpfte das Gericht an eine Vielzahl von polizeilichen Vernehmungen an. Denn Doreen Sch. war seit 2000 im Ermittlungsverfahren gegen ihren Lebenspartner Ralf S. wiederholt befragt worden. Entsprechend viele Vernehmungsvorhalte nutzte der Vorsitzende Richter zur Einordnung der heutigen Aussage der Zeugin. Außerdem wurde Doreen Sch. zu diversen Telefonanrufen befragt, die im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung der „EK Acker“ von den Ermittler*innen mitgeschnitten worden waren.
Wie in den bisherigen Vernehmungen anderer Zeug*innen auch, begann Richter Drees die Befragung mit der Aufforderung, in freier Rede zu berichten, was die Zeugin über den Sprengstoffanschlag vom Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn wisse. Die Zeugin benötigte wenig Vorrede und stieg sofort ein: „In meinen Augen ist er's gewesen.“ Auf Nachfrage begründete sie ihre Einschätzung damit, dass Ralf S. ihr gegenüber vor dem Anschlag vom 27. Juli 2000 angekündigt habe, „dass er so ein Ding fabrizieren würde“. Etwa ein Jahr vor der Tat habe Ralf S. sich ihrer Erinnerung nach wie so häufig über irgendetwas furchtbar aufgeregt. Immer habe Ralf S. ihrem Eindruck nach „einen Hass auf Ausländer“ gehabt. Doreen Sch. erinnerte sich daran, dass Ralf S. etwas wie „Ich werd‘ die hochjagen“ gesagt habe. Im September 2015 hatte sie in einer Aussage bei der Polizei außerdem zu Protokoll gegeben, dass Ralf S. ihr damals gesagt habe, dass er „es am Bahnhof“ machen wolle. Nach dem Anschlag habe sie ihm aber geglaubt, nichts mit der Tat zu tun zu haben. Sie habe ihm, der älter war als sie und zu dem sie habe „aufschauen“ können, Glauben geschenkt. Allerdings habe er „mit seinen Worten auch sehr beherrschend sein“ können.
Mit der Wiederaufnahme des Verfahrens in 2014 und mit ihrer erneuten Vorladung als Zeugin habe sich das geändert. Denn die Polizei habe sie mit verschiedenen Ermittlungsergebnissen konfrontiert, u.a. mit dem Bild eines Nachbaus der Rohrbombe. In der Vernehmung habe sie am 4. Februar 2017 angegeben, „einen solchen Gegenstand“ noch nie gesehen zu haben, auch nicht bei Ralf S. Das Bild von dem Gegenstand, so Doreen Sch. nun in der Verhandlung, habe sie aber nicht aus dem Kopf bekommen. Sie habe das Gefühl gehabt, ein Bild von dem Gegenstand vor Augen zu haben. Mehrere Tage hätte sie darüber nachgedacht, dann sei ihr klar geworden, dass sie genau so einen „Gegenstand“ in der Wohnung von Ralf S. gesehen habe, wenige Tage vor dem Anschlag. Vier Tage nach der Vernehmung im Februar 2017 hätte sie darum bei den Ermittler*innen der „EK Furche“ angerufen und von ihrer Erinnerung an den Gegenstand in der Wohnung berichtet. Bei der Polizei hatte Sch. dann auch eine Zeichnung von der Küche von S. erstellt. Darauf hätte sie genau eingezeichnet, wo sie den Gegenstand gesehen habe. Auf Rückfrage der Kammer und später auch der Oberstaatsanwaltschaft erklärte Doreen Sch. wiederholt, dass ihr erst, nachdem ihr im Februar 2017 das Bild eines Nachbaus der Rohrbombe (wie die Ermittler*innen sie rekonstruiert hatten) gezeigt worden sei, klar geworden sei, was sie wenige Tage vor dem Anschlag in der Küche des Angeklagten gesehen hatte. In diesem Zusammenhang äußerte die Zeugin auch, dass Ralf S. ihr nach dem Anschlag „befohlen hätte, den Mund zu halten.“ Ergänzend: „Und wenn Ihnen S. befiehlt, den Mund zu halten, dann tun Sie das besser auch.“
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob Ralf S. nach einer der Hausdurchsuchungen ihr erzählt habe, er hätte erfolgreich was „im Schmodder“ versteckt, antwortete Sch., dass er ihr das tatsächlich erzählt hätte. Es habe sich laut S. um eine Pistolenpatrone gehandelt. S. habe sich darüber lustig gemacht, dass die bei der Durchsuchung eingesetzten Hunde das Versteckte nicht gefunden hätten.
Auch befragte das Gericht die Zeugin zu verschiedenen Aspekten von Indizien, die unmittelbar im Tatzusammenhang zu sehen sind. Unter Vorhalt von Phantombildern einer Person, die der Aussage einer Zeugin zufolge zum Tatzeitpunkt (mit Sicht auf den Tatort) auf einem Stromkasten am S-Bahnhof Wehrhahn gesessen haben soll, bestätigte die Zeugin Doreen Sch., dass Ralf S. eine Kappe besessen und getragen habe, die der Schirmmütze auf der Abbildung ähnele. Außerdem ähnele auch das gesamte Phantombild Ralf S. Es sei ihr aber erst von der „EK Furche“ vorgelegt worden. Das hätte u.a. dazu beigetragen, dass sie ihre Wahrnehmungen aus dem Jahr 2000 heute anders einordne und glaube, dass Ralf S. die Tat begangen habe.
Auf Nachfrage schilderte Doreen Sch. außerdem, dass sie die Anzeigen-Zeitung „Marktplatz“ bei Ralf S. gesehen habe. [Hintergrund: Diese Kölner Zeitung soll zusammen mit der Rohrbombe in der Plastiktüte gewesen sein, die am Tatort deponiert worden war.] Ihres Wissens nach habe S. auch über ein Schweißgerät verfügt.
Dass es gegenüber dem Laden von Ralf S. eine Sprachschule gab, habe sie allerdings damals nicht gewusst. In einer der frühen polizeilichen Vernehmungen hatte Doreen Sch. hierzu ausgesagt, dass sie keine Kenntnisse darüber habe, ob es Bedrohungssituationen gegen die Schülerinnen und Schüler der Sprachschule gegeben habe. Sie hätte nichts von „Männern in Ledermänteln“ gewusst.
Dem Gericht ging es in der Befragung der Zeugin Sch. auch um die Zeit nach dem Anschlag. Hier bat der Vorsitzende Richter Doreen Sch. zu schildern, wann sie von der Explosion erfahren habe. Die Zeugin beschrieb, dass sie am Tag des Anschlages auf dem Rückweg von der Arbeit auf ihrem Handy angerufen worden sei. Angerufen habe „ein Sven“, der sie darüber informiert habe, dass „eine Bombe hochgegangen“ sei. Der Anrufer, von dem sie nur den Vornamen wisse, habe außerdem gesagt, dass es nicht Ralf S. gewesen sei. Der Telefonanruf sei nur sehr kurz gewesen. Außerdem sei ihr vor wenigen Tagen die Erinnerung an dieses Telefonat überhaupt erst wieder gekommen. Zu dieser neuen Information hielt Rainer Drees der Zeugin vor, dass sie in einer polizeilichen Vernehmung am 2. August 2000 ausgesagt hatte, während der Arbeit von einer Kundin das erste Mal von der Explosion am S-Bahnhof Wehrhahn erfahren zu haben. Außerdem hatte Doreen Sch. im August 2000 ausgesagt, dass Ralf S. sie am Tag des Anschlags gegen 18.30 Uhr angerufen, von der Explosion erzählt und „direkt gesagt“ habe, dass „er's nicht war.“ Von Richter Drees gefragt, wie Ralf S. und sie am Abend dann über die Explosion gesprochen hätten, sagte Doreen Sch. jetzt aus, dass sie sich nicht erinnern könne, ob und über was sie und Ralf S. am Abend des Anschlages miteinander gesprochen oder ob sie sich über die Explosion oder das Telefonat, dass Doreen Sch. nach heutiger Aussage auf dem Heimweg von einem „Sven“ erhalten haben will, unterhalten hätten. Als Ralf S. sie am Abend angerufen habe, habe sie ihn zwar fragen wollen, ob er den Anschlag begangen habe, sie habe es dann aber doch nicht gemacht. 2000 habe sie ihm die Tat nicht zugetraut. Das hatte sie auch bei einer ihrer Vernehmungen im Jahr 2000 bereits ausgesagt.
Zur Situation nach dem Anschlag hielt das Gericht der Zeugin schließlich die Tondokumente der Telefonüberwachung vor. Hier ging es insbesondere um ein Telefonat, dass die Zeugin am 3. August 2000 mit einem Mann geführte hatte, der sich am Telefon als „Pierre“ vorgestellt hatte. In dem Telefonat hatte sich „Pierre“ danach erkundigt, wie die Vernehmung von Doreen Sch. bei der Polizei gelaufen sei. Diese berichtete dem Telefonpartner „Pierre“ davon, was sie ausgesagt habe, etwa davon, dass sie u.a. den Namen des Anrufers nicht genannt habe, als es um das Umfeld von Ralf S. gegangen sei. Die Namen von Sven Skoda und Sven Sch. hingegen habe sie der Polizei genannt. Als Richter Drees die Zeugin jetzt im Prozess fragte, um wen es sich bei dem Anrufer handele, gab Doreen Sch. an, nicht zu wissen, wer „Pierre“ ist. Auch auf erneute Rückfrage hierzu blieb die Zeugin dabei: „Pierre“ sei für sie „ein Phantom“. Im selben Telefonat mit „Pierre“ hatte Doreen Sch. sich auch dahingehend geäußert, dass Ralf S. wohl verhaftet würde, wenn bei ihm TNT gefunden werde. Dazu gab sie in der Gerichtsverhandlung an, sich nicht erklären zu können, wie sie damals zu dieser Formulierung gekommen sei.
Auch ein Telefonat von Doreen Sch. mit Ralf S. wurde erneut im Prozessverlauf Thema: Am 18. August 2000 hatte der Angeklagte seine damalige Freundin dazu aufgefordert, keine Aussagen zum Anschlag zu machen.
Schließlich ging es in der Befragung der Zeugin um ihre Beziehung mit dem Angeklagten im Sommer 2000. Kennengelernt hätten sie sich, so Sch., 1997 oder 1998. Bis 2001 oder 2002 seien sie zusammen gewesen. Der erste Kontakt sei entstanden, weil Sch. als Mieterin in der Schirmerstraße 17 Nachbarin von Ralf S. gewesen sei und man dort über S.‘ Hund „Spike“ ins Gespräch gekommen sei. Eine Zeit lang hätten Ralf S. und sie dann eine gemeinsame Wohnung in der Gerresheimer Straße gehabt. Die sei aber zu groß und zu teuer gewesen, darum seien sie in die Ackerstraße gezogen. Hier hätten sie jedoch nur kurz gewohnt, bevor sie, Doreen Sch., eine eigene Wohnung in der Schützenstraße bezogen habe. Ralf S. habe für sich die „kleine Wohnung“ in der Gerresheimer Straße 13 gemietet. Später ergänzte Doreen Sch. auf Nachfrage des Oberstaatsanwalts Ralf Herrenbrück, dass es der Wunsch von Ralf S. gewesen sei, etwas „Freiraum“ für sich zu haben. Das habe sie damals gewundert. Denn S. sei dann ja doch jeden Tag bei ihr gewesen. Sie selbst sei aber nur zwei bis drei Mal in seiner Wohnung gewesen, ebenso wie im Laden auf der Gerresheimer Straße 51. Beides sei „zugestellt“ gewesen.
Mit dem „Militarialaden“ habe Ralf S. sich neben seiner Arbeit in der „Baustellenbewachung“ eine Selbständigkeit aufbauen wollen, habe dort Fahnen, Bundeswehrsachen, Zelte und Sicherheitsausrüstung verkaufen wollen. Allerdings hätten sie vor allem von ihrem Geld gelebt, das sie als Verkäuferin verdient habe. Ralf S. habe ihr später mit dem Geschäft, das auf ihren Namen gelaufen sei, Schulden in Höhe von etwa 60.000 Euro hinterlassen, außerdem zusätzlich weitere Zahlungsaufforderungen etwa für Anzeigenschaltungen. Wobei Ralf S. nach Angaben der Zeugin offenbar auch ihre Unterschrift gefälscht hatte.
Gesehen hätten sie einander eigentlich täglich, so Sch. S. habe sie nach der Arbeit immer an verschiedenen Haltestellen in der Innenstadt abgeholt, wenn sie mit dem ÖPNV dorthin zurückgefahren sei. Übernachtet hätten sie fast immer bei ihr. Sie könne sich nur an eine einzige Übernachtung bei Ralf S. erinnern – als sie ihre eigene Wohnung auf der Schützenstraße einer Besucherin aus der Familie zur Verfügung gestellt habe.
Nach weiteren „Freunden“ oder freundschaftlichen Bindungen gefragt, nannte die Zeugin die Besitzerin des Tattoo-Studios auf der Kölner Straße sowie Sven Skoda und Sven Sch. als nähere Kontakte von Ralf S. Die beiden Svens seien „von rechter Gesinnung gewesen“. Daraus hätten sie, so die Zeugin auf Nachfrage, keinen Hehl gemacht. Auch für Ralf S. habe diese Haltung eine Rolle gespielt, er habe immer gewollt, dass „Ausländer raus“ sollten.
Die Zeugin Corinna D.
Als zweite Zeugin für diesen Prozesstag war Corinna D. geladen. Sie war von 2012 bis 2014 Beziehungspartnerin von Ralf S. und hatte für ihn Büroarbeiten erledigt. Zum Zeitpunkt des Anschlages kannte sie Ralf S. noch nicht, wie sie angab. Sie hätten sich 2012 über eine Partnerbörse im Internet kennengelernt. S. habe sich ihr als Sicherheitsberater und Security, als Schauspieler und Hundetrainer vorgestellt. Er habe sie gefragt, ob sie für ihn arbeiten wolle. Bald seien sie dann zusammengekommen. S. sei damals noch mit seiner Ehefrau zusammen gewesen, habe dann aber alleine in Ratingen gewohnt. Sie selbst lebe in Geldern. Eine gemeinsame Wohnung hätten sie nicht gehabt, Ralf S. sei aber oft bei ihr gewesen, sie ab und an auch bei ihm in Ratingen. Gelebt hätte Ralf S. vor allem von Leistungen vom Jobcenter und von ihrem Geld.
Weil Corinna D. den Angeklagten erst 2012 kennengelernt hatte, wurde die Zeugin vor Gericht nun zu ihrer Kenntnis und Einschätzung zur Person des Angeklagten einerseits und zu ihren Kenntnissen aus Hörensagen über den Anschlag anderseits gehört. Bzw. dazu befragt, was Ralf S. ihr in der Zeit ihrer Beziehung über den Anschlag erzählt hatte. Außerdem wurde Corinna D. dazu befragt, welche Unterlagen sie in der Zeit von S.‘ Inhaftierung in der JVA Castrop-Rauxel für ihren damaligen Partner in die Haftanstalt gebracht hatte.
In seinem persönlichen Umfeld habe es keine „Freunde“ gegeben („Für Herrn S. ist niemand ein Freund“). Nur zu Sven Skoda habe es näheren Kontakt gegeben, erinnerte sich die Zeugin. Zu seiner politischen Haltung befragt, äußerte Corinna D., dass Ralf S. „nichts mag, was nicht so ist wie er.“ Ihre eigene politische Haltung sei „geradeaus“.
Im Gericht teilte die Zeugin außerdem ihre Beobachtung mit, dass Ralf. S. zwar auf den ersten Blick den Eindruck mache, in Unordnung zu leben. Diese Unordnung sei ihrer Einschätzung nach aber „schon Schauspielerei“. Wenn er ein Ziel habe, gehe er planmäßig geordnet vor.
Schon bald nachdem sie sich kennengelernt hätten, habe Ralf S. ihr erzählt, dass er in der „Sache mit dem Wehrhahn“ beschuldigt worden sei. Davon habe er ihr sogar früher als von seiner Ehefrau und seinen Kindern berichtet. Der Verdacht gegen ihn sei dann aber von den Ermittlungsbehörden fallengelassen worden, habe er ihr erzählt.
Die Befragung der Zeugin drehte sich im Folgenden dann vor allem um den genauen Wortlaut einer Aussage, die die Zeugin 2016 bei der Polizei gemacht hatte. Hier hatten die Ermittler*innen protokolliert, dass sie ausgesagt hätte, dass Ralf S. ihrer Kenntnis nach damals Sven Skoda gefragt habe, „ob er ihm nicht ein Alibi für die Tatzeit geben könnte“. Im Prozess äußerte Corinna D. allerdings nun, dass sie das so nicht gesagt bzw. gemeint hätte in ihrer Aussage. Sie habe kurze Zeit nach ihrer Vernehmung noch einmal bei der Polizei angerufen, um ihre Aussage zu korrigieren. Der Ermittlungsleiter der „EK Furche“, Udo Moll, habe ihr bei dieser Gelegenheit berichtet, dass er hierzu bereits mit Sven Skoda Kontakt aufgenommen und ihn mit der Aussage von Corinna D. konfrontiert habe. Skoda hätte ihm gegenüber angegeben, dass die Aussage von Corinna D. falsch sei. In diesem Zusammenhang berichtete die Zeugin von einer Aussprache zwischen ihr und Skoda. Dieser sei sauer auf sie gewesen, aber sie habe das richtigstellen und klären können. Auf Nachfrage der Nebenklage gab D. an, dass sie sich aktuell gut mit Skoda verstehen würde, man stünde in Kontakt.
Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück hielt der Zeugin eine Aussage vor, die sie im Mai 2016 in einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung gemacht hätte. Hier hätte sie ausgesagt, dass Ralf S. ihrer Kenntnis nach „den Skoda und andere Leute“ gefragt habe, „ob sie möglicherweise am Tattag mit ihm zusammen gewesen sein könnten“. Später hätte sie dann, so ein weiterer Vorhalt der Oberstaatsanwaltschaft, ihre Aussage dahingehend verändert, dass Ralf S. das zwar gewollt habe [dass Skoda ihm ein Alibi gibt], dass dieser aber gesagt hätte, dass er das nicht gewollt und auch nicht gekonnt hätte, da er am 27. Juli 2000 überhaupt nicht da gewesen sei. Auch vor Gericht äußerte sich D. dahingehend, dass Skoda überhaupt nichts hätte bestätigen können, „weil er ja nicht da war“. S. habe aber behauptet, „der Skoda“ könnte seine Unschuld bestätigen. Skoda selbst hatte am 7. Prozesstag ausgesagt, er sei definitiv nicht um ein Alibi gebeten worden.
In einem letzten Punkt machte Corinna D. schließlich Angaben dazu, wie ihr Verhältnis zu Ralf S. in der Zeit seiner Inhaftierung in der JVA Castrop-Rauxel gewesen sei. Sie habe ihn mehrfach dort besucht, habe ihm Unterlagen zu seiner familienrechtlichen Situation und zum Bußgeldverfahren, wegen dem er die Ersatzfreiheitsstrafe absitzen musste, in die JVA gebracht. Unterlagen zum Wehrhahn-Anschlag habe sie ihm nie mitgebracht. Das hätte Ralf S. auch gar nicht gewollt, da er befürchtet habe, dass sich der damalige Verdacht gegen ihn schlecht auf seine Sozialprognose auswirken würde, wenn die Mitarbeiter*innen der JVA hierüber Bescheid wüssten. Einmal habe er sie (D.) „panisch“ angerufen aus der JVA, da er gehört hätte, dass die JVA seinen Bundeszentralregisterauszug einsehen wolle. Er habe befürchtet, dass die JVA dadurch davon erfahren würde, dass er einst Verdächtiger in den Ermittlungen zum Wehrhahn-Anschlag war. Von diesem Anruf und den Sorgen von S. hätte sie auch Sven Skoda berichtet, so Corinna D. Sowohl sie als auch Skoda seien der Meinung gewesen, dass die Befürchtung unsinnig sei, da es bei Nichtverurteilungen keinen Eintrag geben würde.
Kontakt aufgenommen habe sie in dieser Zeit zu vielen Leuten, um Geld zu organisieren, damit S. aus der Haft entlassen wird. Mit der Sozialarbeiterin, die S. betreute, habe sie häufig telefoniert. Es sei immer um Ralf S.‘ Familiensituation, um seine Kinder oder um die Begleichung der Bußgeldzahlung gegangen. Nie hingegen um den Wehrhahn-Anschlag.
Um in der Zeit der Inhaftierung und im Auftrag von Ralf S. dessen Unterlagen und Angelegenheiten zu sortieren und zu regeln, habe sie viele der Dokumente in dessen Wohnung durchgesehen. Dabei sei sie auf diverse ihr bis dato unbekannte Vorfälle (räuberische Erpressung, Gewaltschutzverfügungen etc.) gestoßen und ihr sei klar geworden, dass sie nicht mehr länger mit Ralf S. zusammen sein wolle. Nachdem sie am 21. Juli 2014 „Schluss gemacht“ habe, sei die Zeit „unschön“ gewesen. Sie habe Verfügungen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt.